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DTJ-Blog

Musa und Fatima: Ein halbes Jahrhundert Ehe

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Heute ist Valentinstag, einer der besten Zeitpunkte, um sich bewusst zu werden, was man an der Liebe hat. Nicht viele Menschen schaffen es, ein halbes Jahrhundert miteinander zu verbringen. Umso wertvoller sind die Erfahrungen, die diese Glücklichen mit ihrer Umwelt teilen können. So wie Fatima und Musa A., die einst als Einwanderer aus dem Libanon ein besseres Leben in Deutschland suchten. Die beiden erzählen, wie sie es über 50 Jahre schafften, gemeinsam ein Leben aufzubauen, wie sich das Land seitdem verändert hat und natürlich, wie man ein halbes Jahrhundert lang verliebt bleibt.

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Mussa und Fatima A.
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Musa und Fatima, ihr seid jetzt seit fünfzig Jahren verheiratet? Erzählt mal von Beginn eurer Ehe, wenn ihr möchtet.

Fatima: Also kennengelernt und verliebt haben wir uns im Libanon. Das war in den Sechzigern und kurz darauf haben wir auch geheiratet. Er war schon damals in Deutschland und hat mich nachgeholt.

Musa: Wir wussten damals schon, dass wir in Deutschland ein besseres Leben für uns und unsere zukünftige Familie haben werden. Deswegen haben wir entschieden, dass Deutschland unsere neue Heimat wird.

Wie viele Kinder habt ihr?

Musa: Wir haben fünf Kinder.

Fatima: Einen Jungen und vier Töchter. Sie sind mittlerweile alle Erwachsen und aus dem Haus. Und wir sind jetzt auch Großeltern von vier wundervollen Enkelkindern.

Was machen die Kinder beruflich?

Fatima: Vier von fünf haben zu Ende studiert und sind beruflich ziemlich erfolgreich. Die Kleinste studiert gerade im fünften Semester Wirtschaftsinformatik und wird in kürze auch fertig sein.

War die schulische Ausildung für eure Kinder wichtig?

Musa: Natürlich, dass war unter anderem einer der Gründe warum wir damals nach Deutschland gekommen sind.

Ihr habt euch für Deutschland entschieden, war es rückblickend betrachtet eine gute Entscheidung.

Musa: Also uns ging es sehr gut in Deutschland. So jedenfalls meine Meinung. Hier hatte ich alles, was ich brauche. Einen guten Job, um die Familie über Wasser zu halten, ein Dach über dem Kopf und Essen im Kühlschrank. Das waren Dinge, die waren nicht selbstverständlich im Libanon, wo es kriegerische Auseinandersetzungen gab.

Fatima: Es war nicht einfach, muss ich zugeben. Insbesondere die ersten Jahre. Ich kann mich noch daran erinnern, als wir die ersten Schritte in Deutschland gemacht haben. Wir waren die erste Generation Gastarbeiter. Man steigt aus dem Zug aus und alles war damals fremd. Wir kannten niemanden, hatten keine Verwandten und Freunde in Deutschland und waren auf uns alleine gestellt. Man kannte die Sprache nicht und es gab damals nicht viele Anlaufstellen, um sich Hilfe zu holen.

Heute sprecht ihr die deutsche Sprache sehr gut. Was hat sich geändert im Laufe der Jahre?

Musa: Also letztes mal, als wir gemeinsam durch die Straßen spazieren gegangen sind, sagte Fatima mir, wie unglaublich unterschiedlich die deutsche Gesellschaft geworden ist. Im Positiven; und sie hatte Recht. Wir sahen genau hin und erinnerten uns. Sie erinnerte sich damals an die ersten Tage, Monate und Jahre in Deutschland und verglich sie mit dem heutigen Deutschland. Sie zeigte mir wie viele unterschiedliche Menschen aus den unterschiedlichsten Nationen heute zum Beispiel in Berlin unterwegs sind und mit ihren Sprachen unser Land bereichern. Heute leben auch sehr viele Spanier und Franzosen hier. Das wirkt alles sehr bunt. Damals waren wir Gastarbeiter, heute sind wir Menschen dieses Landes.

Ist das heutige Deutschland besser als das damalige?

Fatima: Also ich finde das heutige auf jeden Fall besser als das damalige. Damals war alles Grau und eintönig. Die Straßen waren nicht belebt. Die Wende kam mit dem Ende der Berliner Mauer. Da war das Land endlich vereint und konnte sich auf die Zukunft konzentrieren. Heute bietet sich für die jungen Leute alles Mögliche. Sie können die Welt bereisen, sie können feiern und weniger Sorgen auf den Schultern tragen. Das sind Dinge, die hatten wir nicht zur Verfügung. Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass die jungen Menschen nicht schätzen, was sie haben.

Wie war damals die Erziehung eurer Kinder unter den damaligen Umständen?

Musa: Also wenn ich etwas weiß, dann dass es das schwierigste auf dieser Welt ist, ein Kind zu schützen und zu einem verantwortungsbewussten, rücksichtsvollen Menschen zu erziehen. Ich musste damals leider sehr viel arbeiten und konnte nicht oft zuhause sein. Ich hatte zwei Jobs und musste sieben Tage die Woche arbeiten, damit wir über die Runden kommen. Es war meine Frau, die eine großartige Mutter für meine Kinder war in all der Zeit. Sie hat unsere Kinder zu dem Gemacht was sie heute sind.

Fatima: Wichtig war es für mich meine Kinder zu dankbaren Menschen zu erziehen und Bescheidenheit zu lernen so wie es für uns Muslime gehört. Ich sagte meinen Kindern immer sie sollen auf die Kleinigkeiten des Lebens achten. Auf die kommt es im Leben an. Dinge, die die meisten Menschen im Laufe ihres Lebens oft nicht mehr sehen.

Wie war das eigentlich in der DDR?

Musa: Ach ja, zu DDR-Zeiten lebten wir in West-Berlin. Die Berliner Mauer ist bis heute unerklärlich für mich. Ich habe diese Mauer abgrundtief gehasst. All die Jahre, die ich zur Arbeit fuhr, sah ich jeden Tag diese Mauer, die wie ein Fluch an dieser Stadt klebte. Das muss man sich mal vorstellen, da gab es eine Mauer, über die ganze Stadt, die Menschen voneinander trennte, die Menschen nicht rauslassen wollte, sprichwörtlich einsperrte. Eine kilometerlange große Mauer. Ich möchte nur sagen, Deutschland hat viel durchgemacht. Junge Menschen sollten wissen, dass Freiheit keine Selbstverständlichkeit ist. Ich weiß es leider zu gut. Ich habe den Krieg im Libanon erlebt. Wenn man nicht aufpasst und nicht Acht gibt, steht da auf einmal eine Mauer. Viele junge Menschen halten vieles Schlechtes in der Geschichte heute nicht mehr für möglich. Aber der Mensch kann zu solchen Gräueltaten fähig sein wie es seine Phantasie zulässt und die ist bekanntermaßen grenzenlos.

Seid ihr auf Rassismus gestoßen?

Fatima: Ja, aber weißt du was, die jungen Leute von heute sind viel lockerer und kontaktfreudiger als die alten Generationen. Das habe ich beobachtet. Ich bin da zuversichtlich, was die Zukunft Deutschlands angeht. Leute, die die AfD wählen, sind hauptsächlich alte Leute. Die jungen Leute sind die Menschen, die mit der Vielfalt dieses Landes geboren und aufgewachsen sind, in der Schule und beim Fussballverein. Das ist gut. Die sagen: „Hey, das stimmt nicht, was du sagst. Ich habe viele muslimische Freunde. Die sind ganz und gar nicht so. Ich bin mit ihnen aufgewachsen.“ Das ist bei den Älteren nicht so. Ich bin politisch interessiert, seit ich denken kann. Und da, wo die wenigsten Menschen mit Migrationshintergrund leben, da herrscht am meisten Rassismus gegen Muslime.

Also jetzt seid ihr ja seit fünfzig Jahren verheiratet. Das ist ein halbes Jahrhundert und ein ganzes Leben. Wenn ich mir Statistiken und Zahlen angucke, sehe ich, dass sich heute viele junge Ehepaare relativ schnell scheiden lassen. Was ist euer Rezept für eine lange, glückliche Ehe?

Fatima: Also damit die Ehe funktioniert, sind beide Seiten wichtig. Aber ja, die Frau trägt auch hier und da die meiste Verantwortung. Ich möchte jetzt nicht sagen, unsere fünfzig Jahre waren nur pure Liebe, es gab auch schlechte Zeiten, in denen wir unsere Tiefen hatten. Aber an Tagen, an denen wir uns gestritten haben, wussten wir auch am Abend, dass der andere den anderen liebt und respektiert.

Musa: Also ich glaube an die Liebe auf den ersten Blick. Daran glaube ich, weil es bei mir der Fall war. Ich habe mich damals auf den ersten Blick in sie verliebt und sagte damals schon meinen Freunden, dass ist die Frau mit der ich den Rest meines Lebens verbringen werde. Jeden Morgen, wenn ich in den Spiegel gucke und je älter ich jeden Tag werde und dem Jenseits näher komme, liebe ich meine Frau jeden Tag ein bisschen mehr. Weil ich doch weiß, wie einsam und allein ich ohne sie in dieser Welt wäre. Die Falten, die weißen Haare, dass sind Dinge die wir nicht verhindern können. Aber darum gehts auch gar nicht. Das Älterwerden kann niemand stoppen. Wichtig ist, dass wir jemandan an unserer Seite haben, mit dem wir glücklich sind und gemeinsam alt werden.

Es heißt, die ersten drei Jahre sind die schwierigsten.

Fatima: Ja, das stimmt. Man ist halt jetzt immer mit der einen Person zusammen, man muss lernen, auch geduldig zu sein und den anderen zu verstehen. In den ersten Jahren kann es schwierig werden, weil man seine Lebensumstände sehr stark verändert. Aber hier zählt, dass man das gemeinsam bewerkstelligt.

Musa: Und das man gemeinsam über alles redet.

Wenn ihr allen jungen Paaren, die eine gemeinsame Zukunft planen, eine Weisheit auf dem Weg geben würdet, welcher wäre das?

Fatima: An alle jungen verliebten Damen da draußen: Schätzt euch glücklich, wahrhaftig verliebt zu sein. So was kommt sehr selten zweimal vor. Das weiß ich, weil es vielen Menschen noch nicht mal einmal im Leben passiert. Liebe, Respekt und den anderen nicht als selbstverständlich sehen. Und wenn ihr schon dabei seid: Haut einfach mal auf den Tisch, um klar zu machen, wer der Chef ist.

Musa, Du scheinst mir ein Pantoffelheld zu sein.

Musa: Ich werde jetzt allen jungen Herren ein Geheimnis anvertrauen. Eine Methode, die ich über Jahre bis ins kleinste Detail perfektioniert habe: Macht einfach das, was die Frau sagt. Wirklich. Und wenn es mal nicht so klappt, wie es die Frau wollte, dann könnte ihr sagen: Schatz, ich hab doch nur das getan, was du mir gesagt hast und ihr seit aus dem Schneider (lacht).

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