Politik
Kurdischer Anwalt und Aktivist Tahir Elçi erschossen
In Diyarbakır wurde heute der bekannte kurdische Aktivist und Vorsitzender der Anwaltskammer Tahir Elçi bei einem Anschlag ermordet. Die Hintergründe sind noch unklar.
Der bekannte kurdische Aktivist und Vorsitzende der Anwaltskammer von Diyarbakır Tahir Elçi ist heute ebendort einem Anschlag zum Opfer gefallen. Während einer Pressekonferenz kam es zu einer Schießerei, bei der Elçi den Berichten zufolge am Kopf getroffen wurde. Ein Polizist wurde ebenfalls getötet und mindestens zwei weitere verletzt, außerdem ein Reporter der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Über die Urheber und Hintergründe des Anschlags liegen bisher noch keine Informationen vor.
„In dem Moment, als Elçi seine Aussage beendet hatte, wurde die anwesende Menschenmenge mit Kugeln beschossen“, sagte der anwesende HDP-Politiker Ömer Taştan der Presse. „Eine davon hat Elçi in den Kopf getroffen.“ Elf weitere Menschen seien laut Taştan bei der Schießerei verletzt worden. „Eine Person kam auf Elçi zugerannt, schoss mit einer Hand und rannte dann davon“, beschreibt Felat Bozarslan, Reporter der Nachrichtenagentur Cihan, den Vorfall. Auf Videoaufnahmen der Pressekonferenz, die in türkischen Medien kursieren, sind der Schusswechsel und die Leiche Elçis zu sehen.
Metin Feyzioğlu, der Vorsitzende der Vereinigung der Türkischen Anwaltskammern (Türkiye Barolar Birliği, TBB) rief die Vorsitzenden aller türkischen Anwaltskammern auf, nach Diyarbakır zu reisen. „Dieser erbärmliche Anschlag war nicht gegen unseren Bruder Tahir gerichtet, sondern gegen die gesamte Türkei“, so Feyzioğlu. „Das Ziel ist unsere Einheit, unsere Brüderlichkeit. Aus diesem Grund sollten wir alle zusammenstehen gegen diesen Angriff. Deshalb werden ich und meine Freunde vom Vorsittz des TBB uns umgehend auf den Weg nach Diyarbakır machen.“ Die Anwaltskammer von Diyarbakır bezeichnete den Vorfall als einen Mordanschlag.
Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan erfuhr von dem Anschlag während eines Aufenthalts in Balıkesir. Er verurteilte ihn und sagte, der Vorfall zeige, wie richtig die Türkei mit ihrer Entschlossenheit im Kampf gegen den Terror liege. Der stellvertrende Premierminister Yalçın Akdoğan und Innenminister Efkan Ala verurteilten den Anschlag in einer gemeinsamen Pressekonferenz und kündigten an, man werde vier Sonderermittler zur Untersuchung des Vorfalls abstellen. Im Stadtteil Sur, wo der Anschlag stattfand, wurde umgehend eine Ausgangssperre verhängt.
Erst letzten Monat war Tahir Elçi Gegenstand einer öffentlichen Debatte in der Türkei, weil am 14. Oktober er in einem Interview mit dem Fernsehsender CNN Türk erklärte, er sehe die PKK nicht als Terrororgruppe, sondern lediglich als bewaffnete politische Bewegung, deren Aktionen manchmal als terroristisch einzustufen sind. Daraufhin hatte die Generalstaatsanwaltschaft Bakırköy Ermittlungen wegen „Propaganda für eine Terrororganisation“ gegen Elçi eingeleitet und einen Haftbefehl gegen ihn erlassen. Er wurde am 19. Oktober von Sicherheitskräften festgenommen, nach Istanbul geflogen, aber bereits am 20. Oktober unter Auflagen wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Staatsanwaltschaft forderte sieben Jahre und sechs Monate Haft für seine Äußerung.