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Panorama

Neue Serie zeigt Innenleben des türkischen Geheimdienstes

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Die Serie „Teşkilat“ hat die TV-Charts der letzten beiden Sonntage erobert.
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Der türkische Staatssender „TRT“ gibt mit seiner neuen Serie „Teşkilat“ Einblicke in das Leben von Geheimdienstler:innen und betreibt gleichzeitig PR für die neu entwickelten unbemannten Kampfdrohnen „SIHA“. Damit kommt sie in der türkischen Bevölkerung gut an. Eine Rezension der neuen Hitserie.

Unbemannte Kampfdrohnen, schwarze Transporter, Menschenentführungen aus dem Ausland und Brandstiftungen durch Nazis: So viel Bezug zur Realität und aktuellen politischen Geschehnissen hatte in jüngster Vergangenheit wohl keine andere türkische Serie. Der neue Hit des staatlichen Senders „TRT“ heißt „Teşkilat“. Der Sender scheint damit bei den türkischen Zuschauer:innen gut angekommen zu sein. Allein schon mit der ersten Folge Anfang März schaffte die neue Serie die Tagesbestplatzierung noch vor der erfolgreichen Realityshow „Survivor“ sowie den beliebten Nachrichtenprogrammen von Fox TV und Show TV. Auch mit der zweiten Folge vergangenen Sonntag war „Teşkilat“ die meistgesehene Sendung des Tages.

Die hohen Zuschauerzahlen sind bei der realitätsnahen Story kein Wunder. Schließlich werden Einblicke in das tägliche Geschäft des türkischen Geheimdienstes gegeben und Beispiele für den Einsatz des neuen türkischen Prestigeprojekts „SIHA“ gezeigt.

Doch von vorne: Die Serie beginnt in Deutschland. Mehrere Neonazis setzen das Haus einer vierköpfigen türkischen Familie mitten in der Nacht in Brand – drei Familienmitglieder kommen ums Leben, lediglich der Sohn, der zugleich das jüngste Familienmitglied ist, kann mit Hilfe der Nachbarn überleben. Er kommt kurze Zeit darauf bei einem türkischen Konsulatsbeamten (Mete Bey) unter, der von nun an für den kleinen Serdar sorgt. Mit folgendem Satz von Mete Bey beginnt seine Ausbildung: „Von nun an ist der Staat der türkischen Republik deine Mutter und dein Vater!“ Serdars einziger Wunsch als Zehnjähriger ist es, dass die Mörder seiner Familie gefunden werden. Er hat keine andere Wahl und lässt sich von nun an von Mete Bey leiten.

Jahre später steigt Mete Bey zu einem hochrangigen Funktionär des türkischen Geheimdienstes „MIT“ auf. Serdar ist sein wichtigster Mann und übernimmt im Alleingang geheime Operationen im Ausland. Bei einem seiner Einsätze entführt er in „James Bond-Manier“ beispielsweise einen Terroristen aus Syrien. Die einzige Unterstützung erhält er von der unbemannten Kampfdrohne „SIHA“, die von der Geheimdienstzentrale in Ankara gesteuert wird. Dank deren Unterstützung kann Serdar regelrecht durch eine Armee an Terroristen in Syrien marschieren und wieder sicher zurück in die Türkei fliegen.

SIHA-Drohne von Erdoğan-Schwiegersohn Bayraktar als Prestigeprojekt

In der Tat gehört die Drohne, entwickelt vom Schwiegersohn des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, zu den jüngsten Prestigeprojekten des Landes. Zum ersten Mal wird die „SIHA“ so detailliert im Einsatz gezeigt.

Doch es gibt weitere wichtige Ereignisse in der Serie. So wird Mete Bey vom Geheimdienstchef persönlich dazu aufgefordert, ein Team aus seinen wichtigsten Geheimdienstlern zusammenzustellen, nachdem Terroristen in der Türkei einen Anschlag auf die Ingenieure der „SIHA“ verüben und mit Hilfe eines ausländischen Geheimdienstes wichtige Datensätze klauen.

Es dauert nicht lange bis Mete Bey sein fünfköpfiges Team zusammenstellt, die bereit sind, sich gegenüber ihren Familien tot zu stellen, um geheime Operationen durchführen zu können. Dafür wird ein Flugzeugunglück vorgetäuscht – ein Szenario, wodurch die Serie auch später noch emotionsgeladener wirkt.

Entführungen mit schwarzen Transportern

Doch während der Zusammenstellung des Teams fallen einige Details auf, die an skandalöse Ereignisse in der Türkei erinnern. So beispielsweise eine Szene, die schon im Trailer nicht zu übersehen war. Dabei stößt ein Geheimdienstmitarbeiter einen Mann in einen schwarzen Transporter. Seit dem Putschversuch 2016 wird dem türkischen Geheimdienst vorgeworfen, Oppositionelle und vor allem Anhänger der Hizmet-Bewegung mit schwarzen Transportern zu entführen. Oft tauchen diese Menschen gar nicht oder erst Monate später wieder auf.

Seit Ende vergangenen Jahres wird beispielsweise Hüseyin Galip Küçüközyiğit, ein ehemaliger Rechtsberater des Premierministeriums, vermisst. Seine Familie und die Organisation Amnesty International gehen von einer Entführung aus und wollen Aufklärung über sein plötzliches Verschwinden. Die Entführung von Menschen kennt man in der Türkei aus den 90er Jahren. Damals wurden vor allem aus überwiegend von den Kurden bewohnten Regionen Menschen entführt, die zum Teil nie wieder auftauchten. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) macht schon seit vielen Jahren auf das plötzliche Verschwinden von Menschen aufmerksam und fordert Aufklärung.

Beschlagnahmte Ipek-Universität als Schauplatz für „Teşkilat“

Auf ein weiteres Detail machte der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Koza-Ipek-Holding, Akın Ipek, aufmerksam. Ipeks Holding, unter anderem samt Medien und Minengesellschaften, wurden noch vor dem Putschversuch von der türkischen Regierung beschlagnahmt. Grund: Ipeks offene Bekennung zur Hizmet-Bewegung, die von der türkischen Regierung weiterhin ohne ausreichende Belege für den Putschversuch von vor fast fünf Jahren verantwortlich gemacht wird.

Dabei hatte Akın Ipek mit seiner Holding noch so vieles vor und gehörte zu den Vorzeigeunternehmern der Türkei. Im Rahmen seiner Unternehmungen ließ er auch eine neue private Universität in Ankara errichten, die ebenfalls beschlagnahmt wurde. Die Universität, damals als Vorzeigeprojekt von vielen Türken gelobt, dient laut einer Aussage von Akın Ipek heute als Studio für die neue Hit-Serie „Teşkilat“. Ipek schrieb in einem Tweet, dass die „schönen Schauplätze“ der Serie der Ipek-Universität gehören. Diese Uni sei 2011 lediglich aus finanziellen Mitteln der Ipek-Gruppe aufgebaut worden.

Europäische Medien im Visier der „Türkei-Feinde“?

Ein Teil der zweiten Folge von „Teşkilat“ spielt in Berlin. Hier übernimmt der Bösewicht „Fadi“ die Rolle eines Lobbyisten, der gegen die Türkei agiert. Dazu trifft er sich beispielsweise mit einem deutschen Abgeordneten, der entgegen der Wünsche von Fadi die Türkei als Freund betrachtet und eine Zusammenarbeit ablehnt. Dafür schafft es Fadi, mit wertvollen Geschenken die „Chefredakteurin der größten europäischen Zeitschrift“ zu bestechen. Diese soll als Gegenleistung eine „sensationelles Titelthema gegen die Türkei“ veröffentlichen.

Anhaltende Spannung mit viel Verbesserungsbedarf

Insgesamt ist „Teşkilat“ eine spannende Serie, die mit ihren zwei Stunden pro Folge eine lange Ausdauer erfordert. Angesichts anderer türkischer Produktionen, die durchschnittlich genauso lang dauern, dürfte das aber kein Ausscheidungskriterium sein. Im Vergleich zu vielen anderen türkischen Serien hält die Spannung in der Geheimdienst-Serie ständig an; sinnfreie, minutenlange Blickkontakte gibt es hier kaum. Zwar hat die Serie emotionsgeladene Momente, doch im Gesamtbild überwiegt der harte Charakter der Protagonisten. Diese sind eiskalt und misstrauen sogar ihren eigenen Leuten, wie in einem Verhör des Hauptdarstellers zu erkennen ist.

Zwar hat man versucht, die Hochmodernität des türkischen Geheimdienstes zu zeigen, doch in einigen Szenen scheint man damit noch etwas sparsam umgegangen zu sein. Für den Zuschauer, der an Hollywood gewöhnt ist, dürften einige Szenen und Technologien in der Serie nicht überzeugend genug sein.

Auch bei den Übersetzungen scheint man gespart zu haben. Geschmunzelt haben dürften deutsch-türkische Zuschauer:innen beispielsweise in einer Szene der ersten Folge, in der ein deutsch sprechender Mann zu hören ist, wie er „Sie finden, was sie verdienen“ sagt – als Übersetzung für „Hak ettiklerini buldular“.

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