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Politik

Mit „Davul Zurna“ auf die CDU einwirken

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EU-Ausländer dürfen in Deutschland seit Abschluss des Maastrichter Vertrags wählen. Türkische Staatsbürger können im logischen Schluss hiervon nicht profitieren. Eine Initiative macht mit unorthodoxen Mitteln auf sich aufmerksam.

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Wer darf hierzulande wählen, wer nicht? Seit Jahren streiten sich Politik und ausländische Bürgervertreter bei dieser Frage. Und wenn etwa ein türkischer Spitzenpolitiker nach Deutschland kommt, kocht die Debatte besonders hoch, da dann zumeist türkischer Wahlkampf ansteht.

Mittlerweile dürfen in Deutschland lebende Türken auch hierzulande ihre Stimmen für die Parteien in der Türkei abgeben, ermöglicht hat das die AKP. Bereits bei drei Wahlen haben jeweils etwas weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten davon Gebrauch gemacht.

Anders sieht es mit dem Wahlrecht in Deutschland aus. Während EU-Ausländer seit dem Abschluss des Maastrichter Vertrags wahlberechtigt sind, trifft das für türkische Staatsbürger nicht zu – weil die Türkei kein Mitglied der EU ist. Seit Jahren hält Brüssel Ankara in dieser Frage hin, in den letzten Jahren hat auch die Türkei sich innen- wie außenpolitisch vom einst großen EU-Traum verabschiedet. Auch wenn die Flüchtlingsfrage derzeit eine Annäherung zwischen der EU und der Türkei andeutet, an eine Vollmitgliedschaft glaubt inzwischen nicht mal mehr der größte Optimist.

Das führt auch dazu, dass die Türken hier stark politisiert sind – aber hauptsächlich in Bezug auf die türkische Politik. Dem will die Initiative Kommunales Wahlrecht (IKW) entgegenwirken. Während einer Debatte über Kinderarmut und den Landeshaushalt im NRW-Landtag, versammelten sich am Mittwochnachmittag etwa 200 Menschen vor dem Landtagsgebäude, die die Aufmerksamkeit auf das Kommunalwahlrecht für Nicht-EU-Bürger lenken wollten.

Die IKW besteht aus 95 unterschiedlichen Vereinen und Verbänden. Von jeder Gesinnung seien Menschen unter dieser Initiative vereint, sagt Bahattin Gemici, Vorsitzender der Initiative. Mit fünf großen Trommeln habe man die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und insbesondere auf die Christdemokraten und Liberalen einwirken wollen, damit diese sich für die Einführung des kommunalen Wahlrechts positionieren.

Mehrheit der deutschen für ausgeweitetes Kommunalwahlrecht

Seit der Unterzeichnung des Maastrichter Vertrags 1992 können auch EU-Bürger an den Kommunalwahlen in Deutschland teilnehmen. Entsprechend werden die Türken ausgeklammert. Überhaupt sind von den insgesamt knapp 1,7 Millionen theoretisch wahlberechtigten Ausländern in NRW rund 710.000 nicht aus einem EU-Staat und deshalb nicht wahlberechtigt.

Die Türken sowie andere Drittstaatler sind aber der Meinung, dass sie das Recht dazu hätten, an ihrem Wohnort zu wählen, da sie ja auch Steuern zahlten. Dafür hatten sie auch lange Jahre gekämpft, doch mit der Zeit geriet diese Forderung in den Hintergrund. Vermutlich auch deshalb, weil viele der Türken die deutsche Staatsbürgerschaft beantragten und zumindest für diese das Thema nunmehr eine eher mindere Rolle spielte.

Die Forderungen der Türken blieben weitestgehend unerhört – bis der Landesintegrationsrat vor wenigen Monaten eine Offensive startete.

Er beauftragte das Meinungsforschungsinsitut infratest dimap mit der Durchführung einer Umfrage. Es sollte herausgefunden werden, wie die Bevölkerung zum kommunalen Ausländerwahlrecht steht.

Ergebnis: 62 Prozent der deutschen Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen haben sich für die Einführung des kommunalen Wahlrechts für alle dauerhaft in Deutschland lebenden Menschen ausgesprochen. Tayfun Keltek, Vorsitzender des Kölner Integrationsrates, forderte daraufhin, dass das Land „das Votum der Wählerinnen und Wähler nun umsetzt und das kommunale Wahlrecht für alle Ausländerinnen und Ausländer in NRW ermöglicht“.

Kommunalwahlrecht vs. Einbürgerung

Im nordrhein-westfälischen Landtag arbeitet derzeit eine Kommission zur Reform der nordrhein-westfälischen Verfassung, die auch das Ausländerwahlrecht thematisiert.

Joachim Stamp, integrationspolitischer Sprecher und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP-Landtagsfraktion, sagt, dass selbst eine Änderung der Landesverfassung das Thema nicht so einfach lösen könne. „Das Wahlrecht für ausländische Bürger aus Staaten außerhalb der EU lässt sich nicht im Landtag beschließen, da hierfür eine Grundgesetzänderung durch Bundestag und Bundesrat notwendig ist“, so Stamp. Dennoch könnte die Verfassungskommission des Landes eine Initiative starten, die sich auf die gesamte Bundesrepublik ausweiten könnte. In Berlin steht vor allem Union einer entsprechenden Änderung gegenüber. Dort lautet das Argument, ein solches Recht würde die Einbürgerung nutzlos machen.

In einer Expertenanhörung erklärten Juristen, dass ein entsprechender Gesetzesentwurf im Falle einer Klage eine Chance vor dem Bundesverfassungsgericht hätte.

„Einige Verfassungsrechtsexperten kamen zu dem Entschluss, dass es durchaus verfassungskonform wäre, das Kommunalwahlrecht für Drittstaatangehörige auch auf Landesebene einzuführen“, sagt Arif Ünal, migrationspolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion. Um die Landesverfassung zu verändern, bedarf es einer Zweidrittel-Mehrheit. Grüne, SPD und Piraten unterstützen diesen Vorstoß. Im Prinzip steht ein solches Recht auch im Grundsatzprogramm der FDP. Aber Ünal glaubt, dass neben der CDU auch die FDP mit ihrem Verhalten das Vorhaben nur blockiere. „Diese Menschen leben seit Jahrzehnten hier, zahlen Steuern, schaffen Arbeitsplätze, leisten einen enormen gesellschaftlichen Beitrag und dürfen trotzdem nicht partizipieren und ihre BürgermeisterIn wählen. Das ist eine Ausgrenzung und Ungleichbehandlung, die nicht hinnehmbar ist.“

Ob die Trommeln gewirkt haben, die im türkischen Kontext sonst eher bei feierlichen Anlässen zum Einsatz kommen, wird sich in den kommenden Wochen zeigen.