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Kolumnen

Ein einmaliger Vorgang bei der ARD

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Der ARD-Programmbeirat hat die eigene Sendeanstalt gerügt. Der Beirat, der sich zusammensetzt aus Entsandten der einzelnen ARD-Rundfunkgremien, hat die Ukraine-Berichterstattung der ARD geprüft und kommt zu einem verheerenden Ergebnis. Einen solchen Vorgang hat es bisher nicht gegeben. Das Protokoll des Programmbeirats, der im Juni nicht öffentlich tagte, ist nun im September geleakt worden – um es Neudeutsch zu sagen. Da könnte jemand die Notbremse gezogen haben angesichts der Bekundungen aus den kritisierten Redaktionen, genauso weiterzumachen wie bisher.

Dass die Kontrollgremien, die das Publikum in den öffentlich-rechtlichen Medien vertreten, diesem kaum Rechenschaft ablegen müssen, hat schon eine besondere Qualität. Bisher hat das aber anscheinend zu wenige Beitragszahler gestört. Mit dem zunehmenden Vertrauensschwund gegenüber den Medien, der gerade durch die Ukraineberichterstattung befeuert wurde, stieg offensichtlich das Interesse an der Arbeit der Gremien.

Beschwerden aus dem Publikum nehmen zu

Dabei wird kaum wahrgenommen, dass auch Rundfunkräte die Berichterstattung kritisierten und im Rahmen der Arbeit des Programmbeirats eine umfassende Evaluation einiger Formate der ARD stattfand: Betroffen waren Nachrichtensendungen, Magazine sowie einige Talkshows. Man erachtete eine Überprüfung der ARD-Produkte in dem Umfang und Ausmaß für notwendig, nachdem auch aus dem Publikum immer mehr Beschwerden eingingen und die Unzufriedenheit offensichtlich weiter wächst.

Das Zeugnis, das der ARD bis auf wenige Ausnahmen ausgestellt wird, gibt den Kritikern Recht. Etwa fehlten in der Berichterstattung „Berichte über die Verhandlungen der EU über das Assoziierungsabkommen“, die „politischen und strategischen Absichten der NATO“, „Rolle und Legitimation des sogenannten Maidanrats“, die „Frage nach der Verfassungs- und Demokratiekonformität der Absetzung Janukowitschs“ sowie eine „kritische Analyse der Rollen von Julia Timoschenko und Vitali Klitschko“. Außerdem wurde bemängelt, dass „eine völkerrechtliche Analyse der Abspaltung der Krim“ unterlassen worden sei und gefordert, in weiteren Sendungen nachzubessern und fehlende Inhalte nachzuliefern.

Zahnloser Tiger

Da der Programmbeirat jedoch als zahnloser Tiger ohne Weisungsbefugnis konzipiert wurde, können die Programmverantwortlichen das mahnende Ergebnis immer noch übergehen. ARD-Chefredakteur Thomas Baumann wies die Kritik zurück und verwies auf den Gesamtüberblick des Programms. Die wenigen Magazinsendungen, die vom Beirat gelobt wurden, stellten demnach nicht die Aussagen der eigenen Nachrichtenredaktionen infrage, sondern sollten eine Ausgewogenheit der ARD-Berichterstattung suggerieren. Baumann lehnt es somit rundwegs ab, die „Einseitigkeit zulasten Russlands“ sowie die „mangelnde Differenziertheit sowie Lückenhaftigkeit“, wie es im Protokoll heißt, zu korrigieren.

Das Verhalten Baumanns zeugt von der gleichen überheblichen Haltung dem Publikum gegenüber, wie sie bereits in früheren Stellungnahmen von der ARD-aktuell-Chefredaktion in Gestalt von Dr. Kai Gniffke und Christian Nitsche deutlich zu erkennen war.

Vertrauenskrise in den Medien

Unsere Publikumsratsinitiative fühlt sich durch diesen Sachverhalt in der Forderung bestärkt, dass der Finanzier der journalistischen Arbeit der Öffentlich-Rechtlichen auch mehr Mitbestimmung erhalten muss. Dr. Christine Horz schreibt auf der Website der Initiative: „Unsere Kritik findet offenbar Widerhall, denn am Donnerstag, dem 18.9.2014, bestätigte der ARD-Programmbeirat, dass er die Ukraine-Berichterstattung für einseitig, wenig differenziert und lückenhaft hielt – ein in der deutschen Rundfunkgeschichte ungewöhnlicher Vorgang, dass ein ARD-internes Gremium den eigenen Sender kritisiert.“ Zur Stellungnahme des ZDF-Fernsehrats dokumentiert sie: „Anders als der ARD-Programmbeirat lobt der ZDF-Fernsehrat unbeirrbar die Krisenberichterstattung des ZDF zum Ukraine- und Gaza-Konflikt – auch wenn der Intendant, wie er sagte, eine Vielzahl von Beschwerden zu diesem Thema erhalten hatte.“

Neben der Frage nach den verbleibenden Möglichkeiten für eine Bekämpfung des Vertrauensverlustes in unsere Medien bleibt auch die Frage nach der Stärkung der Unabhängigkeit der Kontrollgremien für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk drängend. Einer Nichterfüllung des rundfunkstaatsvertraglich geregelten Programmauftrags müssen schlagkräftige Gremien Einhalt gebieten können.