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Politik

Lobbyismus der Armenier-Diaspora als Ursache für Papst-Äußerungen?

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Die Äußerungen des Papstes Franziskus über die Tötung von Armeniern im Jahr 1915 sorgen weiter für Spannungen mit der Türkei. Die UNO und Italien wollen sich jüngsten Stellungnahmen zufolge der These vom „Genozid“ nicht anschließen.

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Papst Franziskus
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Die Vereinten Nationen haben sich in Anbetracht der diplomatischen Verwerfungen zwischen der türkischen Regierung und dem Vatikan infolge der Äußerungen des Papstes Franziskus zu den Ereignissen von 1915/16 zu Wort gemeldet. Dem UNO-Sprecher Stephane Dujarric zufolge habe Generalsekretär Ban Ki-moon geäußert, es handle sich bei diesen Vorfällen um „Verbrechen aus Grausamkeit“, eine Qualifikation als „erster Genozid des 20. Jahrhunderts“, wie dies in der Papstrede angeklungen war, wolle er hingegen nicht teilen.

Die UNO scheint damit einen pragmatischen Standpunkt einnehmen zu wollen, nicht zuletzt, um in einer Angelegenheit nicht Partei zu ergreifen, die vor allem aus der armenischen Diaspora heraus immer wieder politisch instrumentalisiert zu werden pflegt, um Spannungen zu schaffen.

Dujarric zufolge habe Ban seiner Auffassung Ausdruck gegeben, dass das Gedenken und eine anhaltende Zusammenarbeit zwischen Armeniern und Türken „mit dem Ziel, die Fakten zu allem, was geschehen ist, darzulegen, unser kollektives Bekenntnis dazu stärkt, zu verhindern, dass es in der Zukunft ähnliche grausamen Verbrechen geben wird.“

Während einer Messe, welcher unter anderem der armenische Präsident Serj Sarksyan beigewohnt hat, sprach Papst Franziskus im Zusammenhang mit den Ereignissen von 1915 von solchen, die „weithin als erster Genozid des 20. Jahrhunderts angesehen“ würden. In der Türkei, wo man zwar anerkennt, dass es im Zuge der Vertreibung von Armeniern aus dem Osmanischen Reich zu Grausamkeiten gekommen sei, aber diese als Folgen allgemeiner Kriegswirren betrachtet und auf das gleichzeitige kriegsbedingte Leid türkischer Muslime hinweist, haben die Äußerungen des Papstes heftige Reaktionen ausgelöst.

Beziehungen zwischen dem Papst und Ankara durch die Äußerungen belastet

Ende November 2014 war der Papst als erster Gast im kurz zuvor eingeweihten Ak Saray zu Ankara empfangen worden und hat in der Sultanahmet-Moschee gebetet. Seine jüngsten Äußerungen drohen die positiven Entwicklungen im Verhältnis zwischen Ankara und dem Vatikan zu belasten.

Die westlichen Verbündeten zeigten sich angesichts der Kontroverse vorerst zurückhaltend. Sie wollen offenbar in dieser hoch politisierten Angelegenheit einseitige Festlegungen vermeiden, die sich negativ auf die ohnehin schwierigen Versuche auswirken könnten, die Beziehungen zwischen der Türkei und Armenien zu verbessern.

Italiens Staatssekretär für Europafragen, Sandro Gozo, erklärte, die italienische Regierung werde die Ereignisse von 1915 nicht als, wie es der Papst anklingen ließ, „den ersten Genozid des 20. Jahrhunderts“ bewerten: „Es wäre unangemessen seitens der italienischen Regierung, offiziell einen ‚armenischen Genozid‘ anzuerkennen; es ist keine Sache von Regierungen, zu entscheiden, was vor 100 Jahren geschehen ist; diese Angelegenheit zu klären ist Sache der Historiker.“ Auch die türkische Regierung hatte Jerewan mehrfach vorgeschlagen, alle Archive zu öffnen und eine gemeinsame Historikerkommission zu bilden, die alle Fakten untersuchen und die Ereignisse bewerten solle.

Armenier-Lobby in Argentinien traditionell stark

Es stellt sich die Frage, warum nicht auch der Papst einen solchen Standpunkt eingenommen hat, zumal er ja selbst bis dato nicht als Advokat eines Kirchenverständnisses in Erscheinung getreten war, das eine starke Einmischung der Kirche in weltliche Belange gutheißen würde.

Spekulationen zufolge soll die armenische Diaspora, die im Heimatland des Papstes, Argentinien, sehr stark vertreten ist, auch ihre alten Verbindungen genutzt haben, um im Vorfeld des 100-jährigen Jubiläums der Ereignisse von 1915 der Forderung nach einer möglichst breiten Qualifikation der Tötungen osmanischer Armenier als „Genozid“ Geltung zu verschaffen.

Die EU hat unterdessen vor dem Hintergrund der jüngsten Unstimmigkeiten die Türkei und Armenien dazu aufgerufen, die Beziehungen zueinander wiederaufleben zu lassen. Die außenpolitische Sprecherin der EU, Maja Kocijancic, betonte am Montag, die Europäer würden die Türkei und Armenien ermutigen, „zusätzliche, bedeutsame Schritte zu unternehmen, um den Weg zu einer vollständigen Versöhnung frei zu machen“.

Aus der türkischen Regierung gab es harsche Reaktionen auf die Aussagen des Papstes. Premierminister Ahmet Davutoğlu und weitere Kabinettsmitglieder warfen ihm eine einseitige Wahrnehmung oder gar „Schüren von Hass“ vor.