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Bildung & Forschung

Uni Münster nimmt umstrittenen Theologen aus der Türkei auf

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Professor Mustafa Öztürk wird im Sommersemester 2021 als Gastdozent an der WWU Münster arbeiten
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Für seine antisemitischen Aussagen und Flüche in türkischen Talkshows musste sich Mustafa Öztürk in Vergangenheit kaum Kritik anhören. Seine Forderungen kurz nach dem Putschversuch 2016, die Gülen-Bewegung institutionell zu vernichten, wurden in der türkischen Öffentlichkeit ebenfalls nie thematisiert. Als der Theologe Ende 2020 eine neue These über den Ursprung des Koran zur Diskussion stellt, wird er plötzlich zum Feindbild aller Türken.

Bis Ende des vergangenen Jahres war Mustafa Öztürk ein gern gesehener Experte in türkischen TV-Talkshows. Seine antisemitischen Aussagen waren für die türkische Bevölkerung dabei nie relevant und wurden immer wieder ignoriert. In einer Talkshow im Jahr 2014 bezeichnete der Theologe Juden als Schlangen, als er sich zum Nahost-Konflikt äußerte. Er fügte zwar hinzu, dass er kein Antisemit sei, aber das jüdische Volk habe viel Undankbarkeit gegenüber Gott gezeigt und das stehe auch in den religiösen Schriften der Juden, so Öztürk.

Auch in den folgenden Jahren hielt er sich mit harschen Worten kaum zurück und trug regelrecht zur Spaltung der türkischen Gesellschaft bei. In einem Interview kurz nach dem Putschversuch 2016 mit der regierungsnahen Tageszeitung „Yeni Şafak“ ging Öztürk auf die Gülen-Bewegung ein und warf ihr gemeinsame Sache mit geheimen Gruppierungen aus den USA vor. Nur so könne man erklären, warum die Gülen-Bewegung weltweit so viele Schulen eröffnet habe, obwohl die Welt gegenüber Muslimen nach dem Anschlag auf das World Trade Center misstrauisch gewesen sei. Öztürk stellte dabei eine klare Forderung auf: Die Gülen-Bewegung müsse institutionell ausgelöscht werden. Auch für diese Aussagen erhielt er aus der türkischen Öffentlichkeit kaum einen Widerspruch.

Anscheinend werden seine antisemitischen und spalterischen Worte auch in Deutschland kaum beachtet oder bewusst ignoriert. Zumindest trifft das auf die Westfälische Wilhelms-Universität (WWU) Münster zu. Dort soll Öztürk die nächsten sechs Monate nämlich als Gastdozent lehren und wird sich nach eigenen Aussagen an einem Projekt über die sogenannte Maturidi-Schule, einer theologischen Richtung im sunnitischen Islam, beteiligen.

WWU Münster will antisemitische Aussagen nicht kommentieren

Die WWU bestätigte auf Anfrage von DTJ-Online, dass Öztürk im Sommersemester 2021 als Gastdozent an der Universität tätig sein werde. Man sei stark an modernen theologischen Diskursen interessiert und habe ihn deshalb eingeladen. Professor Öztürk sei ein „international ausgewiesener Koranforscher“ und gehöre zu den „wenigen muslimischen Theologen, die den Koran historisch-kritisch“ erforschten, so die WWU.

Zu den antisemitischen Aussagen Öztürks äußert sich die WWU allerdings nicht und scheint das zu ignorieren: „Die von Ihnen aufgeführten Äußerungen berühren nicht Herrn Öztürks Aufgaben in Münster – wir werden sie deswegen nicht kommentieren.“ Der Professor selbst ließ eine DTJ-Anfrage unbeantwortet.

Theologe wird in der Türkei scharf kritisiert

Nun trifft die Hetze, die Öztürk gegenüber Juden und der Gülen-Bewegung betrieben hat, offenbar ihn selbst und ist ein Grund für seinen Umzug nach Deutschland. Öztürk, der bis vor einigen Monaten als Professor für islamische Theologie an der angesehenen staatlichen Marmara-Universität lehrte, musste dort Anfang Dezember seine Kündigung einreichen, nachdem er wegen seiner Aussagen zu Gottesoffenbarungen in der türkischen Öffentlichkeit stark kritisiert wurde.

Er hatte die These aufgestellt, dass der Koran keine Gottesoffenbarung sei, sondern vom Propheten Muhammad „übersetzt“ und niedergeschrieben wurde. In der Aufnahme mit einer versteckten Kamera, die später an die Öffentlichkeit gelangte, erklärt er seine These genauer. Doch diese Erklärung überzeugte weder den Großteil seiner Kolleg:innen noch die Bevölkerung. Anfang 2021 wäre Öztürk ohnehin in Pension gegangen, doch aufgrund seiner steilen These musste er vorzeitig seine Kündigung einreichen.

Trotz allem hätte es ein leiser Abgang sein können. Doch dann erhitzte der Professor noch einmal die Gemüter: „Ich wünsche allen eine geistige Genesung in diesem nationalen Irrenhaus“, schrieb Öztürk, der regelmäßig auf Instagram unterwegs ist, in einer Story. Daraufhin folgte ein weiterer öffentlicher Shitstorm gegen ihn. Später erklärte er in einem Interview zwar, dass er damit lediglich auf einen speziellen Fall aufmerksam machen wollte und sich auf einige seiner früheren Aussagen bezogen habe, doch die Story reichte, um den einst hoch angesehen Professor als „Vaterlandsverräter“ abzustempeln. Er sei kein Vaterlandsverräter, beteuert Öztürk. Bei jedem seiner Auslandsaufenthalte wolle er immer schnellstmöglich in die Türkei zurück, weil er sich nach seiner Heimat sehne. Er liebe sein Land.

Öztürk sieht Gülen-Bewegung weiterhin als Feindbild

Angekommen in Deutschland zeigt Öztürk, dass er die Gülen-Bewegung weiterhin als Feindbild sieht und macht mit seinen Vorwürfen in Deutschland dort weiter, wo er in seiner Heimat aufgehört hat. Das bewies er zuletzt in einer Instagram-Story, als er einen Beitrag des englischsprachigen Nachrichtenmediums „TurkishMinute“ über seine antisemitischen Aussagen teilte. Darauf schrieb Öztürk, dass die Gülen-Bewegung in Deutschland, die er nach dem Muster der türkischen Regierung als „FETÖ“ bezeichnet und ihr damit den Stempel einer Terrororganisation aufdrückt, ihn dem deutschen Staat melden wolle. Das sei die „jüngste Feigheit“ der Bewegung. Auch in anderen Interviews sagte er immer wieder, dass „führende Gülenisten“ in Deutschland gegen ihn agieren würden.

Es scheint, als werde der Professor in den kommenden Monaten mehr mit politischen Äußerungen auffallen anstatt mit wissenschaftlichen Beiträgen.

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