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Politik

Korruption in der Türkei: Wenn Zarrab und Sandschani auspacken, könnte es unangenehm werden

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Die türkische Korruptionsaffäre internationalisiert sich. Im Iran wurde Babak Sandschani zum Tode verurteilt, in den USA hat der Prozess gegen Reza Zarrab begonnen. Beides könnte unangenehm für die AKP werden.

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Babak Sandschani
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Es sieht danach aus, dass wieder Bewegung in die Korruptionsaffäre vom Dezember 2013 kommt. Am 19. März wurde mit dem türkisch-iranischen Geschäftsmann Reza Zarrab eine ihrer Schlüsselfiguren in den USA verhaftet. Zarrab steht nun vor Gericht und Beobachter spekulieren, dass er auspacken und unangenehme Informationen über die Verwicklung führender AKP-Politiker in illegale Geschäfte mit dem Iran zutage fördern könnte. Doch auch im Iran selbst scheint Bewegung in die Aufarbeitung der Korruptionsaffäre zu kommen.

Einem Artikel der türkischen Zeitschrift Nokta zufolge hat der iranische Multimilliardär und Geschäftsmann Babak Sandschani vor einem Teheraner Gericht über Schmiergeldzahlungen in der Türkei gesprochen und dabei auch konkrete Beträge sowie die Namen hoher Regierungspolitiker genannt. Die Namen besagter Politiker nennt Nokta nicht, berichtet jedoch über die Höhe der Schmiergeldzahlungen.

Demnach gab Sandschani zu, 185 Millionen Türkische Lira (ca. 57 Millionen Euro) an drei türkische Minister gezahlt zu haben. Insgesamt habe er in der Türkei 8,5 Milliarden Euro an Bestechungsgeldern verteilt sowie über einen Istanbuler Flughafen 1,5 Tonnen Gold aus Ghana eingeführt und nach Schmiergeldzahlungen wieder aus der Türkei geschafft.

Altlasten aus der Ära Ahmadinedschad 

Babak Sandschani, der nach eigenen Angaben mit gerade einmal 41 Jahren ein Vermögen von über zehn Milliarden Dollar besitzt, ist mittlerweile im Iran zum Tode verurteilt worden. Der Prozess gegen ihn begann im Oktober vergangenen Jahres am Revolutionsgericht der Hauptstadt Teheran. Das Urteil wurde am 6. März gefällt, Sandschani kann jedoch noch dagegen vorgehen. Im Rahmen seiner Berufung könnte er weitere Details zur Verstrickung türkischer Politiker nennen, um sich selbst zu entlasten. Der Milliardär wird beschuldigt, Führer einer Korruptionsbande gewesen zu sein und ihm anvertrautes Geld des iranischen Staates veruntreut zu haben.

In der Regierungszeit Mahmud Ahmadinedschads habe Sandschani internationale Sanktionen unterlaufen, indem er iranisches Öl gegen Devisen verkauft hat. Der Gewinn aus den illegalen Geschäften hat das iranische Ölministerium jedoch nie erreicht, da Sandschani ihn angeblich unterschlagen hat. Die Prozesse gegen ihn und andere mutmaßliche Korruptionsnetzwerke werden von Analytikern als Aufarbeitung der Ära Ahmadinedschad durch die neue Regierung des als gemäßigt geltenden Präsidenten Hassan Rouhani interpretiert.

Den größeren Rahmen des Prozesses bildet der Atomstreit des Westens mit dem Iran. In der Amtszeit von Präsident Mahmud Ahmadinedschad (2005-2013) verschärfte die internationale Staatengemeinschaft die Sanktionen gegen den Iran. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die Europäische Union und die USA verhängten Embargos gegen das Ayatollah-Regime. In dieser Lage versuchte die Regierung Ahmadinedschad durch Mittelsmänner wie Sandschani diese Embargos zu umgehen.

Als die USA dahinterkamen, dass Sandschani eine der Personen war, mit deren Hilfe die Embargos umgangen wurden, ließen sie seine Auslandskonten sperren. In seiner Verteidigung stritt Sandschani diese Vorwürfe ab. Aufgrund des Embargos sei die Übermittlung des Geldes in den Iran nicht ohne weiteres möglich gewesen. Mittlerweile ist Sandschanis Vermögen auch im Iran beschlagnahmt worden.

Sandschanis Mann in der Türkei

Die Erlöse aus diesen illegalen Geschäften in der Türkei soll Reza Zarrab verwaltet haben, er gilt als Sandschanis Untergebener. Zwischen 2009 und 2012 soll Zarrab insgesamt 87 Milliarden Euro Schwarzgeld aus illegalen Geschäften erhalten und über drei Scheinfirmen in Istanbul gewaschen haben. Nach Bekanntwerden des Korruptionsskandals am 17. Dezember 2013 saß er selbst einige Monate in Haft, wurde jedoch nach massiven Eingriffen der Politik in die Justiz wieder freigelassen.

Im Rahmen der Korruptionsermittlungen fielen unter anderem die Namen der damaligen Minister Egemen Bağış, Erdoğan Bayraktar, Zafer Çağlayan und Muammer Güler. Bei darauffolgenden Wohnungsdurchsuchungen bei Kindern bekannter AKP-Politiker waren hohe Geldsummen sichergestellt worden. Auch die staatliche Halkbank und ihr Präsident waren in die Vorwürfe verwickelt, in seiner Wohnung wurden mehrere Millionen Lira sichergestellt, die in Schuhkartons gelagert wurden. Nun wird spekuliert, dass Zarrab im Rahmen des Prozesses gegen ihn konkrete Aussagen zu den Verstrickungen der politischen Führung in Ankara in das türkisch-iranische Korruptionsnetzwerk machen könnte.

Der Prozess gegen Sandschanis Mitarbeiter in der Türkei begann am 4. April in New York. Die Frage steht im Raum, warum Zarrab in die USA gereist ist, obwohl ihm klar gewesen sein muss, dass er umgehend verhaftet würde. Bisher hat er sich nicht geäußert, aber türkische Kolumnisten mutmaßen, dass er sich angesichts des Todesurteils gegen Sandschani in die Hände der US-Justiz begeben hat, um dessen Schicksal zu entgehen. Möglich, dass Zarrab auspackt und auch die Namen der geschmierten Politiker preisgibt. Dass regierungsnahe türkische Medien bereits direkt nach der Verhaftung Zarrabs mit der Verunglimpfung des Staatsanwalts begannen, der die Ermittlungen leitet, spricht für die Annahme, dass den Regierenden vor dem Prozess bange ist.