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Politik

Jahrestagung nordamerikanischer Muslime: Hexenjagd auch in Übersee?

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Die ISNA gehört zu den wichtigsten und erfolgreichsten Institutionen der islamischen Community in Nordamerika. Sie gilt als offen und überparteilich. Nun soll eine Fachtagung im Rahmen des Jahrestreffens die Hizmet-Bewegung anprangern. (Foto: reuters)

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Die türkische Einwanderercommunity in den USA soll Schätzungen zufolge bis zu 500 000 Menschen umfassen. Nicht wenige davon pflegen ihren islamischen Glauben, einige dabei auch in Einrichtungen, die der „Islamischen Gesellschaft Nordamerikas“ (ISNA) angehören.

Nun hat der in New York lebende Journalist Aydoğan Vatandaş in einem Offenen Brief scharfe Kritik geübt an einer Fachtagung der ISNA, die am kommenden Wochenende stattfinden soll und die den Titel trägt: „Die Türkei im Fadenkreuz“. Teilnehmer, Themenauswahl und die Art der Ankündigung der Veranstaltung legen, so Vatandaş, den Eindruck nahe, es solle den Teilnehmern ein außerordentlich einseitiges Bild über die Situation in der Türkei vermittelt werden.

Die ISNA gilt als einer der bedeutendsten Dachverbände innerhalb der muslimischen Community Nordamerikas. In ihrem Mission Statement heißt es unter anderem, sie wolle „eine exemplarische und vereinigende islamische Organisation in Nordamerika sein, die zu einer Verbesserung der muslimischen Community und der Gesellschaft beiträgt“ und sie wolle „die Entwicklung der muslimischen Community fördern und darüber hinaus Beziehungen zwischen den Religionen bürgerschaftliches Engagement und ein besseres Verständnis des Islam“.

Auch Vatandaş würdigt diese Rolle und konzediert der ISNA, sie habe „eine wichtige Rolle bei der Bildung einer islamischen Community in einer modernen und säkularen Gesellschaft gespielt, islamische Ideale herausgestellt und das islamische Denken in Nordamerika über viele Jahrzehnte geprägt“. Der Journalist betonte, er sei glücklich darüber, dass bei den Zusammenkünften eine Reihe von Anregungen gekommen wäre von einer Vielzahl muslimischer und nichtmuslimischer Gelehrter, frommer muslimischer Gemeinschaftsführer und von Geschäftsleuten.

Die Zusammenkunft in diesem Jahr jedoch habe dieses Bild entscheidend getrübt. In seinem Schreiben begründet Vatandaş dies wie folgt:

„Wie auch immer, ich bin sehr traurig, sehen zu müssen, dass die diesjährige Convention, die vom 29. August bis zum 1. September stattfinden wird, auch Zeit für ein Fachprogramm unter dem Titel „Die Türkei im Fadenkreuz“ haben wird, das offenbar einen genaueren Blick auf folgende Ereignisse werfen will: „Taksim-Platz und Gezi-Park-Ereignisse“, „Serie von geleakten Audioaufnahmen“, „Politischer Putschversuch gegen den Premierminister Recep Tayyip Erdoğan in der Türkei“, „Die Situation der Kurden in der Türkei, im Irak und in Syrien“, „Entwicklungen nach zwei Wahlgängen (Kommunal- und Präsidentenwahlen)“ und „Bevorstehende Parlamentswahlen“. 

Einige der Themen der Fachgruppe zielen explizit darauf ab, die Gülen-Bewegung anzugreifen, die Ziel einer „Hexenjagd“-Kampagne durch den kürzlich zum Präsidenten gewählten Erdoğan und seine Partei war; die Redner stehen der Regierung oder regierungsnahen Vereinigungen nahe, und es ist traurig, zu sehen, dass die ISNA es dabei nicht geschafft hat, ein faires und ausgewogenes Podium zusammenzustellen.“

Angesichts der Tatsache, dass die ISNA bekannt dafür ist, eine Organisation zu sein, die ihren Zielen wie der Schaffung von Aufklärung, Bestärkung und Anerkennung hinsichtlich der Muslime in Nordamerika verpflichtet ist – was hoffentlich dazu führen wird, dass vorurteilsbehaftete, arrogante, dialektische Konfrontationen gegenüber derselben Community durch respektvolle, dialogbereite Begegnungen ersetzt werden -, ist es ausgesprochen enttäuschend, sehen zu müssen, wie die ISNA eine Initiative unterstützt, die der Dämonisierung einer anderen muslimischen Gruppe dient, deren Ziel es ist, wechselseitiges Verständnis und Toleranz zwischen den Kulturen zu fördern. Als nordamerikanische Muslime gefragt wurden, „Ist es möglich, ein islamisches Lebensbild in einer Gesellschaft zu bewahren, die offenkundig auf säkularer Grundlage funktioniert?“, war die Gülen-Bewegung eine der wenigen neben ISNA, die klar betont haben, dass dies möglich sei.

ISNA und Gülen einer Meinung

Als einige ISNA-Vertreter die Muslime dazu aufgefordert hatten, den Dialog zu suchen im nordamerikanischen Kontext, stand Herr Fethullah Gülen auf derselben Seite. Durch den Dialog, so waren sich sowohl ISNA als auch Gülen sicher, könne man einen Punkt erreichen, an dem Muslime und Nichtmuslime in der Lage wären, starke Bekenntnisse zu ihrem Glauben zu entwickeln, ohne dass ein Teil sich vom anderen eingeschüchtert oder bedroht fühlen würde.

Um dieses Ziel zu erreichen, haben sich Mitglieder der Gülen-Bewegung weltweit in den Dienst der Gesellschaft gestellt, Tausende von Schulen, Hilfseinrichtungen, Universitäten, Krankenhäusern und Kulturzentren gegründet.

In einem Artikel aus dem Jahre 2009 schrieb die New York Times unter der Schlagzeile „Türkische Schulen bieten Pakistan eine sanftere Vision des Islam an“, schrieb die Zeitung:

„Die türkischen Schulen, die seit der Eröffnung der ersten vor einem Jahrzehnt mittlerweile in sieben Städte expandiert haben, können nicht für sich alleine das Land transformieren. Aber sie bieten einen alternativen Zugang, der helfen könnte, den Einfluss der islamischen Extremisten zu schwächen… Sie schreiben ein starkes westliches Curriculum vor, mit Kursen, die in englischer Sprache gehalten werden, von Mathematik und Wissenschaften bis hin zur englischen Literatur und zu Shakespeare. Außerhalb der einen Stunde, die vom Staat her vorgesehen ist, wird keine Religion gelehrt. Anders als Privatschulen nach britischem Modell findet die islamische Erziehung in den Schlafsälen statt, wobei die Lehrer im Lebensstil und im Gebet Beispiel geben.“

Im Rahmen des Pakistanisch-Türkischen Businessforums unterstrich der pakistanische Premierminister Nawaz Sharif die historische Allianz zwischen den beiden Ländern und sprach Komplimente aus an die türkischen Schulen in Pakistan, die von Unternehmern geschaffen worden waren. In seiner Rede äußerte sich Sharif wie folgt: „Die 23 pakistanisch-türkischen Schulen haben eine große Rolle bei der Verbesserung der Beziehungen zwischen beiden Ländern gespielt und sowohl kulturelle als auch emotionale Bande gestärkt. Mir ist es wichtig, dass Sie wissen, dass Pakistan die Türkei stets als einen Freund und einen Verbündeten betrachten wird.“

Einige ISNA-Vertreter haben in der Vergangenheit Muslime dazu ermuntert, Schulen zu eröffnen. Dieses Ziel wurde vor allem von einer bestimmten Gruppe frommer Muslime, der Gülen-Bewegung, auf der ganzen Welt umgesetzt. Wenn bekanntlich die fehlende Bildung das größte Problem der Muslime unserer Altersgruppe ist, wie in aller Welt kann man dann Erdoğans Ambitionen erklären, diese Schulen überall auf der Welt schließen zu lassen, die doch einen Dienst an der Menschheit darstellen?

Erdoğan wirft der Gülen-Bewegung vor, Informationen über umfangreiche Korruptionsermittlungen geleakt zu haben, die seine Regierung betrafen und die Rücktritte von vier Ministern seit letztem Dezember zur Folge hatten. Dass wir keinerlei Beweis dafür haben, dass die Untersuchungen tatsächlich politisch motiviert gewesen wären, bedeutet auch nicht, dass wir die Beweismittel ignorieren sollten, die seitens der Strafverfolgungsbehörden bereits präsentiert wurden. In einem Artikel, der auf Al-Monitor erschien, erklärte Mustafa Akyol, der Autor des Buches „Islam ohne Extreme“, folgendes: „Der Narrativ vom ‚Parallelstaat‘ kann keine Grundlage abgeben für einen totalen Krieg der Regierung gegen eine gesamte zivilgesellschaftliche Bewegung. Das würde einer Aufhebung des Rechtsstaatsprinzips gleichkommen. Ebenso wenig kann sich die Regierung unter dem Vorwand, den ‚Parallelstaat‘ zu bekämpfen, die gesamte Justiz unterwerfen. Das wäre eine Aufhebung des Gewaltentrennungsprinzips und ein Ruck in Richtung Diktatur.“

In einem Artikel für den American Conservative hat Dr. Philip Giraldi, der Vorsitzende des Rates für Nationale Interessen, geschrieben, es gäbe keine Beweise für einen Putschversuch der Justiz gegen Erdoğan: „Erdoğan hat behauptet, es gäbe einen ‚Justizputsch‘ gegen ihn, der mit Anhängern des im Exil lebenden früheren Verbündeten Fethullah Gülen, in Verbindung stünde, eine Verschwörung, die er in der für ihn üblichen farbenfrohen Art sowohl als ‚Parallelstaat als auch als Werk ‚blutsaugender Vampire‘ bezeichnete. Außer zahllosen Verhaftungen, der Versetzung von Polizeioffizieren und einer anhaltenden Untersuchung gibt es aber bis heute keine Anhaltspunkte dafür, dass tatsächlich eine groß angelegte, konzertierte Aktion stattgefunden hätte, deren Ziel es wäre, ihn zu diskreditieren oder abzulösen.“

Der wahre „Putsch“

In jedem demokratischen Staat würde ein Korruptionsfall dieser Größenordnung wohl zum Sturz der Regierung führen. Deshalb sprechen Erdoğan und seine Medienmaschinerie auch von einem „Putschversuch“. Der wahre Putschversuch besteht jedoch im Bestreben, die Staatsanwälte und Polizeibeamten, die zum Zeitpunkt der Ermittlungen Verantwortung getragen hatten, zu versetzen – es ist ein Putschversuch gegen die Justiz und die Demokratie insgesamt.

Erdoğan wirft der Gülen-Bewegung auch vor, illegale Aufnahmen geleakt zu haben. Gleichzeitig schweigt er darüber, dass die deutsche Regierung ihn seit 2009 abgehört hat. Auch in einem Fernsehinterview mit dem ZDF im Januar 2014 vermied es Erdoğan, eine Frage zu den Abhörbändern zu beantworten.

Ich bin mir zu 100% sicher, dass in diesem speziellen Fall ISNA nicht vollständig darüber informiert war, dass die Fachdebatte im Rahmen ihrer Tagung von der türkischen Regierung organisiert wurde, die jede soziale Gruppe dämonisiert und unterdrückt, die Erdoğans Führung nicht bedingungslos Gefolgschaft leistet. Als eine fromme Organisation, die auf der Basis der Ideale des Korans, der Hadithe und der Sunna organisiert wurde, sollte ISNA sehen, dass die geplante Veranstaltung „Die Türkei im Fadenkreuz“ den Zweck verfolgt, amerikanische Muslime zu spalten und Polarisierung herbeizuführen. Und dass dieses Unterfangen nicht mit der traditionellen Mission und Vision der jährlichen ISNA-Zusammenkünfte zusammenpasst.“