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Politik

Lage in Syrien spitzt sich dramatisch zu

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Über eine Intervention im Nachbarland der Türkei will noch niemand offen sprechen. Gleichzeitig erscheint es als unausweichlich, sich für den Eintritt des Worst Case zu wappnen. (Foto: iha)

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Lage in Syrien spitzt sich dramatisch zu
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Der türkische Präsident Abdullah Gül mahnte, in Syrien würden sich derzeit die schlimmstmöglichen Befürchtungen bewahrheiten. Bereits jetzt würden andere regionale Mächte in den Bürgerkrieg, den Diktator Assad vom Zaun gebrochen hätte, hineingezogen. Diese Entwicklung könne so nicht weitergehen. Der Sturz Assads wäre unausweichlich.

„In diesem Moment verwirklicht sich in Syrien das Worst-Case-Szenario“, sagte Gül. „Unsere Regierung befindet sich in permanenter Beratung mit den Streitkräften. Wie man sehen kann, wird alles Nötige unverzüglich getan, und es wird weiter getan werden.“

Gül: Machtwechsel ist unausweichlich

Gegenüber Reportern in Ankara betonte Gül, es werde früher oder später zu einem Machtwechsel kommen. „Unser Hauptanliegen ist es, die Internationale Gemeinschaft dazu zu bewegen, ihrer Pflicht nachzukommen und endlich effektiv zu handeln, bevor Syrien zu einem noch größeren Wrack wird und es zu einem weiteren Blutvergießen kommt.“

In den letzten Tagen haben türkische Armeeeinheiten ihre Präsenz entlang der 900 Kilometer langen Grenze zu Syrien verstärkt. Im Vorfeld dazu waren Gebiete auf der türkischen Seite durch Gewehrfeuer und Granatenbeschuss aus dem Süden in Mitleidenschaft gezogen worden, wo Assads Einheiten versuchten, Rebellen die Kontrolle über einige von diesen zuvor eroberte Landstriche zu entreißen.

Wie die Armee auf ihrer Webseite mitteilt, reiste der türkische Generalstabschef Gen. Necdet Özel in die südtürkische Stadt Adana, um sich selbst ein Bild von der Lage vor Ort zu machen, wo derzeit die 2.Armee der Türkei patrouilliert, deren Aufgabe der Schutz der Grenze zu Syrien ist.

Türkei managt Lage an der Grenze, UNO fasst baldiges Erscheinen ins Auge

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon bezeichnete sowohl die Eskalation an der türkisch-syrischen Grenze als auch die Auswirkungen der Krise auf den Libanon als „außerordentlich gefährlich“. In Straßburg kündigte er an, die UN und der Gesandte der Arabischen Liga, Lakhdar Brahimi, würden noch im Verlaufe dieser Woche in die Region zurückkehren.

Die derzeitigen Gefechte mit türkischen Armeekräften stellen den stärksten Ausbruch von Gewalt an der Grenze seit dem Beginn der Revolte gegen Assad im März letzten Jahres dar.

„Von nun an werden wir jede Attacke unverzüglich beantworten. Kein Angriff, der gegen unsere Souveränität und die Sicherheit unserer Leben und unseres Eigentums gerichtet ist, wird hingenommen werden“, unterstrich der türkische Regierungssprecher Bülent Arınç nach einer Kabinettssitzung.

Das Parlament in Ankara erlaubte in der letzten Woche den Einsatz türkischer Truppen jenseits der Grenzen. Es handle sich dabei, wie die Regierung versichert, nicht um ein „Kriegsmandat“, sondern um eine erforderliche Maßnahme zur Abschreckung.

„Die Türkei wird selbst entscheiden, ob und wann es nötig sein wird, von der Ermächtigung, die letzte Woche seitens des Parlaments gegeben wurde, Gebrauch zu machen. Niemand soll glauben, es würde von einer Zustimmung unseres Parlaments abhängen, ob ein Krieg ausbricht oder nicht, aber wir haben mehr Anlass als andere Länder, um unsere Unabhängigkeit und Souveränität besorgt zu sein“, sagte Arınç.

Damaskus spricht von „Versehen“

Erstmals seit Monaten hat es die syrische Armee unterdessen geschafft, in den von Rebellen gehaltenen Bezirk Khalidiya im belagerten Stadtzentrum von Homs vorzurücken. Zuvor hatte sie diesen Bezirk zwölf Tage lang bombardiert. Ein Rebellensprecher bestätigte, dass ein Stationierungsgebäude evakuiert werden musste.

Gleichzeitig wurden auch die Scharmützel auf der syrischen Seite der Grenze intensiver. Es ist noch unklar, wer die Granaten abgefeuert hatte, die auf türkischem Territorium gelandet waren.

Damaskus sprach von „versehentlichem“ Feuer auf türkisches Hoheitsgebiet. Unabhängig davon hat die syrische Regierung dennoch ihre Gelöbnisse verletzt, sicherzustellen, keine Aufklärungsflüge mehr jenseits der Grenze abzuhalten, die sie letzte Woche abgegeben hatte, nachdem syrischer Granatenbeschuss fünf Zivilisten in der türkischen Stadt Akçakale getötet hatte.

Wie ein türkischer Offizieller Reuters gegenüber betonte, führte die Türkei letztmalig am Montag einen Vergeltungsangriff durch, nachdem eine Mörsergranate aus Syrien auf einem ländlichen Territorium in der türkischen Provinz Hatay gelandet war.

Farouq al-Shara als potenzieller Assad-Nachfolger

Unterdessen brachte der türkische Außenminister Ahmet Davutoğlu am Wochenende den derzeitigen syrischen Vizepräsidenten Farouq al-Shara als potenziellen Nachfolger Assads ins Gespräch.

Shara, ein früherer Außenminister, der vor sechs Jahren zum Vizepräsidenten erhoben worden war, soll Berichten zufolge versucht haben, sich auf jordanisches Gebiet abzusetzen. Syrische Staatsmedien dementieren diese Berichte.

Die Opposition könnte sich Davutoğlu zufolge mit dieser Persönlichkeit anfreunden: „Farouq al-Shara ist in der Lage, die Entwicklungen des Systems während der letzten 20-30 Jahre nachzuvollziehen. Er ist nicht in die Ereignisse der letzten Zeit und in die Massaker verwickelt und er verfügt über Weisheit und eine gewissenhafte Einstellung. Jedenfalls aber gibt es kaum jemanden, der das System Syrien besser kennen würde als er.“

Das NATO-Mitglied Türkei war einst mit Assad verbündet. Nachdem dieser jedoch den Aufstand gegen sein Regime gewaltsam niederschlagen ließ, was bislang 30.000 Menschen das Leben kostete, hat sich die Türkei von ihm abgewandt.

Derzeit beherbergt die Türkei 100.000 syrische Bürgerkriegsflüchtlinge.