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Politik

Proteste in Ankara: „Wir werden Kalifat und Scharia nicht zulassen!“

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Die Äußerungen des türkischen Parlamentspräsidenten İsmail Kahraman bezüglich der Abschaffung des Laizismus in der Türkei stoßen sowohl in der Opposition als auch in Reihen der regierenden AKP auf Widerstand. Die links-säkulare „Vereinte Juni-Bewegung“ („Birleşik Haziran Hareketi“) hat zu Protesten vor dem türkischen Parlamente aufgerufen. Die Bewegung ist nach den Gezi-Prostesten entstanden und hat sich den Kampf für die kemalistischen Werte auf die Fahnen geschrieben. Gegen 12 Uhr Ortszeit versammelte sich eine Menschenmenge vor dem Eingang des Parlaments in der Dikmen Caddesi. Wie die Tageszeitung Cumhuriyet berichtet, wollten sich einige Abgeordnete der oppositionellen CHP mit der Gruppe solidarisieren, kurz darauf griff jedoch die Polizei ein und forderte die Menge auf, sich aufzulösen. Daraufhin versammelten sich die Teilnehmer der Demonstration an der Akay-Kreuzung in der Nähe des Parlaments und verlasen eine Erklärung. Man werde eine Verfassung, die „das Kalifat und die Scharia vorsieht“, nicht zulassen, hieß es darin.

Auch die Co-Vorsitzende der pro-kurdischen Partei HDP, Figen Yüksekdağ, hat in der Fraktionssitzung den Vorschlag Kahramans scharf kritisiert: „Das ist eine komplette Dreistigkeit. Sie werden es nicht schaffen, ein Kalifat nach der Vorstellung der AKP und des Palastes zu verkünden.“ Die Regierungspartei versuche mit der Initiative die Religion für ihren eigenen Machtausbau zu missbrauchen: „Dadurch, dass sie die Religion in den Mittelpunkt stellen, wollen sie ihre eigene Hegemonie festigen. Sie wollen doch keine religiöse Verfassung, weil sie selbst religiös sind! Sollten diejenigen, die sich der Sache der Religion annehmen, unter normalen Umständen nicht gegen Vergewaltigung, Kindesmissbrauch und Diebstahl stellen?“

Auch aus der Regierungspartei kommt Kritik an Kahramans Vorstoß. Der AKP-Abgeordnete und Vorsitzende des Verfassungsausschusses Mustafa Şentop distanzierte sich von seinem Parteikollegen. Er sagte, dass Kahraman nicht im Namen seiner Partei sprechen würde: „Wir hatten keine interne Diskussion darüber, ob der Laizismus aus der Verfassung gestrichen werden soll oder nicht. Der Parlamentspräsident spricht nicht im Namen seiner Partei. Das Problem ist nicht der Laizismus, sondern wie er umgesetzt wird.“

Der Parlamentspräsident und stellvertretende Premierminister İsmail Kahraman hatte gestern auf einer Konferenz mit Äußerungen  für Aufsehen gesorgt, wonach in der neuen Verfassung der Türkei für den Laizismus, also die strikte Trennung von Staat und Religion, kein Platz sei. Der Laizismus gilt als eines der Grundprinzipien des Kemalismus, der AKP wird seit langem vorgeworfen, sie würde an seiner Abschaffung arbeiten.