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Politik

Nach „Schmähgedicht“: ZDF wendet sich an den türkischen Botschafter, Böhmermann an den Kanzleramtschef

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Die Posse um das Schmähgedicht gegen den türkischen Präsidenten zieht immer weitere Kreise: Der ZDF-Intendant hat sich an die türkische Botschaft gewendet, Jan Böhmermann an den Kanzleramtschef.

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Jan Böhmermann
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Nach dem Schmähgedicht von Jan Böhmermann gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan hat das ZDF den Kontakt zur Türkei gesucht. „ZDF-Intendant Dr. Thomas Bellut hat am Montag mit dem türkischen Botschafter in Berlin telefoniert“, teilte das ZDF am Freitag der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mit. Dabei habe er „sein Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, dass der Beitrag Gefühle von Zuschauerinnen und Zuschauern verletzt hat“. In dem mit „Schmähkritik“ überschriebenen Gedicht über Erdoğan verwendete Böhmermann Formulierungen, die teils deutlich unter die Gürtellinie zielen. Der Satiriker hatte vorher darauf hingewiesen, dass so etwas in Deutschland nicht erlaubt sei.

Das ZDF hatte den Beitrag der ZDFneo-Sendung „Neo Magazin Royale“ aus der vergangenen Woche in der Wiederholung im ZDF gestrichen. Auch in der Mediathek war er nicht mehr abrufbar. Die Mainzer Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Böhmermann wegen des Verdachts der Beleidigung von Organen oder Vertretern ausländischer Staaten, nachdem Anzeigen eingegangen waren. Außerdem prüft sie Anzeigen gegen Verantwortliche des ZDF.

Bisher lägen weder eine Ermächtigung der Bundesregierung noch ein Strafverlangen der Türkei vor, teilte die Leitende Oberstaatsanwältin Andrea Keller am Freitag mit. Diese seien für eine Strafverfolgung in solchen Fällen nötig, aber „nicht zeitnah zu erwarten“. Vor dem ZDF-Studio in Istanbul hatten türkische Kritiker des Gedichts demonstriert.

Böhmermann wendet sich ans Kanzleramt

Informationen des „Spiegel“ zufolge soll Böhmermann sich in der Debatte um seinen Beitrag auch an Kanzleramtschef Peter Altmaier gewandt haben. In einer privaten Twitter-Nachricht habe er Altmaier am vergangenen Sonntag mitgeteilt, er möchte „gerne in einem Land leben, in dem das Erkunden der Grenze der Satire erlaubt, gewünscht und Gegenstand einer zivilgesellschaftlichen Debatte sein kann.“ Damit habe er nicht um Hilfe bitten wollen, sondern lediglich um die „Berücksichtigung meines künstlerischen Ansatzes und meiner Position, auch wenn er streitbar ist.“ Wie das Nachrichtenmagazin berichtet, habe Altmaier darauf geantwortet, dass er sich zurückmelden werde, wenn er wieder in Berlin ist. Daran habe er sich aber nicht gehalten.

Heute Morgen hatte Böhmermann seine Teilnahme an der Grimme-Preis-Verleihung am Abend in Marl abgesagt. Das Grimme-Institut bestätigte das auf Anfrage. „Ich fühle mich erschüttert in allem, an das ich je geglaubt habe“, postete der 35-Jährige am Freitagmorgen auf Facebook. „Mein Team von der Bildundtonfabrik und ich bitten um Verständnis, dass wir heute Abend nicht in Marl feiern können.“ Böhmermann sollte den Preis für seine Satire rund um den Mittelfinger des griechischen Ex-Finanzministers Yanis Varoufakis bekommen.

Handzahm im „Neo Magazin Royale“

Gestern Abend hatte Böhmermann sich in der neuen Ausgabe seines „Neo Magazin Royale“ Witze über den türkischen Präsidenten verkniffen. Böhmermann ließ es an ein paar wenigen Anspielungen dann aber doch nicht fehlen. Mit seinem Sidekick Ralf Kabelka unterhielt er sich über neue berufliche Perspektiven. Vielleicht mal ein Wechsel in die Privatwirtschaft? „Ich überleg mir gerade, mich beruflich mal umzugucken…“, sagte Böhmermann und stellte sein neues Label „Böhmer-wohnen.de“ vor. „Wer träumt nicht diese Tage davon, so zu leben wie ich?“

Als Gast präsentierte Böhmermann die ARD-Talkerin Anne Will, der er die belanglose Frage stellte: „Was ist das Thema deiner nächsten Sendung?“ Antwort Will: „Die Türkei…“ Böhmermanns Retourkutsche darauf: „Wie ist dein Verhältnis zu Günther Jauch? Um mal eine ähnliche Frage zurückzugeben.“ Und um seinerseits den Finger in die Wunde zu legen: Jauch wurde 2011 Nachfolgerin von Anne Will als ARD-Sonntagabendtalker – in diesem Jahr übernahm sie als Nachfolgerin Jauchs wieder ihren alten Job. (dpa/dtj)