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Politik

Mysteriöse „Runenspur“: Gibt es noch ein unentdecktes NSU-Verbrechen?

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Die Mitarbeiterin eines FDP-Parlamentariers ist auf ein sonderbares Detail im Zusammenhang mit den Morden der NSU-Terrorzelle aufmerksam geworden. Es soll eine Parallele zwischen dem NSU-Logo und den Tatorten geben.

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Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion im Landtag von NRW, Dr. Joachim Stamp, wurde nach Angaben der Hamburger Morgenpost von einer Mitarbeiterin im Zuge seiner Recherchen zum Parlamentarischen Untersuchungsausschuss auf eine Parallele zwischen den Tatorten der mutmaßlich der Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) zuzurechnenden Verbrechen und dem Logo, das diese in ihren Bekennervideos veröffentlich hatte.

„Wenn man die Tatorte miteinander verbindet, dann ergibt sich auf der Karte ein fast vollständiges NSU-Logo, das im Bekennervideo zu sehen ist. Es fehlt nur eine einzige Markierung, die zwischen Magdeburg und Berlin liegen würde.“ Der fehlende Punkt könnte ein Hinweis auf ein bis jetzt dem NSU nicht zugerechnetes Verbrechen sein, so Stamp.

In dem Logo, dass im Bekennervideo wiederholt auftaucht, sind die Buchstaben N und S in Form von Runen, also alte germanische Schriftzeichen, wie sie im Rahmen des ideologisierten Germanenkultes, den neonationalsozialistische Kreise pflegen, zusammengefügt. Was das „U“ anbelangt, wird allerdings das heute aus dem lateinischen Alphabet bekannte verwendet – die alten Germanen verwendeten dafür ein „ūruz“, das äußerlich eher an die Seitenansicht eines Fußballtores erinnert.

Dr. Stamp alarmierte sofort die Generalbundesanwaltschaft sowie den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht in München, wo derzeit gegen die einzig überlebende mutmaßliche Angehörige der Terrorzelle, Beate Zschäpe (40), verhandelt wird.

Abfolge der NSU-Morde passt allerdings chronologisch nicht zu der Theorie

Sollte die Lage der Tatorte tatsächlich dem vom NSU verwendeten Logo nachempfunden sein, würde dies eine mögliche Erklärung für die sonst bei Terroristen unübliche Praxis darstellen, über Jahre hinweg politisch motivierte Verbrechen zu verüben, aber kein Bekennerschreiben zu hinterlassen. In diesem Fall hätte das Risiko bestanden, dass die Ermittlungsbehörden das Konzept durchschaut und im Umkreis möglicher Tatorte die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt hätten.

Auf der anderen Seite spricht die Abfolge der Verbrechen nicht für eine Vorgehensweise, die sich gezielt an den Verbindungspunkten des Logos orientiert hätte. Wäre dies der Fall, hätte die Mordserie entweder in Köln oder in Rostock beginnen und sich je nach Zeichenrichtung über die Jahre weiterentwickeln müssen. Der erste Mord geschah jedoch am 9.9.2000 in Nürnberg, der letzte am 6.4.2006 in Kassel, die Polizeibeamtin Michèle Kiesewetter wurde am 25. April 2007 in der Nähe von Heilbronn ermordet.

Konzept des „führerlosen Widerstandes“

In den Jahren zwischen 2000 und 2007 töteten die Terroristen nach bisherigem Kenntnisstand zehn Menschen, darunter neun Einwanderer, und verübten mehrere weitere Verbrechen wie das Nagelbombenattentat in der Kölner Keupstraße im Jahr 2004 oder zahlreiche Banküberfälle. Zweifelsfrei bewiesen ist dies allerdinggs noch nicht. Am 4.11.2011 wurden in einem brennenden Wohnmobil in einem Ortsteil von Eisenach die Leichen zweier Personen gefunden. In weiterer Folge wurde bekannt, dass eine bis dahin unaufgeklärte Mordserie an Einwanderern und weitere unaufgeklärte Verbrechen einen rechtsterroristischen Hintergrund aufweisen.

Die seit ihrer Jugend in der organisierten neonationalsozialistischen Szene verwurzelten mutmaßlichen Terroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe waren 1998 abgetaucht, nachdem Polizeibeamte in Garagen, die der Gruppe zuzurechnen waren, Bomben und Bombenattrappen gefunden hatte.

Im gewaltbereiten Bereich der rechtsextremen Szene wurden damals vermehrt Konzepte eines bewaffneten Kampfes diskutiert, die sich an Vorstellungen eines „führerlosen Widerstandes“ mit Attacken vonseiten „einsamer Wölfe“ orientierten, die in dem Buch „The Turner Diaries“ des 2002 verstorbenen US-Neonaziführers William Pierce umschrieben worden waren.

Frage nach Helfern vor Ort immer noch ungeklärt

Eine Spur in den rechtsextremistischen Bereich wurde trotz Hinweisen vonseiten der Ermittlungsbehörden nicht verfolgt. Zahlreiche Schlampereien und zweifelhafte Vorgehensweisen von Polizei und Verfassungsschutz im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu der Mordserie und nach Entdeckung der Terrorzelle sind heute Gegenstand von Untersuchungsausschüssen.

Die Bundesanwaltschaft wollte sich zum Zusammenhang zwischen den Anschlagorten und dem NSU-Logo auf Anfrage nicht äußern. Es ist auch ungewiss, ob die Runen-Spuren sich als sachdienlich erweisen werden. In manchen Fällen ist davon auszugehen, dass für die Auswahl der Anschlagsziele gute Ortskenntnisse erforderlich waren. Ob es noch weitere Helfer vor Ort gab, ist noch nicht restlos geklärt.