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Politik

Merkel in Erdoğans Palast: Geld, Flüchtlinge und Visa, aber keine Menschenrechte

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Keine vier Wochen nach den deutsch-türkischen Regierungskonsultationen ist Bundeskanzlerin Angela Merkel für einen Arbeitsbesuch in Ankara eingetroffen. Die Reise ist umstritten – auch weil sie erstmals den viel kritisierten Präsidentenpalast Ak Saray besucht.

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Angela Merkel und Ahmet Davutoğlu bei Merkels Besuch in Ankara
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Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist am Montag in Ankara zu Gesprächen mit der türkischen Führung über die Flüchtlingskrise eingetroffen – begleitet von Kritik der deutschen Opposition. Am Morgen war sie von Premierminister Ahmet Davutoğlu mit militärischen Ehren empfangen worden und begrüßte die Soldaten kurz auf Türkisch. Nachdem sie erstmals das Atatürk-Mausoleum Anıtkabir besuchte und dort Blumen niederlegte, ging es für Gespräche mit Davutoğlu zum Çankaya Köşkü, dem Palast des Premierministers.

Nach einer Unterredung mit Davutoğlu am Vormittag steht am Nachmittag ein Treffen mit Staatschef Recep Tayyip Erdoğan in dessen Präsidentenpalast auf der Tagesordnung. Laut türkischem Präsidialamt wird Merkel um 15 Uhr Ortszeit im Ak Saray genannten Palast erwartet. Allein der Ort des Besuchs ist ein Politikum und dürfte Merkel Kritik in Deutschland und der Türkei einbringen, da der widerrechtlich errichtete Palast Gegenstand heftiger Debatten ist und nicht nur von politischen Gegnern der Regierung als Symbol einer zunehmenden Machtkonzentration im Präsidialamt wahrgenommen wird. Daher hatten es deutsche Regierungsvertreter bisher vermieden, dem Präsidentenpalast einen offiziellen Besuch abzustatten. Bei Merkels Gesprächen soll es darum gehen, welchen Beitrag die Türkei zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen Richtung Westeuropa leisten kann und welche Hilfe sie dafür benötigt.

Hintergrund ist ein Ende November zwischen der EU und der Türkei vereinbarter Aktionsplan. Die Regierung in Ankara sagt darin unter anderem zu, die Grenzen besser zu schützen. Im Gegenzug hat die EU der Türkei mindestens drei Milliarden Euro für die Versorgung der nach türkischen Regierungsangaben knapp drei Millionen Flüchtlinge im Land versprochen. Zudem sollen die EU-Beitrittsverhandlungen und die Gespräche zur visafreien Einreise für Türken beschleunigt werden. In der EU werden die bisherigen Anstrengungen der Türkei als nicht ausreichend angesehen.

Kritik von der deutschen Opposition

Grünen-Parteichef Cem Özdemir bezweifelt, dass die Milliarden für die Türkei den Flüchtlingsandrang nach Europa bremsen könnte. „Allein Bezahlen wird es nicht lösen“, sagte Özdemir dem Radiosender MDR Info in Halle. „Dazu gehört natürlich auch, dass die Türkei und Griechenland ihre Ressentiments beiseitelegen müssen. Das Schlepper-Unwesen ist ja Teil der türkischen Ökonomie.“

Die Linke-Fraktionschefin im Bundestag, Sahra Wagenknecht, warnt die Bundesregierung davor, sich in der Flüchtlingskrise von der Türkei erpressen zu lassen. „Wir sollten aufpassen, dass Deutschland nicht immer stärker erpressbar wird von einem Regime, das mit unseren Wertvorstellungen nicht das geringste gemein hat und das eine Mitverantwortung für das ganze Desaster hat“, sagte sie dem SWR.

Aus Sicht des FDP-Europapolitikers Alexander Graf Lambsdorff leistet Merkels Türkei-Reise keinen ernsthaften Beitrag zur Bewältigung der Krise. „Wiederholte Reisen in die Türkei sind kein Ersatz für eine eigene organisierte Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, und die fehlt hier nach wie vor“, sagte Lambsdorff im Deutschlandradio. „Es ist ein einziges Gezänk in Berlin und da wird auch eine Reise in die Türkei nichts ändern.“

Die Türkische Gemeinde in Deutschland rief Merkel auf, bei ihrem Treffen mit Erdoğan auch die Verletzung von Menschenrechten in der Türkei anzusprechen. Auch wenn Ankara die Flüchtlingskrise als Trumpf nutze, müsse Merkel Missstände in der Türkei ansprechen, sagte ihr Vorsitzender Gökay Sofuoğlu am Montag der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“: „Merkel und die EU dürfen es der Türkei nicht durchgehen lassen, dass dort viele Menschenrechte, insbesondere die der Kurden, und die Pressefreiheit mit Füßen getreten werden.“

Göring-Eckart: Visa-Freiheit gerade wegen der Menschenrechtsverletzungen

Ähnliches forderte die Chefin der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, im ARD-„Morgenmagazin“. Dabei sieht sie eine Vorbildfunktion in der von der EU für die Türkei in Aussicht gestellten Visa-Erleichterung. „Wenn man möchte, dass die Türkei irgendwie noch auf den demokratischen Weg zurückkehrt (…), dann muss man für Visa-Freiheit sorgen“, sagte Göring-Eckart. „Das ist eine der Möglichkeiten, dass die Menschen dort sehen, wie es anders geht – gerade für junge Bürger in dem Land.“ Allerdings dürfe es dafür keinen Rabatt bei den Menschenrechten geben.

Die Türkei wird in der EU seit Jahren für Defizite bei der Rechtsstaatlichkeit und der Pressefreiheit kritisiert. Ihr kommt aber eine Schlüsselrolle in der Flüchtlingskrise zu. Sie ist für Migranten und Flüchtlinge das wichtigste Transitland auf dem Weg nach Mittel- und Nordeuropa.

Merkel war erst Mitte Oktober in der Türkei gewesen. Die letzten deutsch-türkischen Regierungskonsultationen liegen keine vier Wochen zurück. Der Türkei – die in der EU seit Jahren für Defizite bei der Rechtsstaatlichkeit und der Pressefreiheit kritisiert wird – kommt eine Schlüsselrolle in der Flüchtlingskrise zu. Sie ist für Migranten und Flüchtlinge das wichtigste Transitland auf dem Weg nach Mittel- und Nordeuropa.

(mit Material von dpa)