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Gesellschaft

Mordfall Hrant Dink: Familie zieht vor das Verfassungsgericht

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Die Hintergründe des Mordes an Hrant Dink sind bis heute nicht aufgeklärt. Nun hat ein türkisches Gericht beschlossen, hohe Beamte, die mutmaßlich in den Mord verwickelt waren, vor Strafverfolgung zu schützen. Dagegen will sich Dinks Familie wehren.

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Die für den Mordfall Hrant Dink zuständige Staatsanwaltschaft hat eine Anklageschrift vorbereitet, in der sie die Strafverfolgung für einige hohe Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes ausgesetzt hat. Damit ist die Familie Dink nicht einverstanden und zieht vor das Verfassungsgericht.

Der türkisch-armenische Journalist Hrant Dink wurde 2007 vor der Redaktion der Zeitung Agos, deren Chefredakteur er war, auf offener Strasse ermordet. Bereits während des Prozesses gegen den Todesschützen, den jugendlichen Rechtsextremisten Ogün Samast, traten viele Indizien zutage, die nahelegen, dass der Mord von Hintermännern im Staatsapparat organisiert wurde. Die Spuren führten unter anderem zum türkischen Geheimdienst MİT.

Nun hat die zuständige Istanbuler Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung für einige hohe Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes ausgesetzt. Dabei handelt es sich um den stellvertretenden Gouverneur von Istanbul Ergun Güngör, den pensionierten Brigadegeneral und Angeklagten im Ergenekon-Prozess Veli Küçük, den Rechtsanwalt Kemal Kerinçsiz sowie den ehemaligen MİT-Mitarbeiter Özel Yılmaz. Der Ultranationalist Kerinçsiz ist der Rechtsanwalt, der unter anderem gegen die Schriftsteller Orhan Pamuk und Elif Şafak sowie gegen Hrant Dink geklagt hat, jedes mal auf Grundlage des berüchtigten Artikels 301 des türkischen Strafgesetzbuches, also wegen „Beleidigung des Türkentums“.

Wie die armenisch-türkische Wochenzeitung Agos meldet, hatten die Rechtsanwälte der Familie Dink zwar Widerspruch eingelegt, doch gab das Gericht dem nicht statt. Daraufhin haben sie in Absprache mit der Familie entschieden, eine Klage beim Verfassungsgericht einzureichen. Als Begründung gaben die Rechtsanwälte an, dass sie das Recht ihre Mandanten auf ein rechtsstaatliches und unabhängiges Gerichtsverfahren und das effektive Anrufungsrecht nicht mehr gewährleistet sehen.

Des Weiteren fordern die Rechtsanwälte, dass eine Anklageschrift gegen die Verdächtigen erstellt, effektive Strafverfolgung gewährleistet und festgestellt werden soll, dass die Rechte der Familie Dinks verletzt wurden. Im Antrag heißt es: „Im Mordfall Hrant Dink sind keine juristisch und rechtsstaatlich einwandfreien und wirkungsvollen Ermittlungen geführt worden, durch die die Verantwortung aller Beschuldigten, aber insbesondere von Beamten, hätte festgestellt werden können. Zudem haben alle staatlichen Einrichtungen nicht den nötigen Aufwand betrieben, um den Mordfall aufzuklären.“

Hrant Dink war einer der bekanntesten Journalisten der Türkei. Der Chefredakteur der ersten armenisch-türkischen Tageszeitung Agos setzte sich zeitlebens für eine Aussöhnung zwischen Armeniern und Türken ein. Das brachte dem überzeugten Linken den Hass vieler Nationalisten ein, immer wieder wurde er bedroht und mit Gerichtsprozessen überzogen. Gegen einige von ihnen versuchte er sich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu wehren. Dessen Urteil erlebte er jedoch nicht mehr.