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Panorama

Gerichtsverhandlung am Freitag: Bekommt der 22 Monate alte Muhammet doch noch ein Herz?

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Der 22 Monate alte Muhammet Eren darf kein Spenderherz bekommen. Er habe einen „irreparablen Gehirnschaden“, sagen die Ärzte. Jetzt soll das Landgericht Gießen entscheiden, ob der Junge doch noch auf die Transplantationsliste kommt.

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Das Leid der Familie von Muhammet Eren aus der Türkei nimmt kein Ende. Schon während der Schwangerschaft wussten die Eltern, dass der kleine Muhammet Eren Probleme mit seinem Herzen hat. Die Ärzte mussten den kleinen Jungen mit den Olivenaugen drei Wochen früher auf die Welt holen. Seit fast 2 Jahren macht Muhammet Eren eine Odysee durch.

Unmittelbar nach der Geburt musste er auf die Intensivstation. Das Herz war immer das Problem. Schon bald wussten die Ärzte, dass nur eine Herztransplantation Muhammet Eren retten kann. Doch in der Türkei ist man mit Herztransplantationen bei Babys noch nicht so weit wie in Deutschland.

Familie nimmt Kontakt mit dem Universitätsklinikum Gießen-Marburg auf

Der Vater, ein Lehrer, forschte, wo er Hilfe für seinen Jungen bekommen kann und wurde fündig. Die Uniklinik Gießen-Marburg schien in dem Bereich von Herztransplantationen die richtige Adresse zu sein. Der Vater des Jungen nimmt Kontakt zu den Ärzten in der Klinik auf und man entscheidet sich, dass der Junge auf die Liste für eine Herztransplantion kommt und dieses dann auch in Gießen eingesetzt bekommt. Bis dahin scheint das einzige Problem die immensen Kosten zu sein.

Eine Herztransplantation in Deutschland hätte die Familie 100.000 bis 150.000 Euro gekostet, schätzte man noch bis März diesen Jahres. Eine Summe, die man mit dem Gehalt eines Lehrers in der Türkei niemals aufbringen kann.

Große Unterstützung für Muhammet Eren

Doch der Lehrer findet unverhoffte Hilfe. Seine Schüler gründen eine Facebookgruppe, um der Familie zu helfen. Inzwischen hat die Facebookseite Muhammet Eren İçin El Ele (Hand in Hand für Muhammet Eren) rund 90.000 Fans. Gülben Ergen, eine türkische Sängerin und Showmoderatorin , wird in den sozialen Netzwerken aufmerksam und ruft schon nach kurzer Zeit bei der Familie an. Die Eltern wurden in die Show eingeladen und erzählten ihre Geschichte. Nach nur einer Woche spendeten die Menschen in der Türkei über 400.000 Euro für die Familie.

Die Odyssee hätte damit eigentlich ein Ende finden sollen. Schließlich hatte man fast das Dreifache des Geldes eingesammelt, was man eigentlich brauchte. Jetzt musste nur noch ein Spenderherz her.

Am 24. März dieses Jahres erteilen dann die deutschen Behörden ein Visum für die Familie. Die Familie will schon am nächsten Tag nach Deutschland fliegen. Das Ambulanzflugzeug stand zu der Zeit auch schon bereit. Doch das Universitätsklinikum wollte die Familie noch eine Woche warten lassen. Eine genaue Kostenaufstellung müsse zunächst her, soll es geheißen haben. Die Familie aber wollte sofort nach Deutschland und ihr Kind in die Spezialklinik bringen. Sie boten an, die kompletten 400.000 Euro auf das Konto der Uniklinik zu überweisen. Die Klinik hätte über die Summe verfügen können. Doch es half nichts. Die Ärzte schienen es nicht eilig zu haben.

Muhammet Eren muss zunächst warten – mit verheerenden Folgen

Das aber wird zum Verhängnis für die Familie. Am 29. März bleibt das Herz des kleinen Muhammet Eren in einem Krankenhaus in Istanbul stehen – mit verheerenden Folgen. Das Gehirn hatte offenbar kurzzeitig keinen Sauerstoff bekommen. In einem Teil seines Gehirns entstand ein Schaden. Wäre das Kind zu der Zeit in der Obhut der Spezialisten in Deutschland, wäre das vermutlich nicht passiert, glaubt der Vater. Zumindest wäre der Schaden vielleicht niemals passiert oder weitaus geringer ausgefallen.

Warum Muhammet Eren warten musste, obwohl weitaus mehr Geld als erforderlich bereit stand, wollte uns die Klinik nicht sagen.

In der Nacht des 31. März fliegt die Familie dann doch nach Deutschland. Nach einer Computer- Tomographie kommen die Ärzte zu dem Ergebnis, dass es kaum Störungen im Gehirn gebe. Zwei Tage später wird die Brust des Muhammet Eren geöffnet und an ein Kunstherz angeschlossen.

Ärzte wollen wegen Gehirnschädigung keine Herztransplantation vornehmen

Die Schädigungen am Gehirn bemerkten die Ärzte erst Mitte April. Erst danach teilten sie mit, dass sie einer Transplantation wegen der Gehirnschädigung nicht zustimmen wollen. Ein Spenderherz sei bei jemandem ohne andere gesundheitliche Probleme besser aufgehoben. Vielmehr noch – die Ärzte empfehlen der Familie sogar, dass das Kind vom Kunstherz abgekoppelt wird, so der Vater. Das aber wäre gleichbedeutend mit dem Tod des kleinen Jungen.

Der kleine Muhammet Eren aber scheint allen zum Trotz weiterzukämpfen. Er hat zwar ein krankes Herz, aber offenbar das Herz eines Löwen. Auf der Facebookseite Muhammet Eren İçin El Ele können die Menschen Fotos und Videos vom kleinen Muhammet Eren sehen. Man sieht ihn dort immer wieder lächeln. Er ist ein lebensfrohes Kind, das weiter leben will und muss. Wie sonst können seine Eltern die Kraft finden? Sie leben seit fast einem halben Jahr in einem Zimmer in der Nähe des Krankenhauses, damit sie immer und jeder Zeit bei ihrem Jungen sein können, gemeinsam mit zwei Geschwistern von Muhammet Eren- die ebenfalls die selbe Odyssee mitmachen.

Doch mit jedem Tag, den Muhammet Eren im Krankenhaus leidet und die Kräfte der Eltern schwinden, gibt es immer mehr Unterstützung für den Jungen und seine Familie. Viele rufen an oder starten Kampagnen, um die Familie auch weiterhin zu unterstützen. Zuletzt hatte es auf der Facebookseite für Muhammet Eren einen Aufruf gegeben, Kinderbücher für den Kleinen zu schicken. Die Aktion musste schon kurze Zeit später gestoppt werden. Zu viele wollten helfen.

Muhammet kämpft weiter – Ärzte geben ihn auf

Die Familie erlebt mit jedem Tag Höhen und Tiefen. Inzwischen haben die Eltern eine erste Rechnung erhalten. Die Kosten für den Krankenhausaufenthalt belaufen sich auf inzwischen über eine halbe Million Euro. Und mit jedem Tag kommen Tausende Euro dazu.

Es scheint inzwischen auch so, dass die Ärzte ihn aufgegeben haben. Sie sehen einen sogenannten irreparablen Hirnschaden bei dem Jungen und weigern sich, ihn auf die Transplantationsliste für ein neues Herz zu setzen. Ähnlich sehen es auch drei Ärzte der Bundesärztekammer, die den Jungen untersucht haben. Damit hat auch die Bundesärztekammer praktisch das Todesurteil gegen Muhammet Eren bestätigt. Nicht nur der Vater, sondern auch die Angehörigen und Freunde der Familie sehen darin eine ethisch begründete Todeserklärung. Und so ganz Unrecht haben sie da nicht.

Anwälte und das „Zentrum selbstbestimmt Leben Gießen“ sehen Verstoß gegen Grundgesetz und UN-Behindertenrechtskonvention

Die Anwälte der Familie sehen in der Begründung, ein Kind mit einer Hirnschädigung, könne allein wegen dieser Hirnschädigung kein Spenderherz erhalten, eine Benachteiligung wegen der Behinderung dar. Dies ist durch Artikel 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz und durch Artikel 25 UN-Behindertenrechtskonvention untersagt.

Auch das „Zentrum selbstbestimmt Leben Gießen“ sieht in der Weigerung des Universitätsklinikums Gießen-Marburg einen Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention und gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. „In Anbetracht der Medizingeschichte und der Vernichtung von Menschen mit Behinderung zwischen 1933 und 1945 in Deutschland muss der gesellschaftliche Konsens gefunden werden, dass jeder Mensch den gleichen Zugang bekommt zur Gesundheitsversorgung“, heißt es in einer Mitteilung Gießener Vereins.

Eltern wollen einstweilige Verfügung

Inzwischen hat die Familie des Kleinkindes vor dem Landgericht Gießen einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Universitätsklinik eingereicht. Am Freitag wollen die Richter entscheiden, ob der 22 Monate alte Junge doch noch auf die Transplantationsliste kommt. Ganz egal wie sich die Gießener Richter am Freitag entscheiden werden, die Eltern und ihre Unterstützer wollen für Muhammet Eren weiterkämpfen. Sie weigern sich die Entscheidung der Gießener Ärzte zu akzeptieren und damit das Kind praktisch in den sicheren Tod zu schicken.