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Kolumnen

Mit Rumi und Yunus Emre gegen Hass und Feindseligkeit

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Über Konzentrationslager (KZ) und die Situation der mit ihnen stets verbundenen zahllosen Opfer hatte ich bereits einige Filme und Dokumentationen gesehen. Wie Nationalsozialisten Millionen von Menschen brutal ermordeten, darüber wollte ich mir diesmal vor Ort ein Bild machen.

Auf dem Rückweg aus Wien erfuhr ich dann vom größten deutschen KZ in Österreich. Das KZ Mauthausen (1938-45) wurde auf einem Hügel, hauptsächlich von Opfern selbst unter der brutalstmöglichen Aufsicht ihrer Peiniger errichtet. Vor Ort hatte ich das Gefühl, dass es immer noch nach verbrannten Menschenleichen roch – eine furchtbare Erfahrung für mich persönlich und zugleich ein tiefgreifender Einblick in ein zentrales Kapitel deutscher – um nicht zu sagen – europäischer Geschichte.

Das KZ dient seitdem als Museum. Im Zentrum liegt ein großer Hof. Auf dem Gelände wurden damals insgesamt 30 Baracken erbaut. Wenn man durch das große Eingangstor herein kommt, sieht man unterschiedliche Bereiche, wo die Opfer nach Krankheiten und Berufen sortiert in Quarantäne isoliert bzw. separiert zugeordnet wurden. Im Keller des Konzentrationslagers befinden sich die Gaskammer und Öfen – alles auf einer Fläche von insgesamt rund 25.000 m².

Ungewollt zuckte ich zusammen. Eine andere Reaktion wäre ohnehin kaum denkbar gewesen, wenn man bedenkt, dass allein hier etwa hunderttausend Menschen grausam ermordet und vernichtet worden sind – alle Opfer eines totalitären Staatssystems. Dabei stellte ich mir immer wieder dieselbe Frage: Wie ist es möglich, dass Menschen so grausame Gräueltaten an ihren Mitmenschen verüben? Menschen – wir nennen sie Täter – ermorden mit voller Absicht Tausende unschuldige Menschen, pferchen sie wie Tiere zusammen, töten, vergasen und verbrennen sie mit verschiedenen Foltermethoden bei lebendigem Leib – was für eine Barbarei und was für eine menschenverachtende Ideologie! Wie können Menschen überhaupt so ein bestialisches Verbrechen begehen? Es folgen Fragen ohne Antworten, die sich in mein Gedächtnis hineinbohren. Wie will man diese animalischen Kreaturen bezeichnen, die diese Unmenschlichkeiten begangen und so viele unschuldige Menschen auf brutalster Weise ermordeten?!

HASS. Nur so ein ungeheuerlich großes Hassgefühl könnte die Welt in solch eine Hölle verwandeln.

Der Hass ist die offenkundige einzige Zuflucht von ausnahmslos allen Diktatoren, Despoten und Machtverehrern und produziert somit von Natur aus noch mehr Feindseligkeit. Aber den Hass sieht man nicht nur bei den blutigsten Diktatoren wie Hitler oder bei den Nazis, er ist vielmehr der gemeinsame Schnittpunkt aller radikaler Gruppen, wie es Rechtsextremisten, Linksextremisten und gewalttätige Salafisten sowie Islamisten sind. Die politischen Islamisten, zumindest diejenigen in der Türkei, waren mir bislang als solche derart nicht geläufig: Doch die in aller Öffentlichkeit belegbare gegenwärtige Praxis in der Türkei hat uns allen gezeigt, dass auch sie sich nicht grundsätzlich von anderen radikalisierten Gruppen unterscheiden. Bewegungen wie Ennahda in Tunesien scheinen in diesem Kontext eine Ausnahmeerscheinung zu sein.

Es ist ziemlich beachtenswert, dass sowohl Neonazis, als auch extremistische oder terroristische Gruppen sowie jene, die sich dem politischen Islamismus oder Salafismus verschrieben haben, ihrer eigenen Gruppe gegenüber zwar völlig unkritischen, blinden Gehorsam aufbringen, während sie gegen Andersdenkende voller Hass sind.

Umso mehr wird die Hervorhebung der Liebe und Barmherzigkeit in den Religionen, besonders im Islam plausibler und verständlicher. Unweigerlich führt Hass Massen zur Feindseligkeit und Liebe zur Geschwisterlichkeit.

Dafür werfen wir zunächst einmal einen Blick darauf, wie zwischenmenschliche Beziehungen unter Muslimen im Koran beschrieben werden:

„Die Gläubigen sind ja Brüder, damit stiftet Frieden zwischen euren Brüdern.“ (49/10)

„Gut und Böse können niemals gleich sein. Wehre das Böse mit dem ab, was besser (oder am besten) ist. Dann siehe: Der, zwischen dem und dir Feindschaft war, wird zu einem treuen Freund.“ (41/34)

„Jene, die bereitwillig hingeben (von dem, womit Gott sie versorgt hat), sowohl in Freud als auch in Leid, und die stets ihren Zorn zähmen (selbst wenn sie gereizt werden und Vergeltung üben könnten) und den Menschen (ihre Beleidigungen) verzeihen. Gott liebt (solche) Menschen, die sich bemühen, Gutes zu tun, und sich bewusst sind, dass Gott sie sieht.“ (3/134)

„Oh unser Herr! Lasse unsere Herzen keinen Groll gegen irgendwelche Gläubigen hegen.“ (59/10)

Angenommen, dass wir noch den Hadith als ein Prinzip für unser Leben wahrnehmen: „Ein Gläubiger ist zu anderem Gläubiger wie ein Backstein, der die Mauer festigt.“ (Bukhari, Muslim)

Das Wesentliche in der anatolischen Kultur, die von diesen Quellen geprägt ist, bildet stets die Liebe. Rumi und Yunus Emre lebten in einer chaotischen Zeit Liebe und Frieden vor. Sie waren immer gegen Hass und Feindseligkeit. Derzeit erleben wir eine der damaligen Zeit ähnliche Phase, die ebenso von Uneinigkeit, Hass, Gewalt, Feindseligkeit und weltweiten Konflikten der Gesellschaften und Kulturen untereinander geprägt ist, wobei besonders betroffen vornehmlich muslimische Länder sind. Als Anatolien im Mittelalter durch die mongolischen Angriffe tief gespalten war, wuchs es mit den Friedens- und Liebesappellen von Rumi und Yunus Emre wieder zusammen. Auch heute brauchen wir solche aufrichtigen Stimmen der Liebe, des Respekt und des Friedens.

Denn „Streit, Zwietracht, einseitige Parteinahme, Halsstarrigkeit und Neid beschwören Hass und Feindseligkeit unter den Gläubigen herauf und gehören deshalb zu jenen Sünden, die dem Leben der Einzelnen, dem Leben in der Gemeinschaft und dem spirituellen Leben schaden. Sie vergiften alles, die Wahrhaftigkeit und Weisheit ebenso wie den Islam.“

Daher müssen zunächst einmal diejenigen, die sich zum Islam bekennen, die Sprache des Hasses unterlassen. Der Hass wird auch vom Grundgesetz als Straftat wahrgenommen: „Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“

Bleibt die Frage: Wie sollte man diejenigen bezeichnen, die den Menschen, welche voll mit Hassgefühlen und Feindseligkeit, wie beispielsweise Rechtsextremisten oder Islamisten, versehen sind, ihre Unterstützung gewähren?

Lasst uns daher nun gemeinsam Hafis lauschen: „Zwei Worte führen zu Gemütlichkeit und Frieden in zwei Welten und sichern es sogar: Gütiger Umgang mit Freunden und friedliches Handeln mit Feinden.“