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Politik

Der trügerische türkische Triumph in Aserbaidschan

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Menschen halten die aserbaidschanische Flagge hoch.
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Die Waffenruhe zwischen Armenien und Aserbaidschan verschafft der Türkei eine direkte Verbindung zu Aserbaidschan. Die Grenzregion Nachitschewan ist seit Atatürks Zeiten ein wichtiges strategisches Ziel der Türken – und nun Erdoğans Einfallstor ans energiereiche Kaspische Meer. Doch es gibt ein Problem.

Der Krieg um Bergkarabach ist beendet (DTJ-Online berichtete), Aserbaidschan ging als Sieger hervor. Und die Türkei profitiert ebenfalls vom Abkommen am 10. November. Denn neben den sieben Regionen, die Bergkarabach umgeben, wird dem türkischen Verbündeten Aserbaidschan ein Landkorridor vom Kernland zur autonomen Region Nachitschewan (türk. Nahçıvan) zugesprochen. Das Brisante daran: Nachitschewan grenzt direkt an die Türkei.

Das bedeutet: Die Türkei bekommt einen direkten Zugang zu seinem Verbündeten Aserbaidschan und zum Kaspischen Meer. In den Worten des aserbaidschanischen Historikers und Parlamentariers Musa Qasımlı hört sich das so an: „Mit dem Abkommen wird die Blockade von Nachitschewan und Aserbaidschan beendet. Aserbaidschan wird über die Eisenbahnlinie Baku–Nachitschewan–Iğdır–Kars–Istanbul Zugang zur Türkei und Europa erhalten.“

Atatürks Idee nach 100 Jahren umgesetzt

Damit steht fest: Eine mehr als 100 Jahre alte Idee Mustafa Kemal Atatürks wird erstmals in die Realität umgesetzt. Denn der Staatsgründer war es, der Nachitschewan als wichtiges strategisches Ziel ausmachte. Er hatte 1921 darauf bestanden, dass die Sowjetunion die Region nicht Armenien, sondern Aserbaidschan zuspricht.

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Eine Karte des Waffenstillstandsabkommens über Bergkarabach November 2020. Quelle: Wikimedia Commons

Heute wird die Region, in der aserbaidschanische und türkische Streitkräfte bereits gemeinsam Militärübungen abhielten, ausschließlich von Aserbaidschanern bewohnt. Knapp 450.000 Einwohner zählt das Gebiet. Nachitschewan ist wirtschaftlich von der Türkei abhängig. Aus der Region stammt Aserbaidschans Präsident İlham Aliyev, der seit 2003 an der Macht ist.

„Zwei Staaten, eine Nation“

Am Tag nach dem Waffenstillstandsabkommen zwischen den Kriegsparteien sagte der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar: Aserbaidschan und die Türkei seien „zwei Staaten und eine Nation“. Seine Interpretation des Abkommens lässt keinen Zweifel: Aserbaidschans Erfolg im Krieg um Bergkarabach ist auch ein türkischer Triumph.

Kein Wunder: Türkische Waffen und türkisches Militär-Knowhow hatten zum Sieg gegen Armenien geführt. Ankara half den Verbündeten in Baku mit moderner Militärtechnologie, Drohnen und Präzisionswaffen. Inzwischen hat das türkische Parlament der Entsendung von Soldaten nach Aserbaidschan zur Überwachung der Waffenruhe in Bergkarabach zugestimmt. 

Russland kontrolliert Korridor zu Aserbaidschan

Nach dem vorläufigen Ende des sechswöchigen Bergkarabach-Kriegs geht die Türkei – auch durch die neue Verbindung zum energiereichen Kaspischen Meeer – geopolitisch gestärkt vom Schlachtfeld. Der sogenannte Korridor wird allerdings von Russland kontrolliert.

Entlang der Überlandstraße durch das Land des geschlagenen Erzfeinds werden russische Truppen stationiert, um die Sicherheit des Transits garantieren. Wie das genau aussehen soll, regelt der Friedensvertrag nicht. Die Umsetzung des Abkommens birgt maximalen Konfliktstoff.

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