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Gesellschaft

Kübra, Pascals Mutter

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Was passiert, wenn ein kleiner deutscher Junge zu türkischen Pflegeeltern kommt? Geht das? Dass es geht, ja sogar gut geht, beweisen Kübra und Pascal. Wir haben die erste türkischstämmige Pflegemutter Baden-Württembergs getroffen und uns ihre Geschichte angehört.

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Auf den ersten Blick haben die beiden miteinander nicht viel zu tun. Die eine sieht südländisch aus, der andere ist blond. Die eine ist eine kopftuchtragende, türkischstämmige Frau, der andere ein deutscher Junge. Die eine heißt Kübra, der andere Pascal.

Doch haben die beiden vieles gemeinsam. Sie teilen ein und dasselbe Haus, sie sind mittlerweile Teil ein und derselben Familie, essen das gleiche Essen – und können sich sogar miteinander auf Deutsch und Türkisch unterhalten. Kübra ist nämlich die Pflegemutter von Pascal. Sie ist 42 Jahre, er 8 Jahre jung.

Wie wird eine Kübra die Pflegemutter von Pascal? Wie haben Pascal und die Familie von Kübra zusammengefunden?

Kübra Can und ihre Familie leben in Schwäbisch Gmünd in Baden-Württemberg. Sie ist die erste türkischstämmige Pflegemutter in Baden-Württemberg überhaupt. Wenn man sich ihre Geschichte anhört, wie eine türkischstämmige muslimische Frau Pflegemutter wird, merkt man, dass die Menschen trotz der Unterschiede mehr verbindet als unterscheidet.

Kübra ist seit 1996 in Deutschland, Mutter von zwei eigenen Kindern, Zübeyir Yuşa (18) und Hafza Nur (14) und gelernte Kosmetikerin.

Der Entschluss, eine Pflegefamilie zu werden

Bei ihrer Entscheidung spielten zwei Faktoren eine Rolle, sagt sie. Zum einen ein Freund der Familie, der von seiner Frau getrennt lebte. Als er krank wurde und im Krankenhaus behandelt werden musste, habe man sein Kind einer Pflegefamilie gegeben. Er wollte für sein Umfeld keine Last sein. Dies habe Kübra und ihre Familie betroffen gemacht und sie haben ihn gefragt, „Wieso hast du uns nicht kontaktiert? Sind wir denn nicht Freunde?“

Doch Kübra nahm an, dass dem Vater viele diesen Satz gesagt haben würden. Sie aber wollte nicht einfach nur etwas sagen, sie wollte ihre Glaubwürdigkeit unterstreichen und spielte mit dem Gedanken, ein Pflegekind aufzunehmen. Zum anderen habe sie gesehen, dass andere Pflegefamilien Kindern in Not viel Liebe schenken, aber auch viel Liebe und Dankbarkeit empfangen.

So fasste sie den Entschluss, Pflegemutter zu werden. Aber ihr Ehemann hatte noch Bedenken: „Wir haben doch eigene Kinder!“ „Es sind Kinder mit schwieriger Psyche, was wird aus unseren eigenen Kindern?“ Auf diese Einwände hin fragte sie zurück: „Was würdest Du sagen, wenn unsere eigenen Kinder Hilfe bräuchten? Würde es Dir passen, wenn sie mit ähnlichen Argumenten und Bedenken zurückgewiesen würden?“

So überzeugt sie ihren Ehemann und die beiden wenden sich an das Jugendamt in dem Entschluss, Pflegefamilie zu werden. Sie besuchen Abendkurse, füllen Formulare aus, die fast so dick sind wie Bücher, müssen sich bis in ihre eigene frühe Kindheit ausforschen lassen. Leute kommen zu ihr nach Hause und inspizieren die Wohnung. Schließlich schaltet die Ampel auf Grün.

So kam vor drei Jahren Pascal in die Obhut der Familie Can beziehungsweise der Pflegemutter Kübra.

Lief alles problemlos ab? Nein, sagt Kübra.

Natürlich habe es Probleme gegeben. Pascal stammte aus einer kaputten Familie. Hatte eine schwierige Psyche. Schrie, machte Sachen kaputt, kaute an den Fingernageln. Weinte. In der Obhut der Familie änderte sich sein Verhalten allmählich, er normalisierte sich. Trotzdem gab es immer wieder Probleme. Auch mit ihren eigenen Kindern.

Da die Familie Geld für Pascal bekam, das Geld auch für Pascal ausgab, während sie für ihre eigenen Kinder die gleichen Sachen in gleicher Qualität nicht kaufen konnte, sorgte es für Missstimmung unter den neuen Geschwistern.

Scharfe Tarhana-Suppe, İçli Köfte, Çiğ Köfte… Alles, was Pascal mag

Auch habe es Probleme gegeben, die aus der Schule stammten. In der Schule sagte man Pascal, Kübra sei doch nicht seine Mutter, der Besuch seines Vaters habe frühere Erinnerungen wachgerufen und ihn verstört. Kübra vermutet, einigen passt es wohl nicht, dass ein deutscher Junge bei türkischen Pflegeeltern aufwächst.

Aber Kübra ist zuversichtlich. Sie sagt, sie ist sich der großen Verantwortung bewusst und mag es, Kindern eine Hilfe zu sein. Mittlerweile habe Pascal sich in der Familie eingelebt. Er esse sehr gerne scharfe Tarhana-Suppe, İçli Köfte, ja sogar Çiğ Köfte. Sie können sich in der Familie sowohl auf Deutsch als auch Türkisch unterhalten. Wenn sie in den Urlaub in die Türkei fahren, werde Pascal sogar mit dem Namen eines früheren Beşiktas-Spieler angesprochen: Pascal Nouma.

Wie geht es weiter? Kübra sagt, sie hätte erwogen, vielleicht auch ein syrisches Kind aufzunehmen. Aber sie haben jetzt ihre eigenen Kinder, sie haben jetzt Pascal. Mehr Kinder bedeuten noch mehr Verantwortung; Verantwortung, der man gerecht werden muss.

Kübra und Mustafa Can, ihr Ehemann, wollen Pascal bis zur Volljährigkeit ein gutes Zuhause bieten. Was danach kommt – das weiß nur Allah.

Kübra Can und ihre Kinder