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DTJ-Blog

Schon mal eine Hochzeit in der Berliner Şehitlik-Moschee gecrasht? Ich schon…

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Letztes Jahr, etwa zu dieser Zeit, machten Lena und ich, zufällig zu der gleichen Zeit, ein Praktikum in Berlin. Wir nutzten diese Gelegenheit, um gemeinsam die Hauptstadt zu erkunden und machten uns auf Tour quer durch Berlin, zu den typischen Hotspots gesellte sich eine Sehenswürdigkeit, auf die ich mich besonders freute. Wir wollten die Şehitlik-Moschee in Neukölln besichtigen, es war das erste Mal, dass Lena und ich gemeinsam eine Moschee betreten würden.

Angekommen stellten wir fest, dass der Hof leicht gefüllt war. Ich dachte mir nichts weiter dabei und überquerte den Hof mit selbstbewussten Schritten hinzu der Tür, bis ich dann beim Öffnen dieser feststellte, dass wir gerade in eine Hochzeit hereingeplatzt waren. Der Raum war bis zur Tür rappelvoll und unsere Blicke führten zu der Braut, welche etwas höher saß als die Gäste.

Die Situation war recht unangenehm für mich und fragte ich mich was wohl in Lenas Kopf vorging. Ich bat sie damals, ihre Gefühle mal zu Papier (oder eher zu Microsoft Office) zu bringen und heraus kam Folgendes:

„Mir kam es so vor, als würde ich eine andere, eine mir fremde Welt betreten. Zu der Neugier, die mich hierhin getrieben hatte, gesellte sich ein Gefühl tiefer Verunsicherung. Gerade noch lief ich durch eine deutsche Großstadt, in der ich unterging, weil ich wie die anderen – die Mehrheit war. Und jetzt stand ich hier, vor einer Moschee, mitten in Berlin. Jetzt war ich es, die auffiel, die aus der Masse herausstach. Meine Nationalität, meine Kleidung … all jene sichtbaren Faktoren, die uns Menschen (anscheinend) ausmachen, trennten mich von den anderen Anwesenden.

Ich war so froh, dass Betül an meiner Seite war. Ohne sie hätte ich vielleicht nicht den Mut aufbringen können, weitere Schritte zu gehen. Plötzlich hörte ich eine laute Stimme, die etwas auf Arabisch vorlas. Sie kam aus einem Lautsprecher und erfüllte den ganzen Platz. Verständlicherweise verstärkte sie meinen verunsicherten Eindruck, der mir unaufhörlich Fluchtimpulse zu vermitteln versuchte. Doch Betül bemerkte meine Befangenheit und erklärte mir die Bedeutung dieser Rezitation für den Islam. Nachdem ich mich mit der Umgebung vertraut gemacht hatte, wurde mir langsam bewusst, dass dieses Befremden, das mich erfüllte und das ich auch in den Blicken der anderen lesen konnte allein darin begründet war, dass wir uns zu sehr auf die Dinge besinn(t)en, die uns voneinander unterscheiden, statt zu sehen, was uns eint und statt uns an der bunten Vielfalt der Kulturen zu erfreuen. „More walls to tear down“ – Ein historischer wie zeitloser Spruch, der sich an jeder Ecke Berlins finden lässt… Im übertragenden Sinne, in der zwischenmenschlichen Sphäre, kommt ihm noch eine andere, nicht minder wichtige, Bedeutung hinzu: Vorurteile machen blind, einsam und ängstlich. Lasst uns diese Mauern gemeinsam niederreißen und in einen friedlichen, bunten und spannenden Dialog miteinander treten!“

Kennt ihr diese Situation, wenn man zu spät zur Uni kommt und in der Eile in den falschen Kursraum rennt und anstatt leise die Tür wieder zu schließen erst einmal verdutzt in die Menge guckt? In der Moschee war es eine vergleichbare Situation. Mittlerweile habe ich aber dazu gelernt und schließe erst die Tür, bevor ich mit verwirrtem Blick anfange nachzudenken.

Wer die Şehitlik-Moschee kennt, weiß, dass diese interreligiöse sowie internationale Besuche gewohnt ist und mit offenen Armen empfängt. Wir waren lediglich nur zum falschen Zeitpunkt dort und fanden uns mitten in einer privaten Veranstaltung wieder. Besonders interessant ist, dass ich die Blicke um mich herum nicht als „Was machen die denn hier?“ wahrgenommen habe, es waren lediglich neugierige Blicke, die jeder von uns hat, wenn jemand neues eine Veranstaltung betritt. Ich hatte mich damals gefragt, wie es wohl gewesen wäre, wenn Lena alleine die Moschee an diesem Tag besucht und was für einen Eindruck dieser Besuch hinterlassen hätte.

Manchmal muss man einfach seine „Komfortzone“ verlassen, um gemeinsam in Hochzeiten platzen und später lauthals darüber lachen zu können. Auf viele weitere Hochzeiten, in die wir noch gemeinsam platzen werden…