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Politik

Merkels Reise nach Gaziantep: Flüchtlinge ja, Menschenrechte nein

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Die Kanzlerin reist mit hochrangigen EU-Politikern in die Türkei. Sie wollen sehen, wie das Flüchtlingsabkommen mit Ankara umgesetzt wird. Kritiker im In- und Ausland klagen, Merkel vergesse dabei die Menschenrechte.

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Syrische Flüchtlinge in Gaziantep
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Zur Überprüfung des EU-Pakts mit Ankara besucht Kanzlerin Angela Merkel mit Brüsseler Spitzenpolitikern Flüchtlinge im südosttürkischen Grenzgebiet zu Syrien. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Freitag in Berlin: „Die ersten Schritte weisen in die richtige Richtung (…), es bleibt aber weiterhin viel tun.“

Am Samstagnachmittag kommt Merkel gemeinsam mit EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermans in der Provinz Gaziantep mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu zusammen. Zu viert besuchen sie das nahegelegene Flüchtlingslager Nizip, nehmen an der Eröffnung eines aus EU-Mitteln finanzierten Projekts für Kinder und Familien in Gaziantep-Stadt teil und treten in der dortigen Universität vor die Presse.

Die Provinz Gaziantep gehört zu den Regionen mit den meisten syrischen Flüchtlingen in der Türkei, an die 340.000 sollen es sein, 50.000 davon in Flüchtlingscamps. Das Auswärtige Amt rät von Reisen dorthin ab. In der Region agiert die Terrormiliz IS.

Auf Fragen, ob die Affäre um das umstrittene Gedicht des Satirikers Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan Thema sein werde, sagte Seibert, im Mittelpunkt des halbtägigen Aufenthaltes stehe die Umsetzung des Flüchtlingsabkommens. Er betonte aber: „Natürlich haben Themen der demokratischen Entwicklung, der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei immer ihre Bedeutung. Die Bundeskanzlerin hat sehr klar auf Entwicklungen hingewiesen, die uns Sorgen machen.“ Das spiele in Gesprächen immer die nötige Rolle.

Merkel „erdoğanisiert sich“

Der Chefredakteur der regierungskritischen türkischen Zeitung „Cumhuriyet“, Can Dündar, warf Merkel im Magazin „Der Spiegel“ vor, zu den Menschenrechtsverletzungen in der Türkei zu schweigen. Dündar droht eine lebenslange Haftstrafe, weil er über angebliche türkische Waffenlieferungen an syrische Islamisten berichtet hat. Auch der türkische Intellektuelle und Kolumnist Hasan Cemal geht hart mit Merkel ins Gericht: In der Flüchtlingsfrage „erdoğanisiere“ sie sich und verkaufe Grundfreiheiten, wenn sie gemeinsame Sache mit Erdoğan macht. Das Problem der EU sei nicht die Flüchtlingskrise, sondern eine Demokratie-, Freiheits- und Rechtskrise. Indem Merkel Erdoğan vorbehaltlos den Rücken stärkt, stärke sie auch die antidemokratischen Tendenzen in Europa.

Die Kurdische Gemeinde in Deutschland (KGD) kritisierte, dass Merkel ausgerechnet nach Gaziantep fahre. Die Stadt sei das türkische Logistik- und Finanzzentrum der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), erklärte die KGD am Freitag. DieTürkei befinde sich faktisch „im Krieg gegen die eigene kurdische Bevölkerung“.

Seibert verwies darauf, dass die Europäische Union mit zunächst drei Milliarden Euro und später noch einmal in dieser Größenordnung dazu beitragen wolle, dass Flüchtlinge in der Türkei menschenwürdig und sicher leben und ihre Kinder zur Schule gehen können. „Die Türkei hat in den vergangenen Jahren dazu große Anstrengungen gemacht. Jetzt teilen wir ihre Lasten und helfen, das Los der Flüchtlinge zu verbessern.“ Elend und Aussichtslosigkeit in Lagern seien Ursachen, die Flucht fortzusetzen. „Diese Ursachen wollen wir abbauen helfen.“

Das Abkommen mit der Türkei sieht die Rückführung aller Flüchtlinge und Migranten vor, die illegal aus der Türkei auf griechische Inseln übersetzen. Für jeden Syrer, der von den griechischen Inseln in die Türkei zurückgebracht wird, soll im Gegenzug einer legal und auf direktem Wege in die EU kommen können. (dpa/ dtj)