Can Dündar, der MIT und ein Mafiaboss: Ein brisanter Fall treibt seit Jahren die Türkei um. Es geht um die Frage, ob der türkische Geheimdienst 2014 Waffen an Terroristen in Syrien lieferte. Die EU fordert nun Aufklärung.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Türkei zu einer Stellungnahme im Fall von vier Staatsanwälten aufgefordert. Sie wurden zu langen Haftstrafen verurteilt, nachdem sie 2014 eine Untersuchung von Lastwagen des türkischen Geheimdienstes (MIT) durchgeführt hatten, die angeblich Waffen nach Syrien transportierten.

Der Sachverhalt trug sich um Januar 2014 zu. Damals hatte die Staatsanwaltschaft von Adana die Durchsuchung eines Lastwagens angeordnet, der auf dem Weg zur syrischen Grenze war. In der Nähe der Grenze stießen sie auf Trucks, die dem MIT zugerechnet werden und angeblich Waffen für Dschihadisten in Syrien an Bord hatten. Dies löste in der Türkei eine Diskussion um die Rolle des türkischen Spionageapparats bei der Bewaffnung von Rebellengruppen in Syrien aus.

In der Folge – 2015 – wurden die Staatsanwälte Süleyman Bağrıyanık, Ahmet Karaca, Aziz Takçı und Özcan Şişman verhaftet und 2019 zu Haftstrafen von 22 Jahren und sechs Monaten, 18 Jahren und neun Monaten, 26 Jahren sowie 17 Jahren und drei Monaten verurteilt. Sie wurden unter anderem wegen der Beschaffung und Weitergabe von Geheimdokumenten sowie der Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung schuldig gesprochen.

Can Dündar deckte Waffenlieferung auf

Der EGMR betonte, dass die Beamten ohne ausreichende Begründung oder Beweise, dass sie tatsächlich in eine Straftat verwickelt waren, in Haft gehalten werden. Die inhaftierten Staatsanwälte argumentieren, dass sie nur deshalb hinter Gittern seien, weil sie ihre Arbeit machten.

Auch der umtriebige, mittlerweile in Berlin lebende Journalist Can Dündar ist in den Fall verwickelt: 2015 war in der „Cumhuriyet“, deren Chefredakteur Dündar zu dem Zeitpunkt war, ein Artikel über die versuchte Waffenlieferung des türkischen Geheimdienstes an Extremisten in Syrien erschienen. Dündar wurde in der Folge verhaftet und Ende 2020 in Abwesenheit zu 27 Jahren Haft verurteilt (DTJ-Online berichtete).

Hilfsgüter für Turkmenen?

Indes wurde die Version der türkische Regierung und des damaligen Premierministers und heutigen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, die Lastwagen hätten Hilfsgüter für bedrohte Turkmenen in Nordsyrien transportiert, widerlegt. Und zwar von niemand Geringerem als dem türkischen Verbrecherkönig und Youtube-Star Sedat Peker.

Seine Version, die mittlerweile von Dündar bestätigt wurde, lautet: SADAT International Defense Consultancy, eine paramilitärische Organisation, die vom ehemaligen Erdoğan-Berater Adnan Tanrıverdi gegründet wurde, habe tatsächlich im Jahr 2015 Waffen an die mit Al-Qaida verbundene Al-Nusra-Front in Syrien geschickt.

Der Fall zeigt: Wer sich in der Türkei unter Erdoğan um die Wahrheit bemüht, zahlt einen hohen Preis. Daran ändert auch Druck von außen, wie nun von Seiten des EGMR, nichts.