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Politik

Macht doch „Apo“ zum Pascha!

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Jahrelang erschien es als undenkbar, mit den Terroristen der PKK und ihrem Führer Öcalan zu verhandeln. Heute zeigt sich, dass der Imrali-Prozess der Türkei vor allem ihre Handlungsfähigkeit in der Kurdenfrage zurückgibt. (Foto: zaman)

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Macht doch „Apo“ zum Pascha!
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„Macht doch „Apo“ zum Pascha! “- In meinem ganzen Leben hatte ich nie so viel Kritik einstecken müssen wie für meinen Vorschlag, Abdullah Öcalan den Status eines Paschas zu geben. Es sind nunmehr sechs Jahre vergangen und ich verteidigte bei jeder Gelegenheit meine These. Es geht mir nicht darum, Recht zu haben, sondern die Antwort auf die Frage zu finden, was für dieses Land richtig oder falsch ist.

Osmanische Staatsoberhäupter wie z.B. Sultan Murat IV. oder der Wesir Kuyucu Murat Pascha, beide berüchtigt für ihre Härte, Ahmet Cevdet Pasa, berühmt für seine Weitsicht, und viele andere haben den Anführern von Rebellionen gegen das Reich politische Machtposten in den Randprovinzen des Reiches zugesprochen und ihnen den Rang eines Paschas gegeben. Sie wussten dabei sehr genau, was sie taten. Sie behielten Recht und sind in die Geschichtsbücher eingegangen. Das Reich, das sich gleichzeitig mit Acem (Persien) und Nemcelü (Österreich) im Krieg befand, konnte durch Zugeständnisse dieser Art nicht nur Aufstände beseitigen, sondern zusätzlich politischen Spielraum gewinnen.

Die Technologie und Mittel haben sich zwar verändert, doch sind die Regeln der Politik überall auf der Welt gleich geblieben: immer versucht ein Land, seine inneren Probleme unter Berücksichtigung der internationalen Rahmenbedingungen und der jeweils vorherrschenden Gegebenheiten zu lösen. Genauso wie in der Geschichte das türkische Karaman-Fürstentum sich mit dem ungarischen König einigte und dem Osmanischen Reich in den Rücken fiel, gehen heute die Rebellen Kooperationen mit feindlichen Mächten ein.

Die PKK ist längst kein innertürkisches Problem mehr

Das Kurdenproblem hat sich in den vergangenen 29 Jahren zu einem internationalen Problem entwickelt und sich mit all seinen Folgewirkungen institutionalisiert. Sogar die Informationsgewinnung darüber, mit welchen ausländischen Geheimdiensten die PKK- oder die BDP-Führung in Austausch steht und nach wessen Interessen sie gerade agieren, ist sehr kompliziert geworden.

Deswegen ist auch die Art und Intensität der internationalen Vernetzung zu berücksichtigen, wenn man das Terrorproblem lösen will. Diejenigen, die nicht verstehen wollen oder können, warum wir heute an einem bestimmten Punkt angekommen sind, müssen bei Ihrer Problemanalyse diese Internationalisierung des Konflikts berücksichtigen.

Die PKK hat als eine „internationale“ Organisation durch die Vernetzung ihre Macht stabilisiert. Jedoch ist sie dabei in (finanzielle) Abhängigkeit geraten. Die Folge war ihre Unfähigkeit in politischen Verhandlungen einzutreten. Fast alle Staaten, außer der Türkei, haben diese Rebellenorganisation als Subunternehmen benutzt. Die Zerwürfnisse und Rivalitäten innerhalb der Organisation waren nicht selten von Wünschen und Zahlungen externer Geldgeber initiiert.

Man muss die Dynamiken unterhalb der Führungsebene Öcalans, im Kapitänshaus des PKK-BDP-Schiffes, richtig interpretieren. Unter Berücksichtigen all dieser komplizierten Zusammenhänge machte ich vor sechs Jahren den Vorschlag, Öcalan den Rang eines Paschas zu geben, damit er wieder aktiv die Führung übernimmt, seine Organisation von den internationalen Verpflichtungen befreit und wieder politisch handlungsfähig macht. Genau das zwingt sie, sich wieder ihrem selbstgewählten Daseinszweck zuzuwenden und Farbe zu bekennen. Man darf nicht vergessen: Unter den PKK-BDP-Vertreter ist Abdullah Öcalan die einzige Person, bei dem wir uns sicher sein können, dass er „einheimisch“ ist. Er ist in der Obhut des Staates und all seine Kommunikation ist unter Kontrolle. Ausländische Dienste können von ihm keinen Preis verlangen, weil er nicht in der Lage ist, zu bezahlen.

Quertreiber können jetzt elegant abserviert werden

Diese Situation ist nicht nur für den türkischen Staat ein Garant, sondern auch für die kurdische Politik eine sehr wertvolle Stütze. Es ist die beste Gelegenheit, die man je hatte, um die Kurdenpolitik nach Interesse der Kurden selbst und nicht nach ihren internationalen Verpflichtungen zu lösen. Die kurdischen Politiker werden somit von der quälenden Frage, für welchen Staat denn nun die kurdischen Kinder in den Bergen sterben, befreit.

Dass Öcalan als einziger Ansprechpartner in diesem Prozess fungiert, bedeutet auch, dass bei den Verhandlungen nicht die Interessen anderer Staaten Platz nehmen. Versuchen wir doch die Unterstützung Öcalans durch die kurdische Öffentlichkeit auch folgenderweise zu deuten: Die kurdische Öffentlichkeit hat in dem Verhandlungsprozess Öcalan zu ihrem einzigen Vertreter gewählt, weil sein Wahlkreis Imralı ist.

Die Treppenstrategie steht für das Programm von PKK-BDP. Mit der dreistufigen Strategie, so scheint es, bleibt kein einziges Problem ungelöst. Es gab zwei grundlegende Probleme.

Die erste war, wie man die Psychologie der beiden Öffentlichkeiten – der türkischen und der kurdischen – richtig steuert. Und die zweite Frage war, wie man die PKK ohne ihre internationalen Verpflichtungen an den Verhandlungstisch bringt. Die Psychologie der beiden Öffentlichkeiten wird richtig gesteuert. Und die wiedererlangte Autorität Öcalans zeigt, dass auch die zweite Bedingung erfüllt werden kann.

Mein Vorschlag von vor sechs Jahren „Macht doch „Apo“ zum Pascha! “ war eine Metapher. Heute wäre das Gegenteil dieser Metapher, mit anderen Ländern über das Kurdenproblem zu verhandeln. Das haben alle bis auf die „Nationalisten der kleinen Türkei“ verstanden.

Der 23. Februar 2013 wird als ein Datum in die Geschichte eingehen, an dem Öcalan im Rang eines Paschas seinen Männern, versiegelt mit Wachs und von ihm höchstpersönlich unterzeichnet, Befehle sandte.

Und mit diesem Datum endet auch die seit 29 Jahren andauernde Rebellion gegen den Staat.

Autoreninfo: Mümtaz’er Türköne, geb. 1956 in Istanbul, vollendete 1990 sein Doktoratsstudium an der Politikwissenschaftlichen Fakultät der Universität Ankara und arbeitet jetzt als Autor und Journalist. Er ist Kolumnist der „Zaman“.