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Politik

Mursis offizielle Ansprache provoziert die ägyptische Opposition

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Der ägyptische Präsident Mohammad Mursi ignorierte in seiner ersten Rede zu den Unruhen in Ägypten am Donnerstagabend jegliche Forderungen der Opposition, gab sich gleichzeitig aber gesprächsbereit. Ägyptens Opposition tobt. (foto: rtr)

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Mursis offizielle Ansprache provoziert die ägyptische Opposition
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Kairo – In seiner ersten Ansprache seit Beginn der blutigen Ausschreitungen in Kairo ging Mursi am Donnerstagabend mit keiner Silbe auf die Forderungen der Opposition ein. Die Schuld an den gewaltsamen Ausschreitungen in mehreren Großstädten gab er seinen politischen Gegnern. In der im ägyptischen Fernsehen übertragene Ansprache erklärte er außerdem, es werde weder eine Änderung an dem umstrittenen Verfassungsentwurf geben, noch werde der Termin für das Referendum verschoben.

Mursi überraschte nach diesen kompromisslosen Äußerungen seine Zuschauer mit einer Einladung an die Oppositionellen, sich an diesem Samstag zu einem „Dialog“ zu treffen. Die Jugend-Revolutionsbewegung 6. April und alle maßgeblichen Oppositionsparteien erklärten, sie wollten auf dieses Dialog-Angebot verzichten, da es sich offensichtlich nur um einen „PR-Gag“ handle.

Ägypten steht ein „heißes“ Wochenende bevor

Die ägyptische Opposition reagierte verärgert auf die selbstbewusste Ansprache des Präsidenten. Der Koordinator der Nationalen Rettungsfront, Mohammed ElBaradei, erklärte: „Mursi hat die Tür zugeschlagen.“ Ein Dialog mit dem Präsidenten sei nicht mehr möglich, da er nicht bereit sei, Kompromisse zu schließen. Im Namen des links-liberalen Oppositionsbündnisses rief ElBaradei die Ägypter auf, sich an den Protestkundgebungen am Freitagnachmittag zu beteiligen. Verärgerte Demonstranten setzten zuvor schon unmittelbar nach der Ansprache Büroräume der Muslimbruderschaft in Kairo in Brand. Hauptziel der ägyptischen Opposition ist es momentan, das für den 15. Dezember geplante Verfassungsreferendum zu verhindern.

Zuvor waren nach Informationen des Senders „Al-Dschasira“ vom Donnerstagabend bei den Straßenkämpfen in Kairo und Suez sieben Menschen getötet und insgesamt 771 verletzt worden. Die Polizei nahm 150 Verdächtige fest.

Auf dem Tahrir-Platz in Kairo trafen Aktivisten am Freitagmorgen Vorbereitungen für eine Kundgebung, die unter dem Motto „Rote Karte“ stehen soll. Für Freitag und das kommende Wochenende wird nun mit weiteren Demonstrationen und einer Fortsetzung der gewaltsamen Proteste in Form von Straßenschlachten gerechnet.

Die Opposition und der Westen stehen nicht hinter Mursi – jedoch Millionen Anhänger der Muslimbruderschaft

US-Präsident Barack Obama forderte Mursi in einem Telefongespräch auf, einen Dialog mit der Opposition ohne Vorbedingungen zu suchen. Wie das Weiße Haus weiter mitteilte, betonte Obama in dem Gespräch, dass alle politischen Führer in Ägypten ihren Gefolgsleuten klarmachen sollten, „dass Gewalt nicht hinnehmbar ist“.

Doch Mursi scheint sowohl von den Protesten der Opposition als auch von internationalen Appellen an ihn relativ unbeeindruckt zu sein, weiß er doch eine gut vernetzte, Hunderttausende Anhänger zählende und in der ägyptischen Gesellschaft tief verwurzelte Bewegung hinter sich: die Muslimbruderschaft.

Vor dem Sturz des alten Regimes unter Mubarak war die Muslimbruderschaft offiziell verboten, wurde aber inoffiziell geduldet. Sie ist die am besten organisierte politische Bewegung Ägyptens und entwickelte über die Jahre ein eigenes, von einem Großteil der muslimischen Bevölkerung befürwortetes politisches Programm. Anders als die Oppositionsparteien, deren Anhängerschaft sich hauptsächlich in den großen Städten konzentriert, spannt sich das politische und soziale Netzwerk der 1928 gegründeten Muslimbruderschaft über ganz Ägypten – auch über verarmte und abgelegene Teile des Landes.

So erhielt sie bei der ersten Parlamentswahl nach dem Sturz Mubaraks die meisten Stimmen (37,5%) und hat den Verfassungsentwurf wesentlich mitformuliert. Den Kurs der Bruderschaft bestimmt ihr Oberhaupt, der „Murschid“ Mohammed Badia, nicht etwa der jetzige Präsident Mursi.

Die Opposition befürchtet, dass Mursi eine Gesellschaftsumformung hin zu einem streng islamischen Staat vorantreibe. Kommt das Verfassungsreferendum durch, so die Befürchtung vieler Oppositioneller, wäre die endgültige Machtübernahme der „Islamisten“ vollzogen.
Manche Beobachter berichten hingegen, die Fronten würden heterogener verlaufen. So berichtet der Hamburger Blogger Akif Sahin, dass sich auch Salafi-Gruppen der sonst primär aus Liberalen und Christen bestehenden Opposition angeschlossen hätten.

Die jüngsten Krawalle hatten am Mittwoch begonnen, als Muslimbrüder Zelte zerstörten, die Aktivisten aus Protest gegen die Machtpolitik Mursis vor dem Präsidentenpalast aufgebaut hatten. Die Zusammenstöße zwischen den Oppositionellen und Anhängern der regierenden islamischen Parteien waren die heftigsten Ausschreitungen seit Mursis Amtsantritt. (dpa/dtj)