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Politik

MHP: Die Gefahr von rechts

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Die Wut in der Bevölkerung über den jahrzehntelangen blutigen Terror der PKK sitzt tief. Das schadet der AKP und eröffnet der Idealistenbewegung, aber möglicherweise auch der Saadet, die Chance auf einen politischen Terraingewinn. (Foto: iha)

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MHP: Die Gefahr von rechts
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Die Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) mit ihrem Parteichef Devlet Bahçeli (Foto) gewinnt aktuellen Umfragen zufolge an Boden. Die bedeutendste politische Kraft innerhalb der Idealistenbewegung hat sich klar gegen die Bemühungen der Regierung in Ankara gestellt, mit der kurdischen Terrororganisation (PKK) über einen Frieden zu verhandeln.

Während die regierende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) sich von den Verhandlungen ein Ende der Gewalt erhofft, betrachtet die MHP jedwede Verhandlung mit Terroristen als Zeichen der Schwäche, welche die Zukunft des Landes gefährde.

Geht man davon aus, dass auch ein nicht unerheblicher Teil der AKP-Wählerschaft nicht völlig frei von nationalistischen Ressentiments ist, ist es nicht auszuschließen, dass die strikt ablehnende Haltung der MHP gegenüber dem Friedensprozess auch den einen oder anderen konservativen Wähler anziehen könnte.

Zehntausenden Menschen hatte die PKK ihre Angehörigen genommen

Um besser verstehen zu können, warum der Verhandlungsprozess gerade der MHP so stark nützt, ist es nötig, die öffentliche Wahrnehmung der PKK und ihres Führers Abdullah Öcalan in der Öffentlichkeit zu betrachten. Sie gehören seit Jahrzehnten zu den meistgehassten Kräften des Landes und Umfragen zeigen, dass immer noch eine überwiegende Mehrheit der Bürger strikt gegen eine mögliche Freilassung Öcalans im Gegenzug zu einem Ende der Gewalt durch die PKK.

Genau aus diesem Grund weist die AKP-Regierung vehement jedweden Gedanken zurück, Öcalan oder andere inhaftierte Terroristenführer der PKK am Ende des Friedensprozesses freizulassen. Allerdings hat es die AKP bislang auch nicht geschafft, die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass Öcalan oder die PKK bereit wären, der Gewalt ohne noch größere politische Zugeständnisse abzuschwören.

Trotz des Drucks auf Mainstreammedien, den Friedensprozess als solchen nicht zu hinterfragen, machen sich in der Bevölkerung Unmut und der Eindruck breit, es gehe irgendetwas Zweifelhaftes hinter den Kulissen ab und die Regierung erzähle den Menschen nicht die Wahrheit.

Erstmals nach zehn Jahren an der Regierung ist die AKP in der Verlegenheit, ihre politischen Entscheidungen rechtfertigen zu müssen. Um den Friedensprozess besser erklären zu können, hat sie einen „Rat der Weisen“ gebildet, um auf die Menschen zuzugehen und die negativen Reaktionen auf die Entwicklung zu besänftigen.

Erdoğan schafft es nicht, den Fokus zu verschieben

Darüber hinaus hat Premierminister Recep Tayyip Erdoğan selbst versucht, seinen persönlichen Charme zu nutzen, um die Menschen davon zu überzeugen, dass außer überfälligen Verbesserungen der Minderheitenrechte keine Zugeständnisse an Öcalan und die PKK im Austausch für Frieden gemacht worden wären. Auch das hilft aber nicht. Die Beflissenheit, mit der die AKP-Regierung versucht, Gerüchte zu bekämpfen, sie könnte Öcalan zu weit entgegenkommen, um bis zu den Wahlen einen Waffenstillstand zu erreichen, facht diese erst recht an.

Erdoğan versucht nun, die MHP auf einer anderen Ebene anzugreifen. Er fordert die MHP dazu auf, den Bürgern reinen Wein einzuschenken über die Entwicklung des Staatshaushalts während ihrer Regierungszeit. Dieser Schritt hilft ihm aber nicht viel, denn er verfehlt damit das Thema, das die Menschen derzeit am meisten beschäftigt. Und das ist nun mal der Friedensprozess. Und je länger die Menschen darüber reden, umso stärker werden ihre Bedenken.

Erdoğan und die AKP stehen vor Problemen innerhalb des Friedensprozesses und versuchen, Lösungen zu finden. In den letzten Tagen ging Erdoğan in die Offensive und richtete die Frage an die PKK, warum man die Todesstrafe an Öcalan denn nicht vollstrecken ließ, als man an der Regierung war, statt jetzt die AKP dafür zu kritisieren, dass sie sich unter Beteiligung Öcalans um Frieden bemüht.

„Rückkehr der Untoten“ nach Ende der 10%-Hürde?

Aber auch, wenn Erdoğan diese Karte spielt und die Bilanz der MHP mit Blick auf Öcalan in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken versucht, bleibt der Eindruck, der Premierminister befinde sich in Bedrängnis angesichts der steigenden Umfragewerte für die MHP. Denn es könnte wieder auf die AKP zurückfallen, wenn die Frage nach der unterbliebenen Hinrichtung des PKK-Führers auf die Tagesordnung kommt. Öcalan selbst hat kein Interesse an einer Debatte über eine mögliche Wiedereinführung der Todesstrafe, weil er weiß, dass eine solche, sollten die Dinge politisch außer Kontrolle geraten, sein eigenes Leben gefährden würden.

Was für die AKP ebenfalls gefährlich werden könnte, ist, dass die Senkung der Sperrklausel für den Parlamentseinzug von derzeit 10 auf 7 oder 5% mit Blick auf die PKK-nahe BDP als eine der Friedensvoraussetzungen gilt. Sollte dies geschehen, könnte es passieren, dass ein Teil der AKP-Wähler zu ihrer früheren Partei, der einst von Ex-Premierminister Necmettin Erbakan gegründeten „Glückseligkeitspartei“ (SP), zurückkehren könnten. Andere könnten die MHP unterstützen.

Im letzten Jahr habe ich bemerkt, dass viele Menschen die Politik und das Gebaren der AKP als arrogant beschrieben, aber keine akzeptable Alternative sahen. In den letzten Monaten ist die Bereitschaft, sich aus Protest der MHP oder SP zuzuwenden, gestiegen.

Im Moment ist die Partei der Grauen Wölfe jedenfalls im Aufwind. Ob sie es schaffen wird, politische Programme und Antworten zu formulieren, die ihr erlauben, diesen Trend zu stabilisieren, ist jedoch ungewiss.

Autoreninfo: Emre Uslu ist Sicherheitsexperte und Kolumnist. Er schreibt für die türkischen Zeitungen „Taraf“ und „Today’s Zaman“.