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Kultur/Religion

…dass Kulturen einander bereichern, ist nicht neu!

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Dass Kulturen einander begegnen, ist nicht neu. Dieser Prozess beginnt schon im Kleinkindalter beim Hineinwachsen in die Familienkultur. Von dort aus fügt sich eines ins andere. (Foto: zaman)

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Das Bild zeigt die Begegnung von Schülern aus unterschiedlichen Kulturen.
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GASTBEITRAG Die Begegnung zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen ist so alt wie die Menschheitsgeschichte. Das gilt auch für die deutsche Geschichte. Die Gründe, warum Menschen ihre Heimat, ihren Wohnort oder ihre Stadt verließen und in andere einwanderten, waren und sind unterschiedlich. Manchmal sind es Konflikte und Kriege, die zur Flucht führen, manchmal ist es der Beruf und manchmal ist es die Liebe oder einfach nur die Neugier, die uns motivieren, auszuwandern. Aber die wichtigste Ursache ist die Hoffnung.

Im neuen Lebensumfeld lernt man zum Beispiel neue Freunde und neue Kulturen kennen, leider erfährt man aber auch Trauer, Vorurteile, Angst und Diskriminierung. Also gab es den friedlichen Austausch ebenso wie die gewaltsamen Auseinandersetzungen. Auf diese Weise kam und kommt es zu ständigen Veränderungen. In der heutigen globalisierten Welt gewinnen aber diese Prozesse zunehmend an Bedeutung.

Sozialisation oder erste kulturelle Begegnungen?

Schon das Zusammenkommen mindestens zweier Personen ist eine kleine kulturelle Begegnung. Das Baby kommt zur Welt und lernt zu Hause eine eigene Familienkultur kennen. Diese wird erweitert durch Verwandte und Freunde, später durch die Begegnungen im Kindergarten und dann in der Schule. Ergänzen kann man diese Begegnungen heute mit Reisen und den Kontakte über die „Social Media“.

Heute kann ein Schüler schon in einer Schulklasse (zum Beispiel an einer Hamburger Schule) sehr viele „Kulturen“ kennen lernen.

In einer Klasse sitzen:

· Kinder, deren Eltern aus dem Ausland kommen

· Kinder, die anders aussehen

· Kinder, die unterschiedliche religiöse Ansichten besitzen und verschieden ausleben

· Kinder, die aus verschiedenen Milieus kommen

· Kinder, die in verschiedenen Familienstrukturen leben

· Kinder, die unterschiedliche geistige bzw. körperliche Fähigkeiten und Stärken vorweisen

· Kinder, die verschiedene Sprachen sprechen

· Kinder, die unterschiedliche Essensgewohnheiten haben

· Kinder, die einfach nur anders sind als man selbst!

Es ist also unumgänglich, unterschiedliche Menschen bzw. Kulturen nicht kennen zu lernen.

Was ist überhaupt Kultur?

Das Wort „Kultur“ ist hergeleitet aus dem lateinischen cultura, das „Pflege“ und „Landbau“ bedeutet. Später übertrug man die Vorstellung von der Landschaftspflege auf die Pflege der menschlichen Natur und der menschlichen Lebensbereiche an sich. Hiermit war die Ausbildung jener geistigen Kräfte gemeint, die den Menschen von der Tierwelt unterschied. Als Kultur wurden dann die dadurch entstandenen Lebensformen und Werte bezeichnet. Schließlich wurde der Begriff gebraucht, um den gesellschaftlichen Gesamtzustand einer Epoche oder einer Nation zu beschreiben. Dazu zählt das Wissen, die Kunst, die Gesetze, die Moral, die Traditionen, die Gewohnheiten usw.

Formen der Kulturbegegnungen nach Burke am Beispiel eines Schülers

Der britische Kulturhistoriker Peter Burke schreibt über drei verschiedene Formen von Kulturbegegnungen. Zum einen von „Begegnungen von Gleich und Gleich und solchen von unterschiedlich mächtigen“ Kulturen. Wenn man nun zum Beispiel diesen Aspekt auf das Leben eines Schülers in seiner Schulklasse überträgt, könnte es wie folgt positiv umgesetzt werden: Der Schüler versucht, seine Kultur durch Überzeugungsarbeit den anderen zu präsentieren und im Gegenzug zeigt er die Bereitschaft, der anderen Kultur auf halbem Wege entgegenzukommen. Der Schüler mit italienischer Herkunft bietet seinem Mitschüler türkischer Herkunft Pizza an und ist bereit, von dem Börek mit Schafkäse seines Mitschülers zu probieren.

Darüber hinaus schreibt er von Begegnungen zwischen „Kulturen mit einer starken Tradition der Aneignung und Übernahme und Kulturen mit einer schwachen (…) Tradition der Traditionsabwandlung“. Der Schüler ist sich in diesem Fall seiner Kultur bewusst und aber auch bereit, das für ihn „Gute oder Nützliche“ von der anderen Kultur anzunehmen und umzusetzen. In der Klasse entwickelt sich ein bestimmtes Begrüßungsritual, was in einer anderen Kultur üblich ist, wie eine Umarmung. Auch kann z.B. die Begrüßungssprache übernommen werden, wie „Merhaba“, „Ciao“, „Bye“.

Als Drittes sind es die „Schauplätze, auf denen sich der Austausch vollzog, z.B. Metropolen (…), in denen die Menschen aus vielerlei Kulturen aufeinandertreffen und interagierten“. Der Schüler besucht eine Klasse, in denen Schüler aus verschiedenen Kulturen unterrichtet und erzogen werden. Diese unterschiedlichen Schüler arbeiten, lernen und erfahren einander in verschiedenen Arbeitsformen wie Partner- und Gruppenarbeiten. Außerdem legen sie zusammen die Regeln und Verhaltensnormen in der Klasse fest. Sie bestimmen in einem Klassenrat mit den gewählten Klassensprechern, wie das Zusammenleben in den folgenden Wochen, Monaten und Jahren umgesetzt werden soll.

Dieses Beispiel mit dem Schüler kann man auf viele andere Situationen und Orte in unserem Alltagsleben übertragen. Somit kann sich auch das Zusammenleben mit den Nachbarn verbessern, die Zusammenarbeit mit den Kollegen effizienter werden, der Austausch in der Freizeit und beim Sport mehr Spaß bieten und das gesamte offene, freie und demokratische Leben in dem Land vorangebracht werden.

Nicht der „Kampf der Kulturen“ wie Huntington es beschreibt, sondern der „Austausch der Kulturen“ wird die Gesellschaft in der Zukunft prägen.

Autoreninfo: Suat Aytekin ist in Lübeck geboren und aufgewachsen. Über den zweiten Bildungsweg absolvierte er das Abitur und studierte im Anschluss Geschichte und Wirtschaft/Politik auf Lehramt. Zurzeit arbeitet er als Fachseminarleiter für Geschichte und PGW (Politik/Gesellschaft/Wirtschaft) am Landesinstitut in Hamburg (Lehrerausbildung).Er nimmt regelmäßig an Austauschprogrammen mit der Türkei teil.