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Panorama

„Doppelmoral“: Amnesty kritisiert Internet-Gipfel in Istanbul

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Amnesty International hat die Türkei wegen einer Unterdrückung der Meinungsfreiheit im Internet kritisiert. Anlässlich eines Internet-Gipfels, das heute in Istanbul beginnt, hielt die Menschenrechtsorganisation dem Gastgeberland „Doppelmoral“ vor. (Foto: rtr)

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„Es ist eine bittere Ironie, dass die Türkei ein Treffen ausrichtet, bei dem die Meinungsfreiheit im Internet ein wichtiges Thema ist, und gleichzeitig Twitter-Nutzer vor Gericht stellt“, erklärte Sebastian Schweda, Amnesty-Experte für Menschenrechte in der digitalen Welt.

In Izmir stehen nach Amnesty-Informationen derzeit 29 Twitter-Nutzer vor Gericht. Ihnen drohten bis zu drei Jahre Haft, weil sie während der Gezi-Park-Proteste im vergangenen Jahr getwittert hatten. Keiner der Tweets habe einen Aufruf zur Gewalt enthalten. Trotzdem werde den Autoren Anstiftung zum Rechtsbruch vorgeworfen, dreien von ihnen außerdem Beleidigung des Ministerpräsidenten. Die Regierung hatte damals argumentiert, dass die User bewusst Falschmeldungen in Umlauf gebracht und damit zur Eskalation der Situation beigetragen hätten.

Gewalt und Willkür im Umgang mit Online-Kritikern

Amnesty warf weiteren Teilnehmerländern der Konferenz Gewalt und Willkür im Umgang mit Online-Kritikern vor. In Äthiopien seien sieben Blogger zum Tode verurteilt worden, weil sie Informationen über Sicherheitslücken im Internet verbreitet haben sollen. In Vietnam seien zwei Blogger zu zehn und zwölf Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil sie über Menschenrechtsverletzungen berichteten, 31 weitere seien noch in Haft. In Saudi-Arabien wurde Amnesty zufolge der Betreiber einer Website wegen „Beleidigung des Islams“ zu zehn Jahren Haft, tausend Peitschenhieben und einer Geldstrafe verurteilt. „Diese Strafen müssen rückgängig gemacht werden, und jedes dieser Länder muss die Meinungsfreiheit auch online gewährleisten“, sagte Schweda.

In Istanbul findet bis Freitag ein Treffen des Internet Governance Forums (IGF) statt. Dort diskutieren Regierungen, Wirtschaftsvertreter und Bürgerrechtler über die Verwaltung wichtiger Internetfunktionen. Das IGF wurde 2005 durch den UN-Generalsekretär eingesetzt und ist eine Plattform für verschiedene Interessengruppen zum Thema Internet Governance im Rahmen des Weltgipfels über die Informationsgesellschaft (WSIS). Das IGF selbst kann keine völkerrechtlich verbindlichen Beschlüsse fassen, gilt aber als das wichtigste ständige Forum zu diesem Themengebiet.

Die USA wollen im Rahmen des Treffens ihre Aufsicht über die ICANN abgeben, die Institution, die für die Verwaltung der übergeordneten Domainnamen wie „.com“ zuständig ist. Nun wird überlegt, wie diese Aufsichtsfunktion nach der für September 2015 geplanten Übergabe neu organisiert werden soll. Dazu müssen sich die verschiedenen Gruppen auf einen gemeinsamen Prozess einigen. Das sei die größte Herausforderung für das Treffen, sagte Oliver Süme vom deutschen Internetverband eco der dpa. (KNA/dpa/dtj)