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Politik

Libyen: Ein Staat im freien Fall

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In der Hauptstadt kämpfen ehemalige Revolutionsbrigaden und Regierungstruppen um strategische Punkte, im Osten führt ein abtrünniger General einen Feldzug gegen Extremisten. Libyen versinkt im Chaos. Die Türkei evakuiert nun ihre Bürger. (Foto: rtr)

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In der Hauptstadt kämpfen ehemalige Revolutionsbrigaden und Regierungstruppen um strategische Punkte, im Osten führt ein abtrünniger General einen Feldzug gegen Extremisten. Libyen versinkt im Chaos.
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Seit etwa zehn Tagen toben in Libyen schwere Kämpfe zwischen verschiedenen Fraktionen, die innerhalb des Landes um Macht konkurrieren. Neben ehemaligen Revolutionsmilizen, deren Mitglieder meist aus der gleichen Stadt oder Region kommen und sich in Brigaden oder Batallionen (arab. Katiba) organisiert haben, extremistischen Gruppen wie etwa Ansar al-Scharia existieren auch innerhalb der staatlichen Sicherheitskräfte unterschiedliche Interessensgruppen. Der abtrünnige General Chalifa Haftar führt im Osten des Landes etwa einen selbst ausgerufenen Feldzug gegen Extremisten und versuchte im Februar erfolglos einen Staatsstreich durchzuführen. Die libysche Staatsmacht scheint den verschiedenen aggressiv vorgehenden Milizen nicht mehr gewachsen zu sein und Libyen droht sich zu einem Failed State zu entwickeln.

Wie schwach die Regierung derzeit ist, zeigt ein Vorfall am Freitag Morgen. Milizionäre hinderten nach Berichten lokaler Medien Übergangsregierungschef Abdullah al-Thinni an einem Flug in den Osten des Landes. Wie das unabhängige Nachrichtenportal Al-Wasat am Freitag berichtete, wollte der Ministerpräsident mit anderen Regierungsmitgliedern vom Militärflughafen Mitiga der Hauptstadt Tripolis in die Stadt Tobruk reisen.

Im Westen Revolutionsmilizen, im Osten Extremisten und ein abtrünniger General

Die Regierung kritisierte das Vorgehen der Milizionäre in einer Erklärung scharf. Diese Aktion unterminiere die Legitimität des Staates. „Sie bestätigt, dass der Flughafen Mitiga nicht mehr im Einflussbereich des Staates steht.“ Die libysche Armee hatte zuvor noch erklärt, sie habe diesen Flughafen von Milizen übernommen, die den Airport seit August 2011 kontrolliert hatten. Da der internationale Flughafen in Tripolis seit Wochen heftig umkämpft ist, weichen Flugzeuge nach Mitiga aus.

Um verschiedene strategische Punkte in Tripolis gibt es seit längerem immer wieder Gefechte zwischen verschiedenen Milizen. Erst in der vergangenen Woche waren Kämpfe zwischen rivalisierenden Milizen um den internationalen Flughafen Tripolis ausgebrochen. Dabei kamen bisher mindestens 47 Menschen ums Leben. Bei neuen Kämpfen sind in der libyschen Hauptstadt Tripolis am Donnerstag dann nochmal mindestens vier Menschen getötet worden. 24 weitere Menschen wurden verletzt, wie die libysche Nachrichtenagentur Al-Tadhamun am Mittwoch meldete. Nach dem Einsatz von Raketen sei an einer Straße zum Flughafen auch ein Tanklager in Brand geraten.

Die jüngsten Kämpfe in Tripolis waren vor rund zwei Wochen um die Kontrolle des internationalen Flughafens ausgebrochen. Bei den in Tripolis aktiven Milizen handelt es sich um ehemalige Revolutionsbrigaden, die 2011 am Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi beteiligt waren. Sie weigern sich bis heute, ihre Waffen abzugeben und ihre Kämpfer sind durch die Revolution kriegserfahren.

Bei neuen Kämpfen sind in der libyschen Hauptstadt Tripolis am Donnerstag dann nochmal mindestens vier Menschen getötet worden. 24 weitere Menschen wurden verletzt, wie die libysche Nachrichtenagentur Al-Tadhamun am Mittwoch meldete. Nach dem Einsatz von Raketen sei an einer Straße zum Flughafen auch ein Tanklager in Brand geraten. (rtr)

Libyscher Außenminister warnt vor ‚failed state’

Im Osten des Landes hingegen sind es vor allem bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Extremisten und Armeeeinheiten. Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Militärstützpunkt in Bengasi im Osten Libyens sind am Dienstag beispielweise mindestens vier Menschen ums Leben gekommen. Nach Angaben der libyschen Nachrichtenagentur Al-Tadhamun explodierten am Dienstagabend an der Einfahrt zu der Kaserne zwei Autobomben. Radikale Extremisten der Gruppe Ansar al-Scharia nahmen in der Stadt bei Kämpfen mit libyschen Eliteeinheiten zudem drei Armeestandorte ein, wie Al-Tadhamun unter Berufung auf Militärkreise berichtete.

Bei den Zusammenstößen zwischen den Soldaten und den Extremisten waren zuvor mindestens 16 Menschen ums Leben gekommen. Der abtrünnige libysche Generalmajor Chalifa Haftar geht seit Anfang Juni in der Region eigenmächtig gegen die extremistischen Gruppen vor. Die Eliteeinheiten haben sich der Offensive ohne Befehl aus Tripolis angeschlossen.

Vergangene Woche warnte der libysche Außenminister Mohammad Abdulaziz der türkischen Zeitung Today’s Zaman zufolge vor „negativen Elementen“, welche die demokratische Transformation seines Landes massiv gefährdeten und davor, dass Libyen „wahrlich auf dem Weg sei, ein ‚failed state’ zu werden, mit weitreichenden Konsequenzen“.

Türkei wiederholt Reisewarnung und evakuiert seine Bürger

Das türkische Außenministerium gab am Mittwoch eine Reisewarnung für Libyen heraus und wiederholte seine Empfehlung an türkische Bürger, das Land umgehend zu verlassen. Da der Flughafen auf Grund der Kämpfe momentan gesperrt ist, riet das türkische Außenministerium seinen Bürgern dazu, den Landweg nach Tunesien zu nutzen und sicherte ihnen konsularische und logistische Hilfe zu.

Der türkische Außenminister Ahmet Davutoğlu sagte am Donnerstag, sein Ministerium prüfe eine Evakuierung der türkischen Botschaft in der libyschen Hauptstadt Tripolis. „In den letzten Monaten gab es in Libyen schwere Auseinandersetzungen… Wir haben nun Maßnahmen zur Evakuierung von einigen Hundert türkischen Bürgern ergriffen“, sagte Davutoğlu in einem Interview mit AHaber. „Die Maßnahme zur Evakuierung der Botschaft könnte ebenfalls in Betracht gezogen werden.“ (dpa/dtj)