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Gesellschaft

„Wir betrachten die Kinder der Gastarbeiter immer noch als Migranten“

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Erfolgreiche Einwanderer sollen ihre Geschichten erzählen. Dazu forderte Staatsministerin Maria Böhmer im Rahmen einer Podiumsdiskussion in Ludwigshafen auf. Auch hier zeigte sich, welche Chancen Vielfalt in der Gesellschaft biete.

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Maria Böhmer und Aygül Özkan auf einer Podiumsdiskussion in Ludwigshafen.
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Die Bundesbeauftragte für Integration, Prof. Maria Böhmer (re.) hatte vor einigen Tagen zu einer Podiumsdiskussion zum Thema „Vielfalt als Chance“ ins Haus Kulturzentrum Ludwigshafen geladen. Dabei ging es vor allem um die Vorteile einer vielfältigen Gesellschaft, um die Bereicherung, die Deutschland dadurch erfährt und um Geschichten von erfolgreichen Migranten bzw. Kindern von Migranten, die etwas erreicht haben.

Eingeladen waren Aygül Özkan (CDU-Politikerin) und Songül Bechtum (Rechtsanwältin), Dr. med. Mustafa Değirmenci (Facharzt für Urologie) und Dr. med. dent. Kadir Aksoğan (Zahnarzt) von Medical Academy & Care.

Integrationspolitikerin Böhmer: „Geschichten verbinden“

Böhmer betonte die Wichtigkeit und Notwendigkeit aktiver Integrationsarbeit. „Wie lange ist ein Migrant eigentlich ein Migrant?“, fragte sie ins Publikum. „Wir haben in Deutschland das Problem, dass wir die Kinder der einst von uns angeworbenen Gastarbeiter immer noch als Migranten sehen“, fügte sie hinzu. „Ja, diese sogenannten Gastarbeiter kamen vielleicht nur für ein Jahr. Aus diesem einen Jahr wurden zwei, drei, dann vier Jahre. Schließlich wurde es zu einem ganzen Leben“, ergänzte sie reflektierend.

Es würden viele Geschichten hinter diesen Jahren stecken, die hier verbracht wurden. Und auf diese Geschichten komme es an, denn Geschichten würden Menschen unterschiedlicher Herkunft verbinden, so die Staatsministerin. So komme auch die Vielfalt der eigenen Geschichte zum Vorschein. Und diese Vielfalt solle genutzt werden. „Wir setzten ein Zeichen, dass wir Migranten als Teil unserer Vielfalt anerkennen und willkommen heißen, in dem wir zum Beispiel die Anerkennung im Ausland erworbener Berufsabschlüsse einführten. Das Wissen darum muss sich bundesweit vermehren“, betonte Böhmer stolz.

Bilinguale Erziehung in der frühkindlichen Erziehung

Den weiteren Abend schmückten sowohl die Erfolgsgeschichte der früheren Ministerin Aygül Özkan (2. v. re.) aus Niedersachsen und weitere drei Erfolgsgeschichten – jene von Rechtsanwältin Songül Bechtum (2. v. li.), Urologie-Facharzt Dr. Mustafa Değirmenci (mi.) und Zahnarzt Dr. Kadir Aksoğan (li.). In der darauffolgenden Podiumsdiskussion wurden unterschiedliche Themen wie bilinguale Erziehung angesprochen.

„Es ist sinnvoll, wenn das Kind eine Bezugsperson hat, mit der es eine bestimmte Sprache spricht“, betonte Aygül Özkan. „Ich spreche mit meinem Kind zu Hause nur Türkisch und sobald jemand dabei ist, der diese Sprache nicht versteht, erkläre ich ihm, dann die Sprache zu sprechen, die die Mehrheit versteht, also Deutsch. Mein Mann spricht andererseits konsequent nur Türkisch mit unserem Kind. Das fördert seine mehrsprachige Entwicklung.“

„Wir, die Bundesregierung, haben es viel zu lange ‚verboten‘ oder für unerwünscht erklärt, dass zu Hause die Muttersprache gesprochen wird. Als Resultat sprachen die Kinder weder richtiges Türkisch noch richtiges Deutsch. Ich habe gesehen, dass es vor allem wichtig ist, dass mit dem Kind, welches in einer bilingualen Familie aufwächst, vor allem die Sprache gesprochen wird, die man am besten beherrscht“, unterstrich Özkan.

Deutschland oder Türkei – wo ist die Heimat?

Ebenso fiel die Frage, ob man sich denn nun eher deutsch oder türkisch fühle. „Ich nehme mir das Beste aus beiden Kulturen“, teilte Rechtsanwältin Songül Bechtum mit, die mit einem Deutschen verheiratet ist. „Sowohl hier in der Pfalz als auch in der Türkei ist meine Heimat. So wie ich den Zusammenhalt der Familie bei den Türken schätze, schätze ich die Pünktlichkeit der Deutschen. Von daher bereichert mich das alles nur“, so die Anwältin.

Vorbildfunktion erfolgreicher Migranten

Auch die Tatsache, dass Personen wie Dr. Mustafa Değirmenci, Dr. Kadir Aksoğan oder eben Songül Bechtum als Vorbilder für die junge Generation betrachtet werden können, kam zur Sprache. „Selbstverständlich motiviert es junge Leute, wenn einer aus dem nahen Bekanntenkreis in Deutschland Arzt wird“, berichtete Değirmenci, der selbst auch jahrelange Bildungsarbeit für Kinder mit Migrationshintergrund geleistet hat. Es sei jedoch schade, dass in Deutschland Einwanderer immer noch größere Schwierigkeiten hätten, einen Arbeitsplatz zu bekommen.

Prof. Maria Böhmer sprach sich zum Abschluss des Abends deutlich dafür aus, dass sich die Willkommenskultur endlich etablieren müsse. „Ziel unserer Integrationspolitik ist es, allen Menschen die Chancen für sozialen Aufstieg zu bieten“, betonte die CDU-Politikerin. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sich letztlich darin einig, dass sowohl mehr Bildungsanstrengungen für die kommende Generation als auch ein Ausbau der Willkommenskultur Deutschlands notwendig seien. Denn „Vielfalt als Chance“ sei nicht nur ein Werbeslogan, sondern Tatsache.