Wirtschaft
Megaprojekte am Bosporus: Das ist der letzte Stand
Der Eurasia-Tunnel unter dem Bosporus wird in wenigen Tagen eröffnet, und auch andere Infrastrukturprojekte in Istanbul laufen auf Hochtouren. Erst dieses Jahr wurde die dritte Brücke fertiggestellt, die den europäischen mit dem asiatischen Teil der Stadt verbindet. Istanbul gleicht in den heutigen Tagen einer großen Baustelle. DTJ-Online hat einen Überblick über die aktuellen Projekte zusammengestellt.
Von Carolina Drüten
Eurasia-Tunnel
Der „Eurasia-Tunnel“, der unter dem Bosporus verläuft und Europa mit Asien verbindet, steht kurz vor der Einweihung. Am 20. Dezember 2016, also kommenden Dienstag, wird er für den allgemeinen Verkehr freigegeben.
An seiner tiefsten Stelle ist der doppelstöckige Straßentunnel gut 106 Meter unter der Wasseroberfläche gelegen. Eine Testfahrt in den Anlagen hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bereits selbst durchgeführt.
Es ist die zweite Unterführung des Bosporus: Der Marmaray-Eisenbahntunnel wurde 2013 eröffnet. Das Projekt war in die Kritik geraten, weil die Anlagen nur 20 Kilometer von einer aktiven Verwerfungslinie erbaut wurden. Damit ist eine Bruchstelle im Gestein gemeint, die Indikator für ein tektonisches Gefahrengebiet ist.
Kanal Istanbul
Ein „zweiter Bosporus“ soll es werden: Die türkische Regierung plant einen künstlichen Kanal, der das Marmarameer mit dem Schwarzen Meer verbindet. So würde der stark befahrene Bosporus entlastet werden. Grund für das hohe Schiffsaufkommen ist der Vertrag von Montreux, der seit 1936 die freie Passage für Handelsschiffe gewährleistet.
Ein künstlicher Kanal unter türkischer Souveränität würde auch der Regierung in die Hände spielen, die für die Durchfahrt hohe Gebühren verlangen könnte. Zwar bleibt der Bosporus offen, wer ihn aber passieren möchte, muss mit langen Wartezeiten rechnen – die sind erheblichen Kosten verbunden.
2023 soll das Projekt abgeschlossen werden, pünktlich zum hundertjährigen Geburtstag der Republik.
Neuer Flughafen Istanbul
Bescheidenheit ist der letzte Begriff, mit dem man türkische Infrastrukturprojekte betiteln würde. In Istanbul soll ein dritter Flughafen entstehen, mit 150 Millionen Passagieren jährlich der größte der Welt. Zum Vergleich: Deutschlands größter Flughafen ist in Frankfurt und befördert etwa 60 Millionen Fluggäste im Jahr.
Vom neuen Flughafen erhofft man sich, dass er ein internationales Drehkreuz wird und dank Istanbuls strategisch günstiger Lage auf zwei Kontinenten anderen Großflughäfen in Dubai und Abu Dhabi Konkurrenz macht. 2018 soll der Flughafen eröffnet werden.
Çamlıca-Moschee
Für die einen stolzes Denkmal, für andere ein Symbol für die voranschreitende „Islamisierung“ der Türkei: Die Çamlıca-Moschee wurde von zwei Architektinnen entworfen und soll 60.000 Menschen Platz bieten – so viel wie keine andere Moschee des Landes. Zur Anlage gehören eine Bibliothek, ein Museum und ein Konferenzzentrum. Vom Çamlıca-Hügel auf der asiatischen Seite Istanbuls ist sie weithin sichtbar. Ursprünglich sollte die Moschee 2016 eröffnet werden, der Termin hatte sich jedoch verzögert. Das Bauwerk steht nun kurz vor der Vollendung.
Umbau der Taksim-Gegend
2013 hatten Pläne des damaligen Premierministers Erdoğan, im Istanbuler Gezi-Park ein Einkaufszentrum zu errichten, zu heftigen Protesten geführt, die internationale Aufmerksamkeit erlangten und in die Geschichte des Landes eingingen. Die türkische Regierung hatte auf die Demonstrationen gewaltsam reagiert, die Pläne waren trotzdem auf Eis gelegt – fürs Erste.
Nun macht Erdoğan einen zweiten Anlauf. Kein Einkaufszentrum soll es werden – davon gibt es in Istanbul mittlerweile wirklich genug – sondern eine osmanische Kaserne, die unter Staatsgründer Atatürk abgerissen worden war und nun wiederaufgebaut werden soll. Nicht nur den Gezi-Park, sondern auch den symbolträchtigen Taksim-Platz will die Regierung umbauen lassen. Ein Opernhaus und eine Moschee sind in dem Gebiet geplant.
Die Umbaumaßnahmen beschränken sich nicht nur auf den unmittelbaren Taksim-Platz. Auch Tarlabaşı, ein armer Stadtteil mit Bewohnern unterschiedlichster Herkunft, wird grundsaniert. Die attraktive Lage in unmittelbarer Nähe zum hippen Viertel Beyoğlu verspricht, ein gut situiertes Publikum anzuziehen – für die ehemaligen Bewohner sind die Immobilienpreise nach der Sanierung zu hoch und sie werden aus der Stadtmitte an den Rand Istanbuls gedrängt. Das rief bereits laute Kritik hervor, aber die AKP ließ sich nicht von ihrem Kurs abbringen.
Ob es im Zuge der Erneuerung des Gezi-Parks noch einmal zu Demonstrationen kommen wird, ist nicht zu erwarten – der Terror der letzten Monate und das rücksichtslose Vorgehen der Behörden gegen Andersdenkende hat viele Menschen verunsichert.