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Politik

Merkel bei Erdoğan standhaft: Visafreiheit rückt in weite Ferne

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Angela Merkel und Recep Tayyip Erdoğan sind sich einig, dass sie sich in vielen Fragen uneinig sind. Vor allem die Visafreiheit für Türken im Schengenraum wackelt mehr denn je. Welche Folgen das für das für das Flüchtlingsabkommen hat, ist noch nicht absehbar.

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Bundeskanzlerin Merkel und der türkische Präsident Erdoğan
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Während ihres persönlichen Treffens haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan offensichtlich heikle STreitpunkte angesprochen, ohne zu konkreten Lösungen gekommen zu sein. Vor allem im Streit um die geplante EU-Visafreiheit für türkische Staatsbürger blieb Merkel standhaft: Als Konsequenz aus dem umstrittenen Anti-Terror-Gesetz in der Türkei hat sie den geplanten Termin am 1. Juli als unhaltbar bezeichnet.

Nach dem Gespräch am Montag in Istanbul sagte Merkel, „dass hier nach Maßgabe der Dinge in den nächsten Wochen nicht alle Bedingungen erfüllt werden, wenn die Terrorismusgesetzgebung nicht verändert wird.“ Und Erdoğan habe ihr gesagt, dass eine solche Gesetzesänderung für ihn im Augenblick nicht zur Debatte stehe. Merkel forderte Erdoğan indirekt auf, eine lebendige Demokratie in der Türkei zuzulassen.

Glaubt man Merkel, bedeute dieses Scheitern in der Frage der Visafreiheit jedoch kein Ende der engen Zusammenarbeit: „Jedenfalls haben wir sehr intensiv, sehr offen und auch sehr zielführend gesprochen, dass man alles daran setzen muss, weiter im Gespräch zu bleiben“, so die CDU-Politikerin.

Im Zuge der Verhandlungen über ihren Flüchtlingspakt hatten sich die EU und die Türkei verständigt, die für Oktober geplante Visafreiheit auf den 1. Juli vorzuziehen. Die Kanzlerin betonte aber, sie habe Erdoğan deutlich gemacht, dass der Weg zur Visafreiheit auf 72 – von der EU bereits 2013 gestellten – Bedingungen beruhe und Ankara alle Punkte erfüllen müsse. Sie mahnte: „Wir brauchen eine unabhängige Justiz, wir brauchen unabhängige Medien und wir brauchen ein starkes Parlament.“

Merkel sieht weiteren Gesprächsbedarf

Auch zu den Entwicklungen in der türkischen Innenpolitik gingen die Meinungen der beiden auseinander. Merkel berichtete, sie habe Erdoğan „sehr deutlich gemacht“, dass die Aufhebung der Immunität eines Viertels der Abgeordneten im türkischen Parlament am vorigen Freitag für sie ein „Grund tiefer Besorgnis“ sei. Ferner sagte sie, der Kampf gegen die PKK sei notwendig. Es müsse aber alles getan werden, „damit die Menschen kurdischer Herkunft eine faire Chance in der Türkei bekommen, auch ein Leben zu führen, das sie an Wohlstand und Entwicklung des Landes teilhaben lässt“. Das sei derzeit schwierig.

N ach dem Gespräch war man sich einig, dass man sich nicht einig ist. Merkel resümierte: „Die Fragen sind nicht vollständig geklärt, die ich in diesem Zusammenhang hatte“. Sie fügte hinzu: „Ich glaube, es werden noch weitere Gespräche geführt werden müssen.“ Der EU-Türkei-Flüchtlingspakt sei in beiderseitigem Interesse. Erdoğan hatte zum Auftakt des UN-Nothilfegipfels in Istanbul, an dem auch Merkel teilnahm, angekündigt, dass sein Land weiterhin Flüchtlinge aufnehmen werde. „Wir werden unsere Türen niemals vor den Menschen und der Menschlichkeit schließen“, sagte er.

Die Türkei habe fast drei Millionen Syrer aufgenommen und biete mehr Flüchtlingen Schutz als jedes andere Land der Welt. Menschenrechtsgruppen werfen der Regierung vor, trotz der offiziellen „Politik der Offenen Tür“ die Grenzen geschlossen zu haben und Flüchtlinge aus Syrien teils gewaltsam abzuweisen.

Erdoğan sagte, die Türkei leiste humanitäre Hilfe ohne Ansehen der notleidenden Person. „Schmerz kennt keine Farbe, keine Rasse, keine Sprache oder Religion.“ Er sprach sich für eine Reform der humanitären Hilfssysteme aus, die effektiver werden müssten. „Ich hoffe, dass der Gipfel als Wendepunkt dient.“

Merkel sagte, diese UN-Konferenz sei kein „Gebergipfel von neuen finanziellen Mitteln“, sondern ein Gesamtansatz zur Vorsorge, „um nicht von Krise zu Krise“ und zu lauter Einzelaktionen zu kommen. Es müssten Fonds verfügbar sein, wenn humanitäre Notlagen entstehen. (dpa/ dtj)