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Bildung & Forschung

„Für Ihre Recherche würden Sie in unserem Unterricht keine gute Note erhalten“

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Maximilian Popp vom „Spiegel“ ist ein Meister des Kampagnenjournalismus. Fehlende Sachlichkeit ist kein Mangel – wenn die Attitüde stimmt, wird fehlende Ahnung durch ein Mehr an Meinung ersetzt. (Foto: reuters)

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DTJ dokumentiert einen im „Spiegel“ nicht abgedruckten Leserbrief eines Lehrers der Stuttgarter BiL-Schule zum Artikel  „Soldaten des Lichts“ von Maximilian Popp (Spiegel 6/2014):

Mit großer Betroffenheit und Verwunderung habe ich Ihren Artikel zur Kenntnis genommen. Derartige Verallgemeinerungen, gepaart mit unseriösem Journalismus und undifferenzierten Aussagen, sind einer Zeitschrift, die sich einst rühmte, investigativen Journalismus zu betreiben, unwürdig.

Ich bin Lehrer an der BiL-Schule in Stuttgart und rechne mich keiner religiösen Gruppierung zu. Sowohl religiöser Extremismus als auch Nationalismus sind Werte, die ich nicht teile – ganz im Gegenteil: Sie gehören beobachtet und bekämpft.

Die Lehrerschaft an der BiL-Schule empfinde ich als junges, motiviertes und kompetentes Team im Umgang mit Schülerinnen und Schülern. Uns in den Zusammenhang mit Zwang und Gewalt in der Schule zu bringen, ist eine unerhörte Respektlosigkeit und verletzt mich sehr. Sie wissen besser als ich, wie Ihre Berichte gelesen und verstanden werden und wie sie wirken.

Nicht ein einziges Mal habe ich Sie an unserer Schule gesehen, nicht ein einziges Mal haben Sie mit Schülern, Eltern oder Lehrern gesprochen. Unsere Schule ist sieben Tage die Woche offen für jeden, der sich informieren und bilden will. Hier begegnen einander Menschen jeglicher Herkunft und Religion, Vorurteilen soll so entgegengewirkt werden. Die Ihnen völlig unbekannten Kinder und Jugendlichen unserer Einrichtung als „Soldaten“ zu titulieren, lässt empathisches Verhalten vermissen.

Der „moderne Lebensstil“ duldet keine anderen neben sich

Ist Ihnen die Aussage eines „ehemaligen Lehrers“ wirklich investigativ genug, um derartige Behauptungen über unsere alltägliche mühevolle Arbeit aufzustellen? Ist Ihnen ernster Journalismus so wenig wert, dass sie mit emotional geladenen Wörtern und Behauptungen in einer Art um sich werfen, wie wir es versuchen, unseren Schülerinnen und Schülern abzugewöhnen?

Und wenn Sie unsere Einrichtung in Zusammenhang bringen mit der Aussage, eine Gefahr für einen „modernen Lebensstil“ zu sein, bleibt mir nichts anderes übrig, als Sie zu bitten, Ihre Arbeit ernst zu nehmen, uns zu besuchen und sich ein Bild von uns und unseren Schülerinnen und Schülern zu machen, ganz so, wie es in einem aufgeklärten Zeitalter vor der Urteilsfindung erforderlich wäre.

Alles andere rückt Sie in die Nähe eines vordatierten und interessengeleiteten PR-Journalismus, der genauso bekämpft gehört wie jeglicher Extremismus. Im Übrigen hat auch der Verfassungsschutz Ihre Behauptung umgehend dementiert. Für Ihre Recherche würden Sie in unserem Unterricht keine gute Note erhalten, das ist sicher.

Unter Kindern gibt es Rangeleien?

Die BiL-Schule ist wie jede andere Schule nicht frei von Problemen und Vorurteilen. Manche Rauferei und böse Wörter sind nicht wegzudenken unter Schülern, eben weil es Kinder sind und sie noch lernen müssen.

Seien sie versichert, dass keiner im Kollegium Ihren Unterstellungen entsprechend handelt oder handeln würde. Meine „Bibel“ ist der Bildungsplan des Landes Baden-Württemberg und mein Glaube ist die Hoffnung auf eine Chancengleichheit im deutschen Schulsystem für alle hier lebenden Jugendlichen.

Alexander Fenselau, Lehrkraft an der BiL-Schule Stuttgart