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Gesellschaft

Entscheidung pro Kopftuch: Nicht der Vater, und auch nicht der Bruder

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Das Kopftuch gehört seit Jahren zu den Lieblingsthemen von „Islamexperten“, Politikern bis hin zu Kritikern und Befürwortern. Dabei glänzen insbesondere Nichtträger mehr durch Meinungsstärke denn durch fundiertes Wissen. (Foto: zaman)

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Väter und Brüder beeinflussen ihre Töchter bzw. Schwestern weit weniger bei der Entscheidung für das Kopftuch als bisher angenommen.
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Wir leben in einer Gesellschaft, in der 83% aller Nichtmuslime denken, dass das Kopftuch eine Unterdrückung symbolisiere. Diese Behauptung hat in Deutschland leider die Oberhand gewonnen. Dabei zeigt eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung aus dem Jahr 2006, dass nicht weniger als 80% der Kopftuchträgerinnen diese Auffassung nicht im Geringsten teilen.

Im Zuge der Erstellung dieser Studie zufolge haben es sich die nichtmuslimischen Wissenschaftler hinter dem Projekt zur Aufgabe gemacht, keine Politikerinnen oder Wissenschaftlerinnen über das Kopftuch zu befragen, sondern die eigentlichen Protagonisten, demnach Kopftuchträgerinnen in der deutschen Gesellschaft selbst.

Außerdem wird anhand der Studie ersichtlich, dass 38% Prozent der Frauen das Tragen des Kopftuchs befürworten. Bei den muslimischen Männern sind es weniger, nämlich 28%. Dort ist die Mehrheit der Meinung, dass eine Frau kein Kopftuch tragen soll.

Weiter lässt sich aus der Studie entnehmen, dass in nur einem Viertel der Fälle der Vater, in 10% der Ehemann und in 4% der Bruder eine Rolle spielt, wenn es um die Entscheidung geht, ob ein Kopftuch getragen werden soll oder nicht. Der Haupteinfluss ging mit 40% von der Mutter aus.

Darüber hinaus stellt sich heraus, dass das Tragen des Kopftuches hauptsächlich aus Eigeninitiative erfolgt. Im weiteren Verlauf der Studie wurde zudem nach dem Beweggrund für das Kopftuchtragen gefragt. Das Resultat hierzu war, dass das Kopftuch von 95% derer, die es tragen, als religiöses Gebot angesehen wird, ein gewisses Selbstvertrauen hervorbringt und zur Identität gehört (87%).

Es ist nicht der Vater oder der Bruder…

Bezüglich der Frage, ob es einen Einfluss gab, der die betreffenden Frauen zum Tragen des Kopftuchs bewegte, antworteten viele, dass es mindestens eine Person in der Familie gäbe, die ein Kopftuch trage und sie sich deshalb für das Kopftuch entschieden hätten. Jedoch ist auch die Zahl derer beachtlich, die aus eigener Entschlossenheit heraus Kopftuch tragen, obwohl niemand in der Familie eines trägt oder sogar mindestens ein Familienmitglied dagegen war.

Wir können also festhalten:

1. Die Entscheidung für das Kopftuch erfolgt weitgehend im Einklang mit der eigenen religiösen Überzeugung.

2. Die Entscheidung für das Kopftuch steht in den meisten Fällen nicht unter dem Einfluss männlicher Familienmitglieder.

Aus eigener Erfahrung aus dem Zentrum für Islamische Theologie in Tübingen weiß ich, dass die Studentinnen mit dem Kopftuch kein zweites Fach studieren möchten, da es immer noch ungewiss ist, ob sie an einer staatlichen Schule neben dem Fach Islam ein anderes Fach unterrichten dürften oder nicht. Allein in Tübingen ist die Zahl solcher Kopftuchträgerinnen mittlerweile höher als 30! Es ist ihnen nicht erlaubt, mit dem Kopftuch zu unterrichten, da dies den Islam symbolisiere bzw. ein politisches Symbol sei und sie deshalb kein ideales Vorbild sein könnten bzw. ungeeignete Lehrerinnen seien…

Andere wiederum entscheiden sich „gezwungenermaßen“ für andere Studiengänge, in welchen sie in der Zukunft Chancen in der Arbeitswelt sehen. Als dritte Alternative bleibt dann noch die Auswanderung, welche jedoch den Meisten schwerfällt.

Lieber Fachkräftemangel als religiöse Toleranz?

Letztere Alternative schadet jedoch auch Deutschland selbst, da es sich der Staat derzeit aufgrund des großen Personalmangels nicht leisten kann, zuzusehen, wie qualifizierte Arbeitskräfte auswandern, die man allein auf Grund ihres äußeren Erscheinungsbildes nicht haben will.

An dieser Stelle möchte ich die Frage stellen: Wer unterdrückt hier die Kopftuchträgerinnen?

Der „ultrakonservative-patriarchal“, bärtige Taliban-Muslim in einem kleinen Dorf unterdrückt seine Frau, ohne über den Vers „Es gibt keinen Zwang im Glauben“ Bescheid zu wissen. Der „Intellektuelle“ aus Europa hingegen will das Kopftuch, das eine Identität der Muslimin ist, nicht akzeptieren, weil er der Meinung ist, die wahren Bedürfnisse der Kopftuchträgerinnen besser zu kennen als diese selbst bzw. dass er diese notfalls auch gegen ihren Willen von ihrem „falschen Bewusstsein“ befreien müsste.

Ist dieser Angriff auf die eigene Identität nicht selbst ein Verstoß gegen die Menschenwürde? Hat nicht jeder das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit und der Religionsausübung, soweit nicht die Rechte anderer verletzt werden? Oder verletzt das Kopftuch die Rechte anderer doch?

Nach Kelek, James und Co. vermutlich ja, da sie offenbar der Meinung sind, sie hätten ein subjektives Recht auf ein bestimmtes Verhalten ihrer Mitmenschen. Schade nur, dass sie völlig unfähig sind, Empathie zu zeigen.

Wieso aber wird eigentlich nicht die junge, emanzipierte, selbstbewusste Kopftuchträgerin gefragt, wie sie sich fühlt?