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Gesellschaft

Nichts Neues: Flüchtlinge sind Opfer der Weltwirtschaftsstruktur

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Und wieder greifen die Debatten zu kurz, diskutiert wird über das Symptom. Wie vor fast zwei Jahren unsere Autorin beschrieb, hat sich an den Voraussetzungen für Flucht nichts geändert. Und die aktuellen Reaktionen zeigen, dass grundlegende Änderungen an den Bedinungen der Verelendung auch nicht vorgesehen sind. Einmischung und Krieg sind die Folgen einer ungerechten Weltwirtschaft. Darum veröffentlichen wir diesen Text erneut und unverändert.. (Foto: dpa)

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Selten genug erreichen uns die Nachrichten von Toten an den Grenzen Europas. Die aktuelle Tragödie vor Lampedusa mit hunderten Toten hat jedoch selbst die sonst nicht allzu niedrige Aufmerksamkeitsschwelle von Medien und Politik überschritten. Diesmal sind es keine Minentoten an der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei, keine afghanischen Jugendlichen, die in Lagern auf Lesbos festsitzen, keine Erschossene an den Grenzzäunen Ceutas und Melillas und auch keine von der „Agentur“ Frontex aufgebrachte und eventuell versenkte Flüchtlingsboote, sondern Afrikaner, die nicht mehr von Regimen vom Schlage Gaddafis auf dem südlichen Kontinent festgehalten werden.

Neben einigen Lichtblicken in den Kommentaren, die das Unwort „Wirtschaftsflüchtlinge“ kritisch einordnen, bleibt jedoch der Tenor von den „am Wohlstand teilhaben Wollenden“ vorherrschend. Dabei geht es weniger um Wohlstandsfragen als nicht selten um die Frage nach dem nackten Überleben – und das nicht nur auf dem Mittelmeer.

„Entwicklungshilfe“ mit Hintergedanken

Allein „ein besseres Leben“ in Europa führen zu können, ist nicht Ausschlag gebend, sondern es geht darum, für die eigene Familie ein neues Auskommen zu suchen. Während man sich um sinkende Lebensstandards in Europa sorgt – und dies durchaus zu Recht, weil dies die breite arbeitende Masse betrifft, nicht jedoch die so genannten oberen Zehntausend – fließt jeden Tag weiterhin mehr Geld von der „Dritten“ in die „Erste“ Welt, als umgekehrt.

Filme wie „Süßes Gift“ von Peter Heller oder Bücher wie „Die Mitleidsindustrie“ von Linda Polman machen in diesem Zusammenhang auf die Problematik von „Entwicklungshilfe“ aufmerksam, die vor allem dem Selbstzweck der Wirtschaftsförderung in eigener Sache dient. Auch die Kredite von Weltbank und IWF schaffen vor allem Abhängigkeiten und Ausbeutungsstrukturen, die korrupte Eliten in den abgehängten Ländern Afrikas und anderswo geradezu züchtet.

Ergänzt man das Bild durch die europäische Großfischerei vor den Küsten Somalias und Senegals, Einfuhrverbote in die EU bei gleichzeitigem Absatz subventionierten EU-Gemüses in den Ländern Afrikas, der lokale Märkte zerstört, die Kontrolle der Saatgutversorgung durch Monsanto & Co und die des Wassers durch Großkonzerne wie Nestlé, dann wird ganz deutlich, warum das Wort „Wirtschaftsflüchtling“ zum Unwort des Jahres erklärt werden müsste. Es stimmt nämlich: Die Flüchtlinge sind Opfer einer Weltwirtschaftsstruktur, die unseren Wohlstand ausbaut auf Kosten der „billigen Lieferanten unserer Rohstoffe“.

Herrschende Strukturen werden immer neue Tragödien hervorrufen

Wer nun scheinheilig mehr Aufnahme von Flüchtlingen, eine Änderung des Asylrechts, humanitäre Hilfe, mehr legale Migration und die Bestrafung von Schleppern fordert, will die Zusammenhänge nicht sehen oder zugeben. Natürlich muss skandalisiert werden, dass die Überlebenden des Bootsunglücks vor Lampedusa nun in Italien wegen illegaler Einwanderung angeklagt werden können. Wer aber nicht bereit ist, das offensichtlich völlig entgleiste Weltwirtschaftssystem in Frage zu stellen und gerechtere Strukturen zu schaffen, ist weiterhin für Grenztote verantwortlich und dafür, dass Menschen ihre Heimat aufgeben müssen.

Auf die relevanten Zusammenhänge machen Organisationen wie Borderline Europe oder auch Jean Ziegler seit Jahren aufmerksam und sich damit nicht beliebt. Zur Empörung von Medien und Politik müsste nun also auch Ehrlichkeit hinzu kommen, damit Menschenrechte und Menschenwürde überhaupt eine Grundlage erhalten, um nachhaltig gestärkt werden zu können – anstatt kostenträchtige Folgekosten durch militärische „Lösungen“ hervorzurufen.