Connect with us

Politik

Mursi will sich Druck nicht beugen

Spread the love

Gebannt warten Gegner und Anhänger von Ägyptens Präsident Mursi, was die Armee am Nachmittag unternehmen wird. Dann läuft das Ultimatum aus, mit dem die Generäle Ruhe im Land erzwingen wollen. (Foto: aa)

Published

on

Mursi will sich Druck nicht beugen
Spread the love

Kurz vor Ablauf eines Ultimatums der Armee an Präsident Mohammed Mursi stellt sich Ägypten auf einen möglichen Militärputsch ein. Die auflagenstarke Tageszeitung „Al-Ahram“ titelte am Mittwoch: „Rücktritt oder Absetzung“. Mursi selbst zeigte sich unbeeindruckt und keineswegs kompromissbereit.

Verteidigungsminister Abdel Fattah al-Sisi hat derweil Oppositionsführer Mohammed El Baradei zu einem Treffen eingeladen. Erwartet werde auch die Teilnahme von Vertretern der regierenden Muslimbrüder, der Protestbewegung „Tamarud“, der Salafisten und von Geistlichen, berichtete „Al-Ahram“ in ihrer Online-Ausgabe.

Auf dem Kairoer Tahrir-Platz, dem zentralen Protestort der Opposition, versammelten sich auch am Mittwochnachmittag wieder regierungskritische Aktivisten. Es herrschte eine feierliche Stimmung – viele rechneten mit dem Sturz des umstrittenen Staatschefs aus den Reihen der Muslimbrüder.

Mursis Unterstützer kamen unterdessen im Stadtteil Nasr-City zusammen. Die Polizei nahm derweil Leibwächter des Vorsitzenden der Muslimbrüder, Mohammed Badia, fest. Die Zentralbank ordnete die Schließung aller Banken bis zum Donnerstag an.

Das Militär hatte Mursi bis zum Nachmittag Zeit gegeben, einen Ausweg aus der Krise zu finden, etwa durch vorgezogene Präsidentschaftswahlen. Mursi ist der erste frei gewählte Präsident des Landes.

In einer vom Fernsehen ausgestrahlten Rede zeigte dieser allerdings keine Kompromissbereitschaft. Er sei auf legitime Weise gewählt und werde sich dem Druck nicht beugen, sagte Mursi. Der Plan des Militärs sieht Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu einem nicht näher genannten Zeitpunkt vor. Mursi hatte in der Stichwahl zu den Präsidentschaftswahlen im Juni 2012 mit 51,7% gegen den ehemaligen langjährigen Mubarak-Weggefährten Ahmad Schafiq durchgesetzt.

Seither gelang es ihm trotz einer Parlamentsmehrheit der Muslimbrüder nicht, die Wirtschaftskrise in den Griff zu bekommen. Sein Vorgehen im Zusammenhang mit der Verfassungsreform sorgte für zusätzliche Polarisierung.

Aussetzung der Verfassung möglich

Seit mehreren Tagen erschüttern massive Proteste für und gegen Mursi das Land. Bei Zusammenstößen zwischen Gegnern und Anhängern des Staatsoberhaupts starben Dutzende Menschen – allein in der Nacht zum Mittwoch gab es in Kairo mindestens 22 Tote.

Das Militär hatte angekündigt, seinen eigenen Fahrplan für Neuwahlen durchzusetzen, falls Mursi nicht handeln würde. „Al-Ahram“ veröffentlichte am Mittwoch Einzelheiten daraus: Demnach würde das Militär die derzeit geltende, maßgeblich von den Muslimbrüdern gestaltete Verfassung aussetzen und eine Übergangsregierung einsetzen. Dies liefe auf die Entmachtung Mursis hinaus.

Die Armee kündigte in der Nacht über das soziale Netzwerk Facebook an, sie kämpfe gegen die, die das Volk verängstigten. Sie werde Terroristen und Extremisten bekämpfen und ihr Blut für Ägypten opfern.

Mursi betonte derweil erneut, er sei durch demokratische Wahlen ins Amt gekommen. „An dieser Legitimierung halte ich fest“, sagte er in der Nacht zum Mittwoch in einer vom Fernsehen übertragenen Rede. Er kündigte eine Reihe von Maßnahmen an, um sich mit seinen Gegnern zu verständigen, darunter auch eine Regierungsumbildung. Mursi rief seine Landsleute auf, nicht die Konfrontation mit den Streitkräften zu suchen oder Gewalt anzuwenden. Er gab Fehler zu und versprach, sie zu korrigieren. Mursi machte die Korruption und „Überbleibsel des alten Regimes“ von Langzeitherrscher Husni Mubarak für die Missstände im Land verantwortlich.

Mursis Anhänger wollen die Krise zum ideologischen Machtkampf zwischen Muslimen und Feinden des Islam hochstilisieren. Sie wollen sich gegen eine Entmachtung wehren. Die Gegner des Präsidenten drohen ebenfalls mit weiteren Aktionen – allen voran die Protestbewegung „Tamarud“. Die Gruppierung hatte seit Anfang Mai nach eigenen Angaben mehr als 22 Millionen Unterschriften gegen den Staatschef gesammelt.

Vermögensverschiebungen ins Ausland befürchtet

Die ägyptische Zentralbank hat am Mittwoch laut Staatsfernsehen die Schließung aller Geldinstitute im Land angeordnet. Am Donnerstag sollen sie aber für mehrere Stunden wieder öffnen. Die Zeitung „Al-Ahram“ berichtete in ihrer Online-Ausgabe, dass die Banken dann zwischen 8.30 Uhr und 13.00 Uhr öffnen sollten.

Demnach sollten auch Einschränkungen bei Geldtransfers ins Ausland aufrechterhalten bleiben, die seit dem Arabischen Frühling und dem Sturz von Langzeitpräsident Husni Mubarak im Februar 2011 bestehen. So können Auslandsüberweisungen bei Beträgen von mehr als 100 000 US-Dollar nicht ohne weiteres getätigt werden.

Der Sprecher der Muslimbruderschaft, Gehad al-Haddad, hat den Widerstand der Islamisten gegen eine Entmachtung des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi bekräftigt. „Der einzige Plan, den die Menschen angesichts eines Putschversuchs haben, ist, sich vor die Panzer zu stellen. So wie wir es bei der Revolution des 25. Januar (2011) gemacht haben“, erklärte er am Mittwoch über den Kurznachrichtendienst Twitter.

In Anbetracht der festgefahrenen Fronten droht Ägypten eine Rückkehr zum Status quo ante, der geherrscht hatte, bevor Langzeitstaatschef Husni Mubarak gestürzt wurde. Und das scheint möglicherweise noch das geringere Übel zu sein. Auch bürgerkriegsähnliche Entwicklungen wie im Algerien der 90er-Jahre werden vielfach befürchtet. (dpa/dtj)