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Film/Kultur/Religion

Muharram: Muslimische Trauer und Freude im Neujahr

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24. September 622. Eine Gruppe von Frauen, Kindern und Alten bahnt sich ihren Weg durch die heiße Wüste Arabiens. Ein sehr weiter Weg liegt vor ihnen. Ein sehr gefährlicher. Die glühende Hitze macht jeden Schritt zu einer großen Bürde. Jeder noch so kleinste Fehler in der Route könnte sie ins Verderben führen. Doch die Aussicht auf eine Zukunft schürt große Hoffnungen. Groß genug, dass der Gang durch den ewigen Sand sich lohnt. Mit voll gepackten Kamelen zogen sie los. Die ersten Muslime auf dieser Welt. Auf der Flucht von Mekka nach Medina.

Die Hidschra im Muharram

Am 31. August feierten die Muslime weltweit den Beginn des Neujahres. Der Beginn des neuen Jahres im Islam hängt mit dem sogenannten Hidschra-Tag zusammen. Denn heute vor 1441 Jahren entschlossen sich die Muslime, ihre Heimat Mekka wegen der schlechten Lebensbedingungen und der Verfolgung zu verlassen. Sie überquerten die Wüste um Yesrib, das heutige Medina, zu erreichen. Dieser Tag markierte einen so bedeutenden Meilenstein, dass er fortan als der Beginn einer neuen Ära und somit auch als Neujahrsanfang aufgefasst wurde.

Das Trauerfasten im Muharram

Mit dem Beginn des neuen Jahres startet auch einer der heiligsten Monate der islamischen Tradition. Der auch als zweiter Fastenmonat bekannte Muharram birgt viele historische Ereignisse und auch die größten Tragödien der Islamgeschichte in sich. Deshalb sind mit diesem Monat gemischte Gefühle verbunden. Auf der einen Seite hat an diesem Tag die Geschichte des Islam so richtig an Fahrt aufgenommen. Denn in nur zehn Jahren im Exil in Medina erreichte die islamische Gemeinschaft eine solche Größe, dass sie ohne kriegerische Auseinandersetzung ihre Heimat Mekka zurückerobern konnte. Selbstverständlich ein großer Grund zur Freude. Doch auf der anderen Seite wurde in diesem Monat nur wenige Jahre später unter anderem Hüseyin, Enkelsohn des Propheten Muhammad, brutal ermordet. Wie alevitische Geistliche und Poeten treffend bezeichnen, ist an diesem Tag Matem, also die Trauer eingekehrt: „Oh Hasan, Oh Hüseyin. Dein Leid hat mich mit Schmerz erfüllt“.

Kerbela, die größte Tragödie im Muharram

Im Jahre 680 fand in Kerbela, einem Wüstengebiet im heutigen Irak, ein Massaker statt. Muslime unter der Führung Yazids wurden gegen den Prophetenenkel Hüseyin aufgestachelt. Sie sollten sich zwischen zwei Kalifen entscheiden. Sollte ihr Oberhaupt der weise und aufrichtige Hüseyin bleiben, oder sollte es doch der aufstrebende Yazid werden, dessen Vater Muawiya schon einen heftigen Deutungsstreit mit dem vierten Kalifen und Muhammads Schwiegersohn Ali begonnen hatte, an dessen Ende Ali einem Attentat zum Opfer fiel. Yazid war gleichzeitig in der dynastischen Abfolge der Umayyaden-Herrscherfamilie. Sein Großvater Abu Sufyan war als einer der hartnäckigsten Widersacher Muhammads bekannt, ehe er nach der Eroberung Mekkas durch Muhammad doch noch den Islam annahm. Doch die einst Adeligen von Mekka sahen sich in der Position, die politische Führung wieder zu ergattern. Dieser Trieb führte letztlich zu einem grauenhaften Höhepunkt in Kerbela.

Muslime lockten im Muharram den Prophetenenkel Hüseyin in die Falle

Mit einem inszenierten Hilferuf wurde Hüseyin in den Irak eingeladen. Muslime wandten sich mit Briefsendungen an den Kalifen und schilderten schlimmste Zustände unter der Führung von Yazid. Man bat Hüseyin darum, sie aus der Misere zu befreien. Daraufhin beschloss Hüseyin, mit seiner gesamten Familie und seinen übrig gebliebenen Gefährten Richtung Irak aufzubrechen. Doch das war in Wahrheit ein Hinterhalt, an dessen Ende sich das Massaker von Kerbela ereignete. Der muslimische Umayyaden-Herrscher Yazid stand mit einer großen Horde in Kerbela bereit. Es war ein Schlachtfeld. Yazid ließ die Nachkommen Muhammads mehrere Tage verdursten. Schließlich tötete er Frauen, kleine Kinder, Männer und zuletzt Hüseyin.

„Ihr, die ihr auf den Sohn von Sufyan hört! Wenn ihr schon keinen Glauben habt und auch keine Furcht vor dem jüngsten Gericht, dann handelt zumindest wie freie Menschen!“ Mit diesen Worten hatte einst der Enkel des Propheten Muhammad seine Gegner ermahnt. Danach wurde Hüseyin in Kerbela enthauptet. Seinen Kopf nahm Yazid als Trophäe mit. Damit manifestierte er seine Macht und veränderte den Verlauf der Geschichte.

Aleviten und auch Sunniten fasten aus Trauer

In den ersten Tagen des islamischen Neujahres wird aus diesem Grund gefastet. Weil Hüseyin und seine Familie in Kerbela verdursten mussten, verzichten die meisten Aleviten und einige Sunniten in dieser Phase völlig auf klares Wasser. Zwar wird wie im Ramadan nach Sonnenuntergang getrunken, aber aus Anteilnahme kein klares Wasser, sondern Säfte, Milch usw. Auch das Essen zum Fastenbrechen fällt, anders als im Ramadan, nicht festlich aus. Es gilt die Devise der Bescheidenheit. Eine kleine Tasse Suppe, ein leichtes Hauptgericht ohne Fleisch. Das soll genügen.

Noah und Ashura

Doch neben dieser Tragödie und der Hidschra hat der Monat Muharram auch positive Wendungen zu bieten. Der Legende nach soll am zehnten Tag des Muharram Prophet Noah von der Sintflut befreit worden sein. Danach habe er die Suppe Noahs, auch bekannt als Ashura, zubereitet haben. Der Begriff Aschura ist aus dem arabischen Wortstamm für „zehn“ abgleitet. Allerdings finden im Unterschied zum schiitischen Islam keine Festlichkeiten oder Zeremonien statt. Den Muslimen steht offen, an diesem Tag zu fasten. Denjenigen, die an diesem Tag fasten, werden laut dem Propheten Muhammad die Sünden des letzten Jahres vergeben. Außerdem soll der Prophet laut einer Überlieferung auch am 9. und 11. Muharram gefastet haben. Daher ist es an diesen drei Tagen sunnah („empfohlen“), es ihm gleichzutun. Außerdem wird der Rettung Noahs gedacht, der mit seiner Arche auf dem Berg Cudi in der türkischen Provinz Şırnak gelandet sein soll.

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