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Kolumnen

„Muslimische“ Weihnachtstimmung und die Wiederkunft Jesu

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KOLUMNE Nur eine Woche vor dem Anschlag war ich mit einem guten Freund auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin. Er war neu in Berlin und wollte unbedingt die größten Weihnachtsmärkte der Hauptstadt besichtigen, woraufhin ich ihm zuerst den in Berlin-Mitte, danach jenen am Breitscheidplatz zeigte. Wir kauften französischen Käse ein und tranken zusammen Kinderpunsch. Ich erzählte ihm die Besonderheiten der Adventszeit und der Geburt Jesu, wies auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Islam und Christentum. Als Islam-Theologe war er von beiden Märkten begeistert, besonders von der friedlichen, familiären und geborgenheitsvollen Stimmung auf den Weihnachtsmärkten.

Nun stehe ich am selben Platz, erfüllt mit großem Leid und Entsetzen. Aber auch mit der Hoffnung, dass uns solch eine Übeltat und Katastrophe nicht mehr widerfährt, dass wir nach wie vor diesen Nächten mit großer Freude begegnen.

Meine StudentInnen fragten mich, ob ich Weihnachten feiere. Ja, ich feiere jede Nacht, in der ein Botschafter Gottes geboren ist. Wüsste ich doch nur, wann Noah, Abraham und Moses geboren sind, würde ich diese Nächte ebenfalls mit großer Freude feiern, wie ich vor wenigen Tagen erst die Geburt meines Propheten Muhammads gefeiert habe. Der Geburtstag Jesu ist für mich ein so wichtiges Ereignis, dass es für mich als Muslim undenkbar ist, demgegenüber gleichgültig zu bleiben. Denn mit seiner Geburt kamen das Licht des Glaubens, die Sonne der Liebe und die Grundlage der Hoffnung in die finsteren Herzen und Länder. Nur bin ich mir nach islamischer Lehre nicht ganz sicher, wann er tatsächlich geboren ist. Immerhin gilt die Weihnacht für mich als ein symbolischer Tag – trotz der Datumsunterschiede zwischen Katholiken, Protestanten und Orthodoxen für seine Ankunft in dieser Welt.

Nicht nur Jesus, sondern auch seine Jünger gelten für mich als Menschen, die mit einer besonderen Botschaft auserwählt waren. Vor elf Jahren besuchte ich das Grabmal von Schimon Petrus im Vatikan zu einer Weihnachtszeit und rezitierte dabei vor seinem Grabmal das Herzstück des Korans (Yāsin). Ich war nicht der erste und werde nicht der letzte Muslim sein, der sein Grab besucht hat. In den Reiseberichten von Evliya Çelebi, dem Marco Polo des Osmanischen Reiches, habe ich gelesen, dass er das Mausoleum Petri auch besuchte.

Aber Jesus ist natürlich unvergleichlich und anders als seine Jünger. Denn ich glaube als Muslim an seine Wiederkunft, wie absurd auch dies für diejenigen erscheinen mag, die alles Metaphysische verkennen. Ja, laut meiner islamischen Lehre wird er wiederkommen und die Welt mit Frieden erfüllen. Die Waffen und Schwerter werden schweigen, es wird keinen Krieg mehr geben, Löwe und Gazelle werden in Sicherheit leben. Ich kenne keinen Zeitabschnitt in der islamischen Geschichte, in dem der Bedarf nach seiner Wiederkunft so groß ist wie jetzt. Wüsste ich wann dieser besondere Tag ist, an dem er auf die Welt kam, würde ich ihn aus tiefem Herzen auch als Weihnacht feiern.

Ich wünsche allen Menschen, die dieses Fest begehen, frohe Weihnachten.