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Politik

Krimtataren bitten Merkel um Hilfe

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Angesichts der bevorstehenden Abspaltung der Krim von der Ukraine ist die Angst der durch die Stalinära traumatisierten Krimtataren groß. Krim-Regierungschef Aksjonow appellierte jetzt an die Minderheit, die Zukunft mitzugestalten. (Foto: reuters)

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Das prorussische Parlament der Krim hat die Halbinsel formell für unabhängig von der Ukraine erklärt. Zur Begründung hieß es, der Schritt sei juristisch notwendig für den geplanten Beitritt der Krim zur Russischen Föderation wie auch für die Durchführung des für den 16. März angesetzten Referendums über diesen. Laut ukrainischer Verfassung dürfen einzelne Gebiete keine Volksabstimmungen beschließen. 78 von insgesamt 99 Abgeordneten des Parlaments hätten für die Abspaltung gestimmt, teilte die Volksvertretung am Dienstag in Simferopol mit. Die seit der Vertreibung des gewählten Präsidenten Viktor Janukowytsch von den Euronationalisten gestellte Zentralregierung in Kiew, die EU und die USA lehnen den gesamten Abspaltungsprozess ab und halten ihn für völkerrechtswidrig.

„Nach der Durchführung eines Referendums wird die Krim als souveräner unabhängiger Staat der Russische Föderation den Vorschlag unterbreiten, ihr als Föderationsmitglied beizutreten“, betonte ein Sprecher des Krim-Parlaments gegenüber der Nachrichtenagentur RIA Novosti. Ihm zufolge trete der Parlamentsbeschluss am Tag seiner Annahme in Kraft.

Weiterhin mit Sorge verfolgen Vertreter der Minderheit der Krimtataren die Entwicklung. Ihre historischen Erfahrungen mit Unterdrückung durch die kommunistischen Herrscher im Kreml lassen enorme Unsicherheit hinsichtlich einer bevorstehenden Wiedereingliederung in den Staatsverband der Russischen Föderation aufkommen. Eine Mehrheit der Betroffenen möchte daher Teil der Ukraine bleiben.

GfbV überbringt Appell an Kanzlerin Merkel

Wenige Tage vor dem geplanten Referendum über den Status der Krim haben Vertreter der Krimtataren die deutsche Bundeskanzlerin Merkel um Hilfe gebeten. Sie ersuchen die Kanzlerin, eine „völkerrechtswidrige Annexion unserer Heimat durch Russland“ zu verhindern, heißt es in einem Schreiben von Krimtataren an Merkel, das die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) heute der Bundeskanzlerin übermittelte. „Bitte signalisieren Sie Ihre Unterstützung für die 300 000 Krimtataren durch ein Telefonat mit Mustafa Dschemilew, dem einzigen krimtatarischen Abgeordneten im Parlament der Ukraine. Nach einer Annexion wären wir als Minderheit schutzlos. Es kann nicht sein, dass wir als einheimische Bewohner der Krim wieder alles verlieren, was wir in mühsamer Arbeit seit unserer Rückkehr im Jahr 1990 von Jahrzehnten der Deportation wieder aufgebaut haben“, schreiben die Krimtataren in ihrem Appell.

„Die Krimtataren fürchten im Falle einer Annexion der Krim massive Übergriffe der russischen Mehrheitsbevölkerung auf der Halbinsel“, erklärte die GfbV-Referentin Sarah Reinke am Dienstag in Berlin. Ein krimtatarisches Restaurant und Autos von Krimtataren seien bereits vor wenigen Tagen bei Alushta von unbekannten Attentätern in Brand gesetzt worden, weitere Ausschreitungen seien zu befürchten. Ob es sich bei den Tätern um prorussische Kräfte handelte oder um Provokateure, die im Auftrag der neuen Regierung in Kiew für Spannungen sorgen sollen, ist jedoch unklar.

Seit vielen Jahren versuchen die Krimtataren auf ihre schwierige Situation aufmerksam zu machen und setzen sich für eine engere Anbindung an die EU ein. „Doch außer einem warmen Händedruck ist nichts gewesen. So kann man die vielen Besuche der Krimtataren bei Institutionen der EU bilanzieren“, kritisierte Reinke. Schon in Schreiben im Jahr 2010 hätten die Vertreter der Krimtataren vor einem Szenario, wie es jetzt eingetreten ist, gewarnt.

Aksjonow stellt Krimtataren mehrere Regierungsposten in Aussicht

Mustafa Dschemilew, ein Träger des Victor-Gollancz-Menschenrechtspreises der GfbV 2005, wurde am 13. November 1943 in Aj-Serez auf der Krim geboren und kurz nach seiner Geburt nach Usbekistan zwangsdeportiert. Bereits im Alter von 18 Jahren schloss er sich 1961 dem verbotenen „Rat der Krimtatarischen Jugend“ an. Ab 1969 war Dschemilew auch in der Moskauer Dissidentenszene aktiv.

Wiederholte Lagerhaft war die Folge. Für 303 Tage trat er in den Hungerstreik. Nahezu 15 Jahre musste Dschemilew in Gefängnissen verbringen. Trotzdem setzte er sich weiter für die Rückkehr der Krimtataren auf die Krim ein. Erst seit der Unabhängigkeit der Ukraine im Jahre 1990 dürfen sich Krimtataren offiziell in ihrer Heimat ansiedeln. Bis 1994 kehrten etwa 280 000 Menschen zurück. Mit ihnen der durch Michail Gorbatschow freigelassene Dschemilew. Von 1991 bis 1996 war er Präsident Krimtatarischen Nationalrats, heute ist er der einzige krimtatarische Abgeordnete des ukrainischen Parlaments.

Die krimtatarische Minderheit, die auf der Krim etwa 14 Prozent der Bevölkerung ausmache, sollte ihr Mitspracherecht durch die Vertretung in allen Staatsmachtorganen der Autonomie wahrnehmen, meinte unterdessen der Regierungschef der Autonomen Region Krim, Sergej Aksjonow „Für sie (die Krimtataren) sind die Ämter eines Vizeregierungschefs und von zwei Ministern sowie hohe Posten in anderen Ämtern reserviert“, sagte der Regierungschef.

„In der Autonomie wird es zwei Amtssprachen geben – das Russische und das Krimtatarische. Die anderen auf der Halbinsel ansässigen Nationalitäten, darunter die Ukrainer, können ihre Sprachen ungehindert nutzen und entwickeln. Wir versichern das“, erklärte Aksjonow. Die euronationalistische Regierung in Kiew hatte wenige Tage nach ihrer Machtergreifung das Sprachengesetz aufgehoben, das den Status der russischen Sprache in den mehrheitlich von Russen bewohnten Gebieten der Krim sichern soll.

Die Staatsduma in Moskau will am 21. März einen Gesetzentwurf von Abgeordneten der Fraktion Gerechtes Russland über die Aufnahme der Krim in die Russische Föderation behandeln, wie Wjatscheslaw Nikonow, Abgeordneter der Fraktion Gerechtes Russland, mitteilte.

„Auf dem Territorium der Ukraine operieren ungehindert faschistische Schläger“

Mit dem Gesetzentwurf sollen die Regeln für den Beitritt neuer Territorien zur Russischen Föderation verankert werden. Laut dem Entwurf soll die Aufnahme neuer Territorien in die Föderation in den Fällen, in denen ein internationaler Vertrag mangels einer effektiven souveränen Staatsmacht im jeweiligen Land nicht abgeschlossen werden kann, ausgehend von den Ergebnissen eines Referendums auf dem Territorium getroffen werden, das diesen Wunsch bekundet hat. Dieser neuen Region soll der Status eines Subjektes der Föderation gewährt werden.

Die Verfasser des Entwurfes verweisen darauf, dass der Gesetzentwurf im Zusammenhang mit den jüngsten Ereignissen in der Ukraine vorgeschlagen wird, wo die Staatsmachtorgane nicht funktionsfähig sind. Die Abgeordneten verweisen darauf, dass die Macht in der Ukraine auf gesetzwidrige Weise erobert wurde und dass auf dem Territorium dieses Landes faschistische Schläger ungehindert operieren.

Ukrainische Radikale bereiten zudem für den Tag des Krim-Referendums Provokationen an der administrativen Grenze zur Schwarzmeer-Halbinsel vor. Das erfuhr die Nachrichtenagentur RIA Novosti am Montag aus Quellen in den ukrainischen Geheimdiensten. Details lagen zunächst nicht vor.

Der Parlamentspräsident der Krim, Wladimir Konstantinow, versicherte am Montag, dass die Krim-Behörden die Lage auf der Halbinsel weitgehend kontrollieren. „Das Referendum findet ohne Provokationen statt“, erklärte er in der Hauptstadt Simferopol. „Wir haben genug Kräfte, um für Ordnung zu sorgen. Die Drahtzieher sollten jegliche Hoffnungen darauf aufgeben, dass es ihnen gelingt, den Volksentscheid zu torpedieren“, betonte Konstantinow. (dpa/RIA Novosti/dtj)