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Mesut Özil bei Fenerbahçe Istanbul: „Gott sei Dank“

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Einen Weltstar erkennt man an seinem Ruf, der ihm vorauseilt. Genau davon hat der einstige deutsche Fußball-Nationalspieler und Deutsch-Türke Mesut Özil genug. Schon vor seiner Ankunft in Istanbul hat er die Fans von Fenerbahçe in einen Ausnahmezustand versetzt. Tausende Anhänger fieberten schon mit, als das Flugzeug, in dem er saß, noch in der Luft war und konnten die Landung kaum erwarten.

Der Vereinsboss von Fenerbahçe ist ein einflussreicher Mann. Ali Koç gilt als einer der reichsten Türken und ist auch international eine Größe. Dennoch gibt er sich in der Causa Mesut Özil bereits seit Wochen bescheiden. „Wir stehen einer Verpflichtung von Mesut Özil heute näher, als in der Vergangenheit. Doch ich muss betonen, dieser Transfer ist für uns immer noch ein Traum“, so Koç nach dem letzten Ligasieg gegen Erzurumspor.

Damit erweist Koç dem Fußball-Weltmeister von 2014 die Ehre und schenkt ihm Vertrauen. Wer die Laufbahn von Özil näher verfolgt hat, wird wissen, dass Vertrauen und Lob genau der richtige Antrieb für das Genie sind. Druck und Misstrauen hingegen lassen den introvertierten Superstar eher verblassen. Davon war seine Zeit vor dem Kader-Rauswurf bei Arsenal London überschattet.

Özil ist immer noch einer der besten „Zehner“ der Welt

Heute ist der 32-Jährige fast wie ein Vereinsloser in die Türkei gewechselt. Das hat viele Gründe, aber diese sind weniger sportlicher Art. Mit seinen zum Teil glorreichen Karrierestationen bei Schalke 04, Werder Bremen, Real Madrid und zuletzt beim FC Arsenal kann Özil als der mit Abstand erfolgreichste türkeistämmige Fußballer aus Deutschland bezeichnet werden. Jeder nachfolgende offensive deutsch-türkische Fußballer wurde mit ihm verglichen, etwa Mehmet Ekici (derzeit vereinslos) und auch Hakan Çalhanoglu (AC Mailand). Doch Özils Erfolge und sein Talent sind bisweilen unvergleichlich geblieben.

Arsène Wenger schenkte ihm Vertrauen

Unter José Mourinho entwickelte sich Özil vom schlanken Dribbler zum genialen Torvorbereiter. Kein Geringerer als der portugiesische Weltstar Cristiano Ronaldo profitierte bei Real Madrid von seinen zahlreichen Vorlagen. Özil brach in seiner ersten Saison bei den Galacticos mit 16 Torvorlagen den langjährigen Assistrekord von Guti.

Doch nach dem Aus von Mourinho kam Carlo Ancelotti. Eine andere Taktik, ein anderer Druck. Die kreative Freiheit sollte hinter den kämpferischen Einsatz weichen. Zudem gab es nach Rekordeinkäufen mit dem Kolumbianer James Rodriguez auch noch den Druck der Konkurrenz. Unter diesen Umständen kam das Angebot von FC Arsenal zum richtigen Zeitpunkt. Trainerlegende Arsène Wenger holte Özil mit Vertrauen und einer starken Überzeugung von seinem Talent.

Trainerwechsel bei Arsenal: Unai Emery verspielte das Talent von Özil

Die sagenhafte Trainerkarriere von Wenger bei Arsenal ging 2018 nach 22 Jahren im Amt zu Ende. Das war für viele Fans der Gunners, aber auch für Özil, ein schwerer Schlag. Denn Wenger hatte Özil zu einem besseren Profi und einem kompletteren Spieler geformt. Der Spanier Unai Emery wurde Nachfolger von Wenger und scheiterte schnell. Bereits unter Emery wurde Özil oft für die Spielweise der Mannschaft und die fehlenden Erfolge verantwortlich gemacht. Letztlich lieferte Özil trotzdem einige herausragende Leistungen. Doch das Vertrauen von Wenger war nicht mehr da. Emery brauchte einen Sündenbock. Nach seinem Rauswurf nach nur 78 Spielen lästerte Emery über den Spielmacher: „Özil ist ein sehr wichtiger Spieler, (…) aber wenn man ein etwas aggressiveres Pressing spielen will, dann hat er dafür nicht die besten Qualitäten.“

Neu-Trainer Mikel Arteta verschwendet Özil komplett

Nach Emery hätte es kaum schlimmer kommen können. Doch tatsächlich kam es erst mit seinem ehemaligen Mitspieler und amtierenden Arsenal-Trainer Mikel Arteta zur absoluten Eskalation. Özil wurde weder für die Premier League noch die Europa League gemeldet. Welch eine Demütigung. Ob tatsächlich lediglich sportliche Gründe hinter dem Quasi-Rauswurf Özils stecken, ist bis heute nicht ganz geklärt. Dazu später mehr.

Arteta deutete in einem Interview über seine Entscheidung ein Kompetenzgerangel an. „Am Ende entscheide ich“, so der Spanier. In der Presse hieß es oft, Özil sei ein Problemspieler. Doch das dem nicht so ist, stellte schließlich wieder Wenger klar. „Er war nicht schwierig zu managen. Er war ein Spieler, der besondere Qualitäten als kreativer Spieler hatte und Spaß haben musste“, so die Trainerlegende.

Der politische Özil in den sozialen Medien

Özil genießt auf der ganzen Welt großen Zuspruch. Allein auf Facebook, Instagram und Twitter erreicht der Superstar 80 Millionen Follower auf einen Schlag. So ist die politische, bzw. soziale Seite von Özil auch schnell ein Politikum. Dies zeigte sich auch im Laufe seines Austritts aus der deutschen Fußballnationalmannschaft, nachdem Özil mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan posierte.

Von ihm wurde politische Neutralität gefordert und seine Unterstützung für den türkischen Machthaber kritisiert. Während Ilkay Gündoğan sich für das Foto entschuldigte und in der DFB-Elf blieb, zog sich Özil zurück, um am Ende seinen Austritt aus der deutschen Auswahl zu verkünden. Er warf den Verantwortlichen und den Medien Diskriminierung und Rassismus vor. Seither fällt Özil mit einem deutlichen Bekennertum zu seinen türkischen Wurzeln auf. Seine Verehrung für Präsident Erdoğan ist auch kein Geheimnis. Immerhin soll es jüngst zu einer Aussöhnung zwischen ihm und dem DFB gekommen sein.

Support für Uiguren versteckter Grund für den Rauswurf?

Ein Foto und der Umgang damit führten zum Aus in der Nationalmannschaft, ein Post in den Sozialen Medien beschleunigte jenes in London. Was war geschehen? Ende 2019 kritisierte Özil via Social Media das unmenschliche Vorgehen der chinesischen Regierung gegen die muslimische Minderheit der Uiguren. Der gläubige Moslem schrieb auf Türkisch: „(…) es werden Korane verbrannt, Moscheen geschlossen (…) und trotzdem schweigt die muslimische Welt (…). Hz. Ali (ra) sagte: Wer keine Grausamkeit verhindern kann, der soll sie zumindest der ganzen Welt verkünden (…)“.

Das Problem: Hinter Arsenal London stecken auch chinesische Investoren. Sie bauten unmittelbar nach den Özil-Aussagen enormen Druck auf den Verein auf. Erst nachdem sich die Arsenal-Führung von Özils Aussagen distanzierte, wurde der Übertragungs-Boykott für die Arsenal-Spiele in China offenbar rückgängig gemacht.

Özil: „Fenerbahçe ist mein Lieblingsverein“

Fenerbahçe und den Anhängern dürfte das herzlich egal sein. Die Schaltzentrale des Traditionsvereins ist seit dem Abgang des brasilianischen Spielmachers Alex de Souza ein chronisches Problem. Özil-Mitspieler „Diego Ribas“ aus seiner Zeit bei Werder Bremen oder andere Brasilianer wie Giuliano konnten diese Lücke nicht füllen. Die Hoffnung ist nun groß, dass Özil dies schafft.

Mit ihm hat man nun einen Weltstar an Land gezogen, der sich auf allen Ebenen bewiesen hat. Zudem hat er türkische Wurzeln und wird sich vermutlich schnell integrieren. Außerdem gibt sich Özil bei seinem Transfer bescheiden und zeigt sich aufgeregt. „Jeder weiß, dass ich schon immer ein Fener-Fan gewesen bin. Ich bin sehr aufgeregt, für diesen Verein aufzulaufen. Was soll ich da noch sagen? Gott sei Dank“. Sie klingen zusammen mit seiner Vorgeschichte überzeugender als die vielen Floskeln, die Fußballstars bei ihren Transfers vollmündig verkünden.

„Fener“ als Abstieg oder Ausdruck großer Leidenschaft?

Wie viel er in London im Jahr verdient hat, ist nicht ganz klar, es soll sich aber um einen zweistelligen Millionenbetrag gehandelt haben. Bei Fenerbahçe werden es deutlich weniger sein, aber für Süper Lig-Verhältnisse immer noch sehr viel. Von bis zu 5 Millionen Euro plus Handgeld ist die Rede. Ein Name wie Özil hätte mit 32 Jahren auch in die USA oder nach China wechseln können. Auch ein Wechsel zu einem der Top-Clubs in Europa wäre sicher noch drin gewesen. Doch Özil wechselt in die Türkei. Damit beweist der Sportler Haltung und zieht seine Leidenschaft finanziellen Argumenten vor.

Zwar sehen Kritiker hinter dem Transfer auch ein vorgezogenes Ende seiner Karriere. Doch mit den ambitionierten Zielen von Fenerbahçe und der geplanten Vertragslaufzeit von mehr als drei Jahren ist das kaum vereinbar. Auch für den Trophäen-Sammler Özil wäre so eine Ziellosigkeit eher untypisch. Wie gut der Spielmacher in der knochenharten türkischen Liga spielen kann, wird sich zwar noch zeigen. Aber von so einem feinen Füßchen dürfen sich alle Fußball-Fans hochkarätigen Fußball erhoffen.

Ganz besonders natürlich jene, die es mit Fener halten.

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