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Gesellschaft

„Muslimische Gräber am Kirchenfriedhof werden die Trauerkultur beleben“

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Auf dem evangelischen Neuen Zwölf-Apostel-Kirchhof in Berlin-Schöneberg wurde eine Fläche für muslimische Bestattungen zugeteilt. Der Sprecher des Friedhofs, Bertram von Boxberg, sieht dies als eine Chance für die Belebung der Trauerkultur.

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Zwei Bagger auf dem Neuen Zwölf-Apostel-Kirchhof eilen hin und her. Dieses Mal schaufeln sie die Erde für ein besseres Zusammenleben und eine gemeinsame Trauerkultur. Es wird hier eine Eröffnung mit dem Oberbürgermeister von Schöneberg geben und zum ersten Mal werden Muslime unter islamischen Vorschriften und unter der Trägerschaft einer Kirche begraben werden.

Dies ist laut Bertram von Boxberg, dem Sprecher des Friedhofs, eine erfreuliche Entwicklung für die immer sparsamer ausfallende Trauerkultur. Da er selbst muslimische Beerdigungen gesehen und es ihn beeindruckt habe, wie die Anwesenden mit dem Tod eines geliebten Menschen umgehen, die Schaufeln selbst in die Hand nehmen und das Grab bedecken, möchte er diesen Anblick auch am Schöneberger Friedhof erleben. „Wenn die Muslime das Grab selber bedecken wollen, kann man ihnen hier Schaufeln zur Verfügung stellen“, sagt er.

„Man sollte die Toten wie die Lebenden behandeln.“ Auch diesen Satz von einem muslimischen Vertreter findet von Boxberg sehr beeindruckend und kommt zu dem Schluss, dass Christen und Muslime viel voneinander lernen können.

Nicht alles läuft exakt nach islamischen Gegebenheiten ab

Wie ist es nun zu diesem Schritt gekommen, dass auch Muslime auf dem Friedhof begraben werden können? Von Boxberg berichtet von mehreren Faktoren: Dazu gehören die Dialoge mit der Semerkand-Moschee, die Erfahrungen im toleranten Schöneberg und die Frau des Pfarrers, Dr. Alexander Fuhr, die Türkin ist. Dadurch habe sich der Kontakt zu den Muslimen auch vereinfacht.

Auf dem Friedhof gibt es nun 346 Grabstellen für Muslime. Die Zahl sei auch so hoch, da der einzige muslimische Friedhof an der Şehitlik-Moschee am Columbiadamm fast überfüllt sei und der Friedhof in Gatow zu weit entfernt liege.

Es sei ein Bedürfnis für die Muslime, die seit Jahren in Berlin Stadt leben, auch hier begraben werden zu dürfen. Dadurch werde die Trauerkultur auch zu einem Teil der Öffentlichkeit. Von Boxberg sagt, den Muslimen werde auch ein Platz für das Trauergebet zur Verfügung gestellt. Die Verstorbenen werden jedoch woanders, zum Beispiel in einer Moschee, gewaschen. Eine Waschung ist laut islamischem Glauben Pflicht.

Der Friedhof kann nicht alle Praktiken einhalten, doch versuchen die Verantwortlichen ihr Bestes. So beträgt die gesetzliche Ruhezeit 20 Jahre, aber eine Verlängerung um 40 Jahre ist auch möglich. Man könne sogar bei der Bestattung eine längere Vereinbarung treffen. Viele der Einzelheiten sind auch mit DITIB, dem größten türkisch-islamischen Verband in Deutschland, abgesprochen worden.

Es kann eine Trauerkultur entstehen

Von Boxberg glaubt nicht, dass es unter Christen Proteste geben wird. In Berlin gebe es mehr als 200 Friedhöfe. Er hofft, dass wenn Muslime und Christen auf einem Friedhof begraben werden, es zu einer gemeinsamen Trauerkultur kommt, die Menschen nicht weit weg reisen müssen, um ihre Toten zu besuchen, dabei den anderen bei seiner Trauerkultur beobachten können. Christian Gaebler, Staatssekretär in der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, stimmt ihm zu und hofft, dass andere kirchliche und staatliche Friedhöfe Muslimen diese Möglichkeit geben.