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Gesellschaft

Nach NSU-Terror: Türkische Frauen fühlen sich am wenigsten sicher

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Die jüngste Studie der Organisation „Transparency International“ hatte ein tiefes Misstrauen der Deutschen gegenüber ihren Medien diagnostiziert. endaX zeigt jetzt: Unter Deutsch-Türken ist dieses Misstrauen besonders stark ausgeprägt. (Foto: dpa)

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Nach NSU-Terror: Türkische Frauen fühlen sich am wenigsten sicher
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Im Zuge der Aufklärung der NSU-Morde vertrauen Türkinnen und Türken in Deutschland den deutschen Medien wenig. Dies ergab die erste Umfrage der Initiative „endaX – Ihre Stimme in Deutschland”. In der Umfrage mit repräsentativem Charakter wurden die Rückläufe von 722 TeilnehmerInnen ausgewertet.

Gegenstand der Untersuchung war der Themenkomplex „Aufklärung der NSU-Morde”. Es wurde insbesondere danach gefragt, wie stark das Vertrauen von in Deutschland lebenden Türkinnen und Türken in die Politik, Justiz, Nichtregierungsorganisationen und Medien mit Blick auf die Aufarbeitung der Verbrechen der Terrorzelle ausgeprägt ist. Darüber hinaus interessierte endaX, wie sicher sich die Türkinnen und Türken in Deutschland fühlen und ob die NSU-Morde Einfluss auf deren private Lebensplanung haben.

Ein Paukenschlag war dabei insbesondere das immense Vertrauensgefälle zwischen deutschen und türkischen Medien, das sich im Resultat widerspiegelt. Im Gegensatz zu den deutschen Medien genießen die türkischen Medien nämlich eine überragende Zustimmung. Nicht weniger als 74,9% äußerten sich positiv über die Rolle türkischer Medien im Zusammenhang mit der Aufklärung der NSU-Morde und die Berichterstattung über den Prozess. Die deutschen Medien hingegen erfahren eine niedrige Zustimmung (13,1%). Die Zustimmung für die internationalen Medien ist mit 22,7% mäßig, allerdings haben 10,4% der Befragten die Frage zu den internationalen Medien nicht beantwortet, was darauf hinweist, dass viele Befragte die Rolle der internationalen Medien im Zuge der Aufklärung der NSU-Morde entweder nicht einschätzen konnten oder deren Berichterstattung schlichtweg nicht verfolgt haben.

Großer Vertrauensvorschuss für türkische Medien

„Dieses Ergebnis hat uns doch sehr überrascht”, führt Kamuran Sezer, Leiter des futureorg Instituts, auf das die Initiative „endax“ zurückgeht, an. „Die deutschen Medien verfügen über mehr Ressourcen und haben eine größere Reichweite. Angesichts dieser strukturellen Vorteile haben wir nicht angenommen, dass die Zustimmung so niedrig sein wird.” Die Forscher weisen allerdings auch darauf hin, dass die Verfassungsbeschwerde der türkischen Zeitung „Sabah” gegen die Vergabe von Presseplätzen im Rahmen des NSU-Prozesses am Oberlandesgericht in München gezeigt hat, dass türkische Medien durchaus eine Wirkung entfalten können. „Dies könnte eine Erklärung für die hohe Zustimmung für die türkischen Medien sein”, so Kamuran Sezer.

Da außer „Sabah“ zurzeit nur das zur „World Media Group AG“ gehörende DTJ ein deutschsprachiges Nachrichtenportal betreibt und außer einigen Blogs nicht viele türkische Medien in Deutschland vertreten sind, hätten diese strukturellen Gesichtspunkte keine hohe Zustimmung für die türkischen Medien erwarten lassen. Neben dem allgemein geringen Ansehen deutscher Medien in der Bevölkerung, wie es eine Studie von „Transparency International“ in der Vorwoche diagnostiziert hatte, dürfte möglicherweise auch eine größere Empathie deutschsprachiger türkischer Medien gegenüber der türkischen Community zu dem überraschenden Ergebnis beigetragen haben.

Hier geht es zu den Ergebnissen der ersten endax-Umfrage

Was die Aufklärung der NSU-Morde anbelangt, genießen allerdings auch die Bundesregierung (7,0% starke bis sehr starke Zustimmung), das Oberlandesgericht in München (10,1%) und der Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag (9,3%) ein sehr geringes Vertrauen seitens der Türkinnen und Türken in Deutschland. Dabei steht die Bundesregierung sinnbildlich für den politischen Willen zur vollständigen Aufarbeitung des Terrors, das Oberlandesgericht München für die Fairness, die dabei an den Tag gelegt wird und der Untersuchungsausschuss für die Aufklärung über die Rolle von Sicherheitsbehörden.

Jüngere haben größeres Vertrauen in deutsche Institutionen

64,5% der Türkinnen und Türken fühlen sich der endaX-Untersuchung zufolge von den NSU-Morden stark bis sehr stark persönlich betroffen. Dies betrifft die Frauen am stärksten. Die unter 25-jährigen Befragten hingegen fühlen sich im Vergleich mit den anderen Gruppen eher mäßig bis stark betroffen.

Eine ebenso große Mehrheit von 67,7% der Befragten geben an, dass die NSU-Morde Einfluss auf die private Lebensplanung haben. Dies betrifft Frauen, Hochqualifizierte und Jüngere gleichermaßen stark. Männer fühlen sich im Vergleich zu den anderen Gruppen in ihrer privaten Lebensplanung vergleichsweise weniger stark betroffen.

Zudem geben 67,8% der Befragten trotz allem an, dass sie sich in Deutschland mäßig bis sehr sicher fühlen. Am sichersten fühlen sich die unter 25-Jährigen und am wenigsten sicher fühlt sich die Gruppe der Frauen in Deutschland.

Eine besonders interessante Gruppe im Rahmen der Untersuchung bildete nach Einschätzung des Forscherteams die Befragten unter 25 Jahre. Diese Gruppe zeigte im direkten Vergleich mit den anderen Gruppen (Männer, Frauen und Hochqualifizierte) mehr Zuversicht bei der Aufklärung der NSU-Morde. Auch fühlen sie sich von den NSU-Morden nicht so stark persönlich betroffen wie beispielsweise die Frauen, die im Zuge der Untersuchung befragt wurden. Und trotzdem gibt die U-25-Gruppe mehrheitlich an, dass die NSU-Morde starken Einfluss auf die eigene private Lebensplanung in Deutschland haben. „Diesen Befund fanden wir derart spannend, dass wir umgehend eine zweite Befragung gestartet haben, um zu ermitteln, wie dieser Einfluss auf die private Lebensplanung der jungen Menschen beschaffen ist”, sagt Kathleen Brüssow, Analystin am futureorg Institut.

„endax“ ist eine gemeinsame Initiative des futureorg Instituts und der World Media Group AG. Falls Sie Interesse an den „endax“-Umfragen haben und teilnehmen möchten, können Sie sich unter endax.de ganz einfach registrieren.