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Panorama

Neonazi-Terror der alten Schule

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Die „Oldschool Society“ soll ein überregionales Netzwerk aufgebaut haben und plante offenbar Bombenattentate auf Moscheen und Flüchtlingsunterkünfte. Sicherheitsbehörden sprechen nach den Durchsuchungen von einer „großen Gefahr“. (Foto: dpa)

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Die von einem Computermonitor am 06.05.2015 abfotografierte Facebook-Seite der «Oldschool Society». Die Bundesanwaltschaft hat bei Razzien in mehreren Bundesländern am Mittwoch vier mutmaßliche Rechtsextremisten festnehmen lassen. Die drei Männer und eine Frau stehen demnach in dem dringenden Verdacht, gemeinsam mit anderen die rechtsterroristische Vereinigung «Oldschool Society» (OSS) gegründet und Anschläge auf Moscheen und Asylbewerberheime geplant zu haben.
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Rund 250 Ermittler durchsuchen am Mittwoch zahlreiche Wohnungen von insgesamt neun Personen. Drei Männer und eine Frau im Alter zwischen 22 und 56 Jahren werden festgenommen. Spezialeinheiten der Bundes- und Länderpolizei sind in Sachsen, Bayern, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern an der Großrazzia beteiligt: Die bislang unbekannte rechtsextremistische Organisation Oldschool Society“ (OSS) erscheint mit einem Paukenschlag auf der bundesdeutschen Bildfläche.

Die Bundesanwaltschaft spricht von einer „terroristischen Vereinigung“, auf die deutsche Sicherheitsbehörden bereits im Herbst des vergangenen Jahres aufmerksam geworden waren. Die vier OSS-Mitglieder hatten sich offenbar mit Sprengstoff für „etwaige terroristische Anschläge“ eingedeckt, wie die Fahnder nach ihrer Razzia klarstellten. Sie seien dabei auf „pyrotechnische Gegenstände mit großer Sprengkraft“ gestoßen.

Gründung in Sachsen 

Weil die Festgenommenen weiteren Sprengstoff und Waffen beschaffen wollten und die Anschlagspläne offenbar konkreter wurden, griffen die Ermittler Mitte der letzten Woche zu. „Nach unseren Ermittlungen bestand große Gefahr, dass die Mitglieder der Gruppe ihre Ziele umsetzen würden“, sagte der Chef des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes, Burkhard Freier, dem WDR.

Den nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden zufolge seien die Anschlagspläne der Terrorzelle bereits weit fortgeschritten gewesen. Die Gruppe habe Anschläge mit Waffen „konkret geplant“. Ihre Feindbilder: Minderheiten, Ausländer, Asylbewerber und Muslime. Die OSS plante unter anderem Attentate auf Asylbewerberheime, Moscheen und die salafistische Szene in der Bundesrepublik.  Nach Informationen des ‚Spiegels‘ plante die OSS Anschläge mit Nagelbomben. Diese besonders perfide Attentatsmethode folgt dem Vorbild des Anschlags in der Kölner Keupstraße im Juli 2004, der dem sogenannten NSU zugerechnet wird.

Hierarchie eines Rockerklubs

Die Gruppierung soll bereits im November 2014 gegründet worden sein. Eigens dazu trafen sich die OSS-Mitglieder im sächsischen Frohburg südlich von Leipzig zu einer Art Gründungsveranstaltung. Dabei sollen die vier festgenommenen Mitglieder, die bereits kurz nach ihrer Inhaftierung in Karlsruhe dem Haftrichter vorgeführt wurden, federführend gewesen sein.

Die Gruppe war wie ein Rockerklub hierarchisch durchorganisiert: Den Ermittlern zufolge fungierte Andreas H. aus Augsburg als „Präsident“ der Neonazi-Truppe, Markus W. aus Sachsen war dessen „Vize“. Olaf O. aus Bochum, der den Sicherheitsbehörden bislang lediglich als „Mitläufer“ auffiel, und die aus Sachsen stammende Denise Vanessa G. sollen ebenfalls Funktionen in der Gruppe übernommen haben.

Vom Mitläufer zum Terroristen

Weil mit Daniel A., gegen den bislang kein Haftbefehl vorliegt, ein weiteres OSS-Mitglied aus Sachsen stammt, gilt es als sicher, dass der ostdeutsche Freistaat als Operationszentrum der OSS fungierte. Unklar bleibt allerdings, wie sich ein Mitläufer wie der 47-jährige Olaf O. binnen kurzer Zeit derart radikalisierte.  Erste Verbindungen lassen sich im Umfeld der Aufmärsche des rechtsradikalen Bündnisses „Hooligans gegen Salafisten“ (Hogesa) beobachten.

Ein weiterer Anhaltspunkt: das Internet. Auf der Facebook-Seite der Gruppierung wird deutlich, wofür der Name „Oldschool Society“ steht: Dort definiert sich die OSS als „eine Verbindung gleichgesinnter Menschen, die die deutsche Kultur und ihre Werte leben“. Auf der Seite sind Fotos von Neonazi-Aufmärschen und Rechtsrock-Konzerten zu sehen, außerdem sind dort einschlägige Internetseiten und Neonazi-Organisationen verlinkt.

„Oldschool“ = besonders extrem

Das passt. Schließlich gilt in der rechtsradikalen Szene als „oldschool“, wer die Subkultur besonders extrem auslebt. Das Motto hinter dem Schlagwort: „Zurück zu den Wurzeln“. Zum extremen Charakter der verbotenen Neonazi-Organisation passt das Abzeichen der OSS: Der Schriftzug „Oldschool Society“ wird flankiert von zwei blutverschmierten Fleischerbeilen und einem stilisierten Totenkopf.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière betonte indes in Berlin: Es handele sich um die erste Vereinigung dieser Art in Deutschland nach dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU). Sofort werden böse Erinnerungen wach: Der sogenannten NSU soll von 2000 bis 2011 aus Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos bestanden haben. Nicht ausgeschlossen wird allerdings, dass die Gruppe viel größer war als bislang angenommen.

Böse Erinnerungen an den NSU

Die beiden mutmaßlichen männlichen Mitglieder der Gruppe sollen unentdeckt acht türkischstämmige und einen griechischen Händler sowie eine Polizistin getötet und 14 Banken in Chemnitz, Zwickau, Stralsund und Arnstadt überfallen haben. Zschäpe ist seit 2013 wegen Mittäterschaft in zehn Mordfällen, besonders schwerer Brandstiftung und Mitgliedschaft in und Gründung einer terroristischen Vereinigung vor dem Münchener Oberlandesgericht angeklagt.

Seit mehr als drei Jahren sitzt sie in Untersuchungshaft. Mittlerweile haben die Taten des sogenannten NSU fünf Untersuchungsausschüsse auf Bundes- und Länderebene beschäftigt und unzählige Entlassungen und Rücktritte verursacht. Wirkliche Erkenntnisse bleiben jedoch rar, Verschwörungstheorien beliebt.