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Politik

Muslimbrüder kämpfen gegen Verbotsurteil an

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Am Montag gab ein Gericht in Kairo dem Antrag einer linksextremen Kleinpartei statt, die Muslimbruderschaft für illegal zu erklären. Die Betroffenen wollen sich gegen das offenkundig politische Urteil friedlich und rechtsstaatlich wehren. (Foto: dpa)

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Eine Gruppe junger Muslimbrüder hat sich vor einem Sitz der Organisation versammelt.
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Ein ägyptisches Gericht hat am Montag die Muslimbruderschaft verboten, berichten örtliche Medien mit Hinweis auf den Gerichtsbeschluss. Zudem beschloss das Gericht, der Bewegung den Status einer Nichtregierungsorganisation abzuerkennen sowie ihr Vermögen zu konfiszieren.

Zwölf Wochen nach dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi ist die Muslimbruderschaft in Ägypten für illegal erklärt worden. In einem Eilverfahren erließ am Montag ein Gericht in Kairo ein Verbot, das für alle Ableger der Organisation gilt. Das Vermögen und die Immobilien der seit 85 Jahren bestehenden Bewegung sollen von der Regierung konfisziert werden. Damit steht die Bruderschaft, die in Kairo noch vor drei Monaten den Präsidenten und die Mehrheit der Minister gestellt hatte, heute noch schlechter da als unter dem 2011 gestürzten Präsidenten Husni Mubarak.

Während der Urteilsverkündung sei kein Vertreter der Muslimbruderschaft im Gerichtssaal anwesend gewesen, berichtete ein dpa-Mitarbeiter. Die Organisation sei aber durch einen Anwalt vertreten worden. Ein Mitglied der Muslimbruderschaft sagte dem Nachrichtenportal „Ahram Online“, seine Organisation wolle Einspruch gegen das Urteil einlegen.

An der Wahlurne erfolglose Tagammu-Partei will sich der Konkurrenz entledigen

Der Prozess geht auf eine Klage der linksextremen Tagammu-Partei („National-Progressive Unionistische Sammlungspartei“) zurück. Diese hatte argumentiert, die Muslimbrüder gefährdeten die nationale Sicherheit. Der ehemalige Tagammu-Vorsitzende Refaat al-Said sagte der Zeitung „Al-Shorouk“, das Urteil sei ein „Sieg für die zivilen Kräfte“. Er kritisierte gleichzeitig frühere politische Weggefährten, die nach den Parlamentswahlen 2012 versucht hatten, sich mit den Islamisten zu arrangieren. Die orthodox marxistisch-leninistische Partei hatte bei den Parlamentswahlen 2010 lediglich 5 der 518 Mandate im Parlament erringen können und scheint die derzeitige Situation nutzen zu wollen, um den Einfluss, den sie in freien Wahlen nicht zu gewinnen vermag, durch das administrative Ausschalten der Konkurrenz erweitern zu können.

Anhänger der Muslimbruderschaft erklärten im Kurznachrichtendienst Twitter, das Verbot sei eine „politische Entscheidung, die keinen Erfolg haben wird“. Die Polizei hatte das Gerichtsgebäude in der Kairoer Innenstadt am Morgen hermetisch abgeriegelt. Viele Schaulustige, die sich vor dem Gericht versammelt hatten, jubelten nach der Urteilsverkündung.

Unter Mubarak war die Muslimbruderschaft zwar verboten gewesen. Sie hatte jedoch in mehreren Städten Büros gehabt. Ihre Mitglieder hatten als „Unabhängige“ an Parlamentswahlen teilnehmen können. Nach den Parlaments- und Präsidentenwahlen 2011 und 2012 war die Bruderschaft zur stärksten politischen Kraft aufgestiegen.

Mit dem Muslimbruder Mohammed Mursi trat im Juni 2012 erstmals ein Zivilist an die Spitze des ägyptischen Staates. Die Armee setzte ihn am 3. Juli ab. Seither demonstrieren seine Anhänger fast täglich gegen den Putsch.

Wollen Putschisten den Bürgerkrieg provozieren, um weiter Bürgerrechte abbauen zu können?

Den Rat mehrerer westlicher Regierungen, die Muslimbrüder nicht zu dämonisieren, hatte die ägyptische Übergangsregierung als Einmischung zurückgewiesen. Inzwischen sitzt fast die komplette Führungsriege der Bruderschaft in Haft. Ihr wird vorgeworfen, sie hätten ihre Anhänger zur Gewalt aufgerufen. Nach dem Putsch wurde Mursi „aus Sicherheitserwägungen“ unter Arrest. Er wird der Spionage und verbrecherischer Kontakte zur Hamas-Bewegung bezichtigt.

Die sunnitische Muslimbruderschaft wurde 1928 vom Grundschullehrer Hasan al-Banna (1906–1949) im ägyptischen Ismailia mit dem Ziel ins Leben gerufen, einen islamischen Staat auf dem Territorium Ägyptens zu gründen. Trotz ihres Verbots 1954 blieb die Bewegung in der ägyptischen Gesellschaft weiterhin einflussreich. In den zurückliegenden Jahren hatten die Muslimbrüder mehrmals verkündet, auf gewaltsame Kampfmethoden zu verzichten.

Ob sie nach einem rechtskräftigen Verbot aus dem Untergrund heraus noch in der Lage sein, auf alle ihre Anhänger mäßigend einzuwirken, ist indessen ungewiss. Die augenscheinlichen Versuche der Putschregierung und notorischer Trittbrettfahrer wie der Tagammu-Partei, die den Antrag gestellt hatte, politisch Andersdenkende kurzerhand zum Schweigen zu bringen, deuten darauf hin, dass man eine weitere gewaltsame Eskalation der Situation billigend in Kauf zu nehmen bereit ist. (dpa/RIA Novosti/dtj)