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Politik

Muss Ägypten den Iran fürchten?

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Seit der durch den Iran unterstützten Ermordung des ägyptischen Präsidenten Anwar al-Sadat 1981 liegen die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Staaten auf Eis. Mittlerweile bahnt sich ein Tauwetter an – mit Vorbehalten. (Foto: aa)

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Muss Ägypten den Iran fürchten?
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Zwei der beiden wichtigsten Länder des Nahen Ostens, Ägypten und der Iran, haben begonnen, den Tourismus als Mittel zur Normalisierung der wechselseitigen Beziehungen zu nutzen. Nach einer Pause von 34 Jahren gibt es wieder regulären Flugverkehr zwischen beiden Ländern. Iranische Touristen können endlich wieder das Land besuchen.

Viele glauben und geben ihrer Hoffnung Ausdruck, dass vermehrte wechselseitige Besuche dafür sorgen werden, dass die Völker beider Nationen ein gegenseitiges Verständnis füreinander entwickeln und damit auch die diplomatischen Beziehungen zum Positiven verändern werden.

Trotz starker Wünsche Teherans, seine Beziehungen zu Ägypten zu stärken, lässt sich die anti-iranische Haltung in der ägyptischen Öffentlichkeit nicht von heute auf morgen beseitigen. Hinter dieser öffentlichen Haltung steht die Befürchtung, dass der Iran versuchen werde, offensiv die Schia am Nil zu propagieren, sobald die Beziehungen zwischen den beiden Ländern sich verbessert haben.

Gibt es eine realitätsnahe Grundlage für diese Angst? Absolut. Obwohl keine genauen Zahlen empirisch belegt sind, wird die Anzahl der Mitglieder unterschiedlichster schiitisch orientierter Sufi-Orden in Ägypten auf um die 10 Millionen geschätzt. Außerdem wird behauptet, dass der Großteil dieser Menschen Analphabeten sind. Und diese Tatsache schafft Misstrauen gegen dem Iran, welcher die Ausbreitung der Schia als einen wichtigen Teil seiner Strategie betrachtet, die eigene Einflusssphäre zu erweitern.

Tourismus auf Touristengebiete beschränken?

Seit mehreren Jahrhunderten schon unterstützt der Iran schiitische Aktivitäten, die ihre Glaubensgrundlagen innerhalb der islamischen Welt, einschließlich der Türkei, weiterverbreiten, mal etwas offener, mal heimlich.

Ägypten, das zu seiner Zeit das Zentrum des Kalifats der schiitischen Fatimiden war, ist schon immer ein wichtiges Zielgebiet zur Einflussnahme zu Gunsten des Irans gewesen. Es gibt viele Fatimidenstrukturen innerhalb Ägyptens, darunter natürlich auch die berühmten Moscheen al-Azhar und Imam Husain. Es wird nun befürchtet, dass iranische Touristen die wichtigste Rolle in Ägypten spielen könnten, um die Schia zu verbreiten. Deshalb wird gefordert, dass ägyptische Beamte iranischen Touristen lediglich das Besichtigen eher touristischer Gebiete wie Sharm el-Sheikh, Luxor und Aswan erlauben sollen. Auf der anderen Seite jedoch scheint es für Ägypten, als ein Land, das versucht, seine diplomatischen Beziehungen zu Iran zu verbessern, nicht möglich zu sein, den iranischen Tourismus auf bestimmte touristische Gebiete zu begrenzen.

Kurz gefasst wird eine auf Angst basierte Beziehung zum Iran nicht funktionieren. Die Türkei hat trotz zahlreicher thematischer Auseinandersetzungen und mehrerer Versuche des Iran, die Schia zu verbreiten, Handelsbeziehungen mit dem Iran im Umfang von 20 Milliarden Dollar. 1 Million iranische Touristen besuchen jedes Jahr die Türkei. Außerdem dürfte sich der Erfolg einer Verbreitung der Schia in Ägypten – bedenkt man etwa die Bedeutung der al-Azhar Moschee als eines Symbols für eine Festung des sunnitischen Islam und den enormen Anteil frommer sunnitischer Muslime in der Gesellschaft – voraussichtlich in überschaubaren Grenzen halten.

Ägypten auf diplomatisches Wohlverhalten angewiesen

Vor der Islamischen Revolution im Iran unterhielten beide Staaten enge Beziehungen, insbesondere während der Amtszeit des ägyptischen Königs Farouk. In der Tat liegt der letzte persische Schah, Reza Pahlevi, in Kairo begraben. Während der Khomeini-Ära haben sich die Beziehungen aber rapide verschlechtert. Die iranische Unterstützung für die Ermordung des ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat war der ausschlaggebende Grund für den Abbruch jeglicher diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Staaten, auch wenn amerikanischer und israelischer Druck auf Hosni Mubarak in dieser Zeit eine nicht unerhebliche Rolle spielten.

Ägypten sollte mit Blick auf die eigenen, ernsten wirtschaftlichen Probleme politische oder diplomatische Krisen mit anderen Ländern der Region, einschließlich Israel, vermeiden. Ganz im Gegenteil sollte Ägypten ernsthaft versuchen, die Beziehungen zu jedem Land zu stärken, auch zum Iran. Außerdem braucht Ägypten den Iran, um den indischen Subkontinent, aber auch die Turkstaaten Zentralasiens erreichen zu können.

Es ist natürlich durchaus möglich und wahrscheinlich, dass Mediengruppen und Oppositionskräfte, die alle Schritte des Mursi-Regimes kritisieren, auch jeden Schritt des Kompromisses und der Einigung in diese Richtung anprangern werden. Aber Ägypten muss seine Beziehungen zum Iran im Rahmen einer bestimmten Roadmap normalisieren. Es wäre wirklich eine seltsame Situation, dass Beziehungen zwischen zwei derart bedeutenden Ländern so schwach blieben.

Autoreninfo: Cumali Önal lebt seit Jahren in Kairo und ist dort als Korrespondent und Kolumnist für „Today’s Zaman” tätig.