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Politik

Mit dem IS geht es militärisch bergab

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Der IS hat 2015 große und strategisch wichtige Gebiete verloren. Darüber hinaus hat die irakische Armee gestern mit einer Großoffensive begonnen. Auch der Streit zwischen Bagdad und Ankara scheint dank amerikanischer Vermittlung zu enden.

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Die Terrormiliz Islamischer Staat hat im abgelaufenen Jahr in Syrien und im Irak große Regionen verloren. Das Herrschaftsgebiet der Dschihadisten schrumpfte von Januar bis Anfang Dezember um etwa 14 Prozent, wie der militärische Branchendienst „IHS Jane’s Conflict Monitor“ schätzt. Vor allem kurdische Einheiten eroberten im Norden Syriens entlang der Grenze zur Türkei viel Territorium zurück. Auch Iraks Armee konnte den IS mit Hilfe der US-geführten internationalen Koalition zurückdrängen.

Am Dienstag begann ein neuer Vorstoß: Irakische Einheiten begannen im Westen des Landes mit einem Großangriff auf das Zentrum der strategisch wichtigen Stadt Ramadi, Hauptstadt der Provinz Al-Anbar. Die Armee habe den Fluss Euphrat überquert und sei in zwei Innenstadtviertel vorgedrungen, erklärte ein Militärsprecher. Allerdings hatte die irakische Armee bereits mehrfach angekündigt, Ramadi zurückzuerobern, war aber bisher immer gescheitert.

Vorher hatte die irakische Luftwaffe Flugblätter über der Stadt abgeworfen, auf denen die Einwohner aufgefordert wurden, Ramadi innerhalb von 72 Stunden zu verlassen, um bei der Offensive nicht zwischen die Fronten zu geraten. Der IS versuche aber, das zu verhindern. Laut Angaben irakischer Sicherheitskräfte haben Bewohner davon berichtet, dass der IS gedroht habe, alle zu erschießen, die der Aufforderung der irakischen Armee Folge leisten. Einem irakischen Armeesprecher zufolge sehe er die 50.000 verbliebenen Einwohner unter seiner Kontrolle als seine Geiseln. Familien, die die Stadt verlassen wollen, müssten demnach umgerechnet 5600 Euro Lösegeld an die Terrormiliz zahlen.

Der IS hatte Ramadi im Mai eingenommen. Es war einer der größten Erfolge der Extremisten in diesem Jahr. Mit Hilfe von Luftangriffen der US-geführten internationalen Koalition versucht die irakische Armee seit Monaten, die Stadt zurückzuerobern.

Erhebliche Gebietsverluste 2015

Laut „IHS Jane’s Conflict Monitor“ verkleinerte sich das IS-Gebiet, von der Miliz „Kalifat“ benannt, in diesem Jahr aber um rund 12 800 auf nun 78 000 Quadratkilometer. Das entspricht in etwa der Fläche der Tschechischen Republik. Große Teile des IS-Herrschaftsgebiets bestehen allerdings aus Wüste.

Im Irak verloren die IS-Extremisten die Stadt Tikrit, die Stadt Baidschi samt der großen Erdölraffinerie dort sowie ein Teil der wichtigen Verbindungsstraße zwischen Mossul und der IS-Hochburg Al-Rakka. Das erschwert dem IS der Analyse zufolge den Transport von Gütern und Kämpfern.

Gebietsgewinne verzeichnete die sunnitische Terrormiliz hingegen bei der Eroberung Ramadis im Mai und bei ihrem Vorstoß im Westen Syriens. Dort brachte sie die historische Oasenstadt Palmyra unter Kontrolle und rückte näher an die Hauptstadt Damaskus heran.

Im Norden Syriens drängten die kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) den IS unter anderem aus der monatelang umkämpften Grenzstadt Kobanê zurück. Die syrischen Kurden konnten den Analysten zufolge das Gebiet unter ihrer Kontrolle mehr als verdopplen. Nach weiteren Erfolgen kontrollieren sie mittlerweile den größten Teil der Grenze zur Türkei.

Laut den Militäranalysten zog der IS Kämpfer von der Front zu den Kurden im Norden ab, um anderswo in die Offensive zu kommen. Das weise darauf, dass die Miliz überdehnt gewesen sei und ihr andere Gebiete wichtiger seien.

Krise zwischen Bagdad und Ankara nach amerikanischer Initiative gelöst

Im irakischen Teil der kurdischen Siedlungsgebiete sorgte unterdessen die Stationierung türkischer Soldaten für eine diplomatische Krise zwischen Bagdad und Ankara, die dem Kampf gegen die Terrormiliz in den letzten Wochen nicht zuträglich war. Die türkische Armee hatte mehrere Hundert Soldaten in den Nordirak entsandt, um kurdische Peschmerga für den Kampf gegen den IS auszubilden.

Ankara berief sich dabei auf eine Zusage, die Bagdad zur Entsendung der Truppen gemacht habe, Bagdad wies das entschieden zurück. Am Wochenende dann wurde die Entscheidung der türkischen Regierung bekannt, die Soldaten aus dem Lager Baschik, nahe der Millionenstadt Mossul, abzuziehen.

Einen wesentlichen Einfluss auf die türkische Entscheidung, einen Schritt auf die irakische Regierung zuzugehen, soll ein Telefonat zwischen Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan und US-Präsident Barack Obama gehabt haben. Obama soll Erdoğan am späten Abend des 18. Dezember angerufen haben, als dieser gerade eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats (MGK) leitete. In einem Statement des Weißen Hauses zum Inhalt des Gesprächs heißt es, Obama habe seinen türkischen Amtskollegen dazu aufgefordert, alle nötigen Schritte einzuleiten, um die Spannungen mit dem Irak zu verringern, vor allem durch den Abzug türkischer Truppen. Außerdem habe er erneut die Notwendigkeit betont, dass die Türkei die Souveränität und die nationale Integrität des Irak achtet.

Daraufhin hätten sich die beiden Staatsmänner einigen können, gemeinsam diplomatische Anstrengungen zu unternehmen, um die Spannungen zu verringern und den Kampf gegen den IS besser zu koordinieren. „Der Präsident hat den Wert des türkischen Beitrags zum Kampf gegen den IS betont und die beiden Staatsmänner haben darüber gesprochen, die Kooperation in Syrien zu vertiefen, inklusive gemeinsamer Anstrengungen, um die moderate syrische Opposition zu stärken, den Druck auf den IS zu erhöhen sowie gemeinsamer Anstrengungen, um die Bedingungen für eine Verhandlungslösung für den Konflikt zu erreichen“, heißt es in der Erklärung des Weißen Hauses. Ankara hatte sich bisher darauf berufen, dass der IS in der Region stark sei und die Soldaten zum Schutz der Ausbildungskräfte eingesetzt werden müssten.

In seinem Herrschaftsgebiet haben der IS und sein Anführer Abu Bakr al-Bagdadi ein Islamisches Kalifat ausgerufen, in dem sie ein Gewaltmonopol mit Polizei und Geheimdienst errichtet haben. Der IS kassiert Steuern und betreibt eine eigene Justiz. Die Extremisten beherrschen zudem das Bildungssystem, organisieren Sozialunterstützung und verteilen Saatgut an Bauern. (dpa/dtj)