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Bildung & Forschung

Kurdisch als Unterrichtssprache auf Privatschulen rückt näher

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Nach Einführung des Wahlfachs Kurdisch und Schaffung kurdischsprachiger öffentlich-rechtlicher Medien wagt die Regierung den nächsten großen Wurf: Kurdisch soll an Privatschulen künftig als Unterrichtssprache verwendet werden dürfen. (Foto: cihan)

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Kurdisch als Unterrichtssprache auf Privatschulen rückt näher
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Die Türkei ist seit langem im Umbruch. Der durch die AKP-Regierung in Kraft gesetzte Demokratisierungsprozess hat den Fokus auf viele Probleme fixiert, die das Land seit Jahrzehnten durchstehen musste und um die zu lösen es den Eliten an Mut und am Willen zu wirklichen Lösungen gefehlt hatte. Dabei gehörte auch der „Kurdenkonflikt“ zu den größten Herausforderungen, die zu bewältigen waren. Millionen von kurdischstämmigen Bürger fühlten sich vom Staat benachteiligt, weil sie ihre Muttersprache nicht an staatlichen Schulen lernen konnten. Schließlich hatte die vom Militär im Jahr 1982 entworfene Verfassung den kurdischen Bürgern dies untersagt – es war eine Straftat, Kurdisch zu sprechen, zu schreiben oder zu lesen.

Seit 2002 weht im Lande ein anderer Wind. Die Reformbemühungen der Regierung wirkten sich auch auf diesem Gebiet aus. Bereits seit einigen Jahren ist auch ein öffentlich-rechtlicher TV- und Radiosender in Kurdisch und Sazaki (Nordkurdisch) in Betrieb. Auch in religiösen Einrichtungen und in Gerichtsverfahren wird die kurdische Sprache mittlerweile gleichbehandelt. Das Verbot, Kurdisch zu sprechen, wurde aufgehoben.

Nur Türkisch als Muttersprache im Unterricht erlaubt

Daneben wurde heftig debattiert, wie man nun auch an Schulen und Universitäten die Sprachbildung fördern könnte. Jedoch ist dies in der Entwurfsphase der neuen Verfassung ein recht strittiges Thema. Die Republikaner und Nationalisten opponieren gegen die Institutionalisierung des Kurdischen im türkischen Bildungssystem. Bekanntermaßen ist es im Artikel 42 der türkischen Verfassung festgelegt, dass den türkischen Bürgern in Bildungseinrichtungen keine andere Unterrichtssprache als Türkisch zu verwenden erlaubt ist. Der Wortlaut der Bestimmung besagt: „Den türkischen Staatsbürgern darf in den Erziehungs- und Lehranstalten als Muttersprache keine andere Sprache beigebracht und gelehrt werden als Türkisch.“

Allerdings soll eine Neuregelung diese Bestimmung unterlaufen. Künftig soll an Privatschulen die kurdische Sprache verwendet werden dürfen. Experten zufolge ist hierfür allerdings auch eine Änderung des Gesetzes für private Bildungseinrichtungen notwendig, denn auch für diese Institutionen ist es gesetzlich festgelegt, dass elementare Türkischkenntnisse vorhanden sein müssen. Deshalb müssen auch private Bildungseinrichtungen türkischsprachige Kommunikation sicherstellen.

Ein wichtiger Schritt zur Umgestaltung der Gesetzgebung wurde bereits in der ersten Regierungsperiode der AKP gesetzt: Kurdisch wurde als Wahlpflichtfach an Schulen eingeführt. Diese Reformbemühung brauchte jedoch einen zweiten Anlauf – schließlich hatte die türkische Regierung schon früher als gedacht, nämlich im Jahr 2004, Akzente zugunsten der kurdischstämmigen Bürger gesetzt. Damals waren es Kurdisch-Kurse, die an Schulen angeboten wurden. Finanzielle Nöte und fehlendes Interesse ließen dieses Vorhaben jedoch im Sand verlaufen.

Bald erste kurdischsprachige Universität in Diyarbakır

Daneben wurden nach der Schulreform erstmals „Kurdisch-Klassen“ eingeführt. Auch diese fanden Beifall; allerdings ist es offen, ob das momentan recht rege Interesse dauerhaft erhalten bleiben wird. Auch im akademischen Bereich gibt es Hoffnungsschimmer: Die ostanatolischen Universitäten Dicle und Artuklu haben jüngst Forschungszentren für Kurdische Sprachwissenschaften eingerichtet.

Ab dem 30. Juli werden hier die ersten Studenten ihren akademischen Mastergrad für Kurdische Sprachwissenschaften erwerben können. Die Abgänger sollen später als Lehrkräfte für den Kurdischunterricht fungieren. Auch die Errichtung einer weiteren, ausschließlich in kurdischer Sprache unterrichtenden Universität in der südostanatolischen Stadt Diyarbakır ist geplant.

Bei der Abschlusskonferenz zur Unterstützung der Privaten Bildungseinrichtungen erinnerte jedoch der türkische Bildungsminister Avcı daran, dass Artikel 42 der Verfassung immer noch ein Hindernis auf dem Weg zu jedweder Institutionalisierung des Kurdischen darstellt. „Ohne eine Umgestaltung oder Ersetzung der alten Verfassung kann man von der Regierung keine zusätzlichen Initiativen für die kurdische Sprache erwarten. Eine Reform ist überfällig.”