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Politik

Mursi, die Geisel der Generäle

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Während es wieder zu Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern des gestürzten ägyptischen Präsidenten Mursi kam, wird dieser nach wie vor ohne Rechtsschutz und ohne Kontakt zur Außenwelt an einem unbekannten Ort festgehalten. (Foto: reuters)

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Mursi, die Geisel der Generäle
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Ägypten kommt auch mehr als drei Wochen nach dem Militärputsch nicht zur Ruhe. Bei Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern des gestürzten ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi sind von Montagabend bis Dienstagmorgen im Großraum Kairo neun Menschen getötet worden. 85 weitere Menschen hätten Verletzungen erlitten, berichtete die Tageszeitung „Al-Ahram“ auf ihrer Webseite unter Berufung auf das ägyptische Gesundheitsministerium.

Die schlimmsten Zusammenstöße ereigneten sich am frühen Dienstagmorgen vor der Universität Kairo im Stadtteil Giza. Mursi-Anhänger campieren dort schon seit dem Sturz des gewählten Präsidenten aus den Reihen der Muslimbruderschaft. Aus bisher ungeklärten Gründen gerieten sie mit Mursi-feindlichen Zivilisten aneinander. Bei den Krawallen seien Steine und Schusswaffen zum Einsatz gekommen, berichteten örtliche Medien. Die Polizei setzte Tränengas ein, um die Seiten zu trennen.

Einen Toten hatte es nach den offiziellen Angaben bereits am Montagabend in der Nähe des Tahrir-Platzes gegeben, wo die Mursi-Gegner ihre Zelte aufgeschlagen haben. Lokale Medien hatten zunächst von zwei Toten berichtet. Bei Zusammenstößen in der Provinz Al-Kaljubija nördlich von Kairo kamen drei Menschen ums Leben.

Im Norden der Halbinsel Sinai griffen bewaffnete Extremisten erneut Polizeiwachen an. Auch eine Rundfunkstation und der Klub der Polizei in der Provinzhauptstadt Al-Arisch wurden attackiert. Ein Soldat wurde getötet, eine Zivilistin erlitt Verletzungen. Das bestätigten Sicherheitskreise in Al-Arisch.

Das Militär hatte Mursi nach Massenprotesten gegen seine Herrschaft am 3. Juli abgesetzt. Seitdem haben sich die Angriffe bewaffneter Extremisten im Norden des Sinais auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte intensiviert.

Mursi-Kidnapping wird für die Putschisten langsam zum Problem

Unterdessen schwindet die Geduld der USA und der EU angesichts der anhaltenden Repressionsmaßnahmen der Militäradministration gegen Oppositionelle. Die USA haben indirekt die Freilassung des gestürzten ägyptischen Präsidenten Mursi gefordert. Washington verlange ein Ende aller politisch motivierter Festnahmen und Inhaftierungen in Ägypten, sagte Regierungssprecher Jay Carney am Montag. „Und wenn ich das sage, schließt es auch Präsident Mursi mit ein“, fügte er vor Journalisten in Washington hinzu. Alle Parteien sollten die Freiheit haben, an der Gestaltung der politischen Zukunft des Landes mitzuwirken.

Kurz zuvor hatte die Familie Mursi schwere Vorwürfe gegen das Militär erhoben, das den Politiker seit Wochen an einem unbekannten Ort festhält. „Wir klagen (den Armeekommandanten) Abdel Fatah al-Sisi und die anderen Putschführer an, den Bürger und Präsidenten Mohammed Mursi entführt zu haben“, sagte Mursis Sohn Osama auf einer Pressekonferenz in Kairo. Weder Angehörige noch Anwälte hatten bislang Zugang zu ihm. Die Familie wolle nun juristisch gegen die Gefangennahme vorgehen, sagte Mursis Sohn. Man wolle auch erreichen, dass sich internationale Menschenrechtsorganisationen mit dem Fall befassen. Das Militär behauptet, Mursi werde „zu seiner eigenen Sicherheit“ festgehalten.

Die Angehörigen des gestürzten Präsidenten Mursi werfen dem Militär Menschenraub vor. In Kairo lancierte man indes über die von der Regierung gesteuerte Zeitung „Al-Ahram“ das Gerücht, Mursi habe für die USA spioniert – um es umgehend dementieren zu lassen. Der Herausgeber der Zeitung, Abdel Nasser Salama, wurde am Montag von der Staatsanwaltschaft vorgeladen.

EU will sich um Dialog bemühen

Auch in der EU häufen sich die kritischen Stimmen. Brüssel, das sich nach wie vor ziert, den Umsturz am Nil als Putsch zu bezeichnen, hat erneut Wahlen und einen Übergang zu einer zivilen Regierung in Ägypten angemahnt. „Die Armee sollte in einer Demokratie keine politische Rolle spielen“, mahnten die EU-Außenminister in einer gemeinsamen Erklärung zu Ägypten. Sie waren am Montag zu einem Treffen in Brüssel zusammengekommen. „Es ist jetzt von äußerster Wichtigkeit, dass Ägypten einen Wandel einleitet, der einen Übergang der Macht zu einer von Zivilisten geführten und demokratisch gewählten Regierung erlaubt“, hieß es weiter.

In diesem Zusammenhang betonte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP): „Zu einem inklusiven Ansatz gehören ausdrücklich auch die Muslimbrüder.“ Die Minister forderten in ihrer Erklärung ausdrücklich „die Freilassung aller politischen Häftlinge, Mohammed Mursi eingeschlossen“.

Der EU-Beauftragte für das südliche Mittelmeer, Bernardino León, erklärte gegenüber dem Informationsdienst dpa Insight EU, er hoffe, dass auch die Muslimbrüder für eine politische Lösung offen seien. In einem Monat wolle er erneut nach Ägypten reisen, um die Bemühungen der EU um einen Dialog fortzusetzen. Die Rolle der EU sei nicht die eines Vermittlers, es gehe um die Erleichterung von Gesprächen.

Übergangspräsident Adli Mansur forderte die Ägypter nach erneuten Zusammenstößen mit Toten und Verletzten in Kairo am Montag in einer Fernsehansprache zur Versöhnung auf. „Es ist höchste Zeit, ein Land zu werden, das sich mit der Vergangenheit ausgesöhnt hat, um die Zukunft zu bauen.“ (dpa/dtj)