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Kolumnen

„Moment mal, bitte!“ – Ode an die politische Bundesliga

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Die zaghafte Initiative für ein NPD-Verbot – ohnehin schon wieder durch Bundespolitiker gebremst – löst das Rassismusproblem im Lande nicht mal ansatzweise. Neşe Tüfekçiler appelliert an die politische Klasse, endlich die Augen zu öffnen. (Foto: dpa)

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„Moment mal, bitte!“ - Ode an die politische Bundesliga
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Nicht dass uns das Gebaren der Unappetitlichsten aller Nazi-Parteien kalt lassen würde, aber angesichts des Umfangs der rechtsextremen Tendenzen, die wir in Deutschland haben, ist die Sache mit einem Verbot der NPD noch lange nicht erledigt. Dieses kann bestenfalls nur ein Anfang sein.
Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, „Mitte im Umbruch“, weist erschreckende Tatsachen und Tendenzen auf, die ungleich mehr an Aufmerksamkeit innerhalb unserer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft verdienen, als es tatsächlich der Fall ist. Achtung, es brau(n)t sich hier eine Gefahr zusammen, die uns entweder auf die eine oder auf die andere Weise noch intensiv beschäftigen wird!

Nach der Entdeckung der NSU-Terrorzelle und der Mordserie an 9 Migranten und einer Polizistin stellt sich mir immer noch die Frage, warum wir nicht über die Ursachen und die möglichen Präventionsmaßnahmen sprechen, die wir gesamtgesellschaftlich in dieser Notlage einfach dringend benötigen.

Wir müssen endlich reden und nicht mehr tabuisieren und schweigen. Schweigen über das Schweigen ist noch fataler. Die Arbeit des Untersuchungsausschusses, unter der Leitung von Sebastian Edathy (SPD), wurde innerhalb eines Jahres mehrfach behindert, verhindert, gestört, eingeschränkt und lies öfter an einer Aufklärung und sogar an einem ernsthaften Willen daran seitens der zuständigen Verantwortungsträger zweifeln, als man es je für möglich gehalten hätte.

Pleiten, Pech und Pannen
Kaum ein Zeuge hat wirklich zugegeben, dass ein systematisches Wegsehen eine der Ursachen der sogenannten Pleiten, Pech und Pannen ist, wenn nicht sogar zum Teil Willkür im Spiel sein sollte. Nun sprach sich Herr Edathy vor einigen Tagen für ein NPD-Verbot aus und es wird ihm zum Dank der Briefkasten des Parteibüros in die Luft gesprengt. Es gab zumindest keine Verletzten, aber was soll uns das nun sagen? Mag da wirklich noch jemand an Zufälle glauben?

Und wir stellen uns wieder die gleichen Fragen: Wo bleibt denn nun die innere Sicherheit? Wie sicher ist Deutschland? Wovor und wie müssen und können wir uns schützen? Was ist denn geplant, um präventiv zu handeln und Aufklärung zu betreiben, um Menschenverachtung und Gewalt zu bekämpfen? Gibt es eine Hotline für Opfer rechtsextremistischer Überfälle, Attacken und Gewalttaten?

Wo bleiben die Aufrufe von Politikern an alle Bürger dieses Landes, die Sicherheit und den Schutz der Verfassung in die Hand zu nehmen und Zivilcourage zu zeigen, sobald sie rassistische und faschistische Tendenzen in ihrem Umkreis beobachten?

Hat die politische Liga denn nicht einen Eid auf die Verfassung geleistet und sich somit auch zur Wahrung der Grundrechte aller Bürger dieser Republik verpflichtet? Mir fehlt es bisweilen einfach am Verantwortungsgefühl von Politik und Politiker/innen als berufene Wahrer der Grundrechte im Namen der Gesellschaft!

Malen nach Zahlen?

Jährlich publiziert die Bundesregierung die Statistik der politisch motivierten Straftaten. Die Zahlen für die politisch rechts motivierten Taten liegen im Durchschnitt bei mehr als 1.000 pro Monat, wobei die Zahl der Verletzten auf monatlich ca. 50 geschätzt werden kann. Die Bundesregierung räumt ein, dass diese Zahlen oftmals nicht der Realität entsprechen sondern mindestens um 50 % höher liegen, da es oftmals zu Nachmeldungen und Korrekturen kommt.

Der Bundesinnenminister, Hans-Peter Friedrich (CSU) feiert eine Datei für Rechtsextreme als großen Erfolg? Eine Nazi-Checkliste oder eine Plakataktion vermisst man bis heute. Ich vermisse die Ausgewogenheit in der Einschätzung der Gefahren von Radikalisierung und Extremismus. Werden die Bürger, die in ihrem Alltag täglich bedroht sind, damit in Sicherheit sein? Wieso werden dann immer noch die Opfer, die von Rechtsextremen verfolgt und bedroht werden, aus den Städten deportiert? Gibt es bald rechtsextreme Zonen und Gebiete, aus denen normale Bürger flüchten müssen?

Worauf warten wir eigentlich? Mehr Todesopfer? Wie viele Mitbürger müssen sterben oder verletzt werden, bevor es ein Präventionskonzept gibt? Es ist Zeit zum Handeln, Herr Friedrich, packen Sie es an, bevor es Sie packt!
*Neşe Tüfekçiler, geb. am 15.09.1972 in Bremen. Nach ihrer Ausbildung im kaufmännischen Bereich und dem Abitur, studierte Sie Betriebswirtschaften. Sie ist Frauenmentorin und ehrenamtlich im Vorstand der UETD Bremen. Die MiGAZIN-Kolumnistin schreibt an einem deutsch-türkischen Lyrikband und veröffentlicht ihre Gedichte in der Zeitschrift „Im Labertal“. Die Aufklärungsarbeit zu mehr Respekt und Humanismus hat Sie dazu motiviert, im Oktober 2012 ein Studium für Internationale Journalistik zu beginnen, um als Teil der Gesellschaft zum Denken und Weiterdenken und Reflektieren anzuregen.