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Politik

Nicht der erste Politiker mit erstaunlichem Sinneswandel

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Ende Februar twitterte Arnoud van Doorn, bis 2011 Vize-Vorsitzender der PVV-Fraktion im Gemeinderat Den Haag, das islamische Glaubensbekenntnis. Van Doorn ist nicht der erste Ex-Wilders-Anhänger mit einem erstaunlichen Sinneswandel. (Foto: reuters)

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GASTBEITRAG Arnoud van Doorn zählte zu keinem Zeitpunkt zur ersten Reihe der PVV-Repräsentanten: Als er im Jahre 2010 für einen Sitz in der Zweiten Kammer (vergleichbar mit dem Deutschen Bundestag) kandidierte, erhielt er bloß 32 „Präferenzstimmen“. Kein Bewerber auf der PVV-Liste schnitt am Abend des größten elektoralen Triumphes der rechtspopulistischen Bewegung schlechter ab. Zum Vergleich: Knapp 1,4 Millionen Niederländer setzten ihr Kreuz hinter den Namen „Geert Wilders“. Fleur Agema und Hero Brinkman konnten immerhin noch 31.486 bzw. 18.865 Wähler von sich überzeugen.

Nun ist Van Doorn jedoch in aller Munde. Kein Wunder: Es ist fraglos außerordentlich bemerkenswert, dass ein ehemaliger Mandatsträger der PVV zum „Feind“ überläuft. Ein zu großes Wort? Mitnichten! Das Programm „Die Agenda der Hoffnung und des Optimismus“, mit dem der Konvertit als Nr. 43 der Kandidatenliste der Wilders-Partei vor knapp drei Jahren in den Wahlkampf gezogen ist, spricht diesbezüglich Bände.

„Islam ist eine totalitäre Ideologie“

Die PVV behauptet im zweiten Kapitel, Titel „Für Islam-Bekämpfung, gegen Masseneinwanderung“, dass es sich beim Islam nicht um eine Religion, sondern um eine totalitäre Ideologie handle. Aus diesem Grunde könne die derzeit zweitgrößte Weltreligion keinen Anspruch auf „religiöse Vorrechte“ erheben. In diesem Sinne plädieren die Rechtspopulisten für die sofortige Schließung sämtlicher muslimischer Schulen. Darüber hinaus solle in den Niederlanden im Falle einer PVV-Regierungsbeteiligung keine weitere Moschee gebaut werden.

Zu den exzentrischsten Vorschlägen zählen die Forderungen nach einem Koran-Verbot und einer Kopftuchsteuer (von Wilders ursprünglich im Rahmen einer Rede in der Zweiten Kammer „Kopflumpensteuer“ getauft). Abschließend sprechen sich die Autoren des Wahlprogrammes für einen vollständigen Immigrationsstopp für Menschen aus muslimischen Ländern aus.

An anderer Stelle stoßen die Leser auf das ebenfalls skurril anmutende Plädoyer, den Kampf gegen den Islam (nicht: „Islamismus“!) künftig zum Schwerpunkt der niederländischen Außenpolitik zu erklären.

Van Doorn, der Ende Januar 2013 überdies festgenommen worden ist, weil er vertrauliche Ratsunterlagen an die Tageszeitung Algemeen Dagblad weitergeleitet hat, ist jedoch nicht der einzige PVV-Politiker mit einem erstaunlichen Sinneswandel.

Nicht der erste PVV-Politiker mit erstaunlichem Sinneswandel

Am 20. März 2012 verließ nämlich der oben erwähnte Hero Brinkman die PVV-Fraktion im nationalen Parlament. Auf einer emotionalen Pressekonferenz begründete Letzterer diesen Schritt mit gravierenden inhaltlichen Differenzen: Nach sechs Jahren störte er sich plötzlich an der Tatsache, dass Geert Wilders ganze Bevölkerungsgruppen (lies: Moslems) zu Unrecht in ein schlechtes Licht rücke. Zudem distanzierte sich Brinkman vor laufenden Kameras von der „Polen-Meldestelle“, einer PVV-Homepage, auf welcher sich besorgte Bürger über falsch parkende, zu schnell fahrende oder alkoholisierte Mittel- und Osteuropäer in ihrer Nachbarschaft beschweren konnten. Im Juli 2012 kehrten zudem aus unterschiedlichen Gründen die PVV-Parlamentarier Marcial Hernandez, Wim Kortenoeven und Jhim van Bemmel der Wilders-Fraktion in der Zweiten Kammer den Rücken.

Alle Fälle werfen unweigerlich die Frage auf, in welchem Maße sich die PVV-Politiker generell mit der Programmatik ihrer rechtspolitischen Bewegung identifizieren. Der in der Wissenschaft bzw. politischen Kolumnistik mehrfach geäußerte Verdacht, dass Geert Wilders in erster Linie opportunistische Abenteurer und Glückssucher rekrutieren könne, scheint sich allen voran durch die Konversion Van Doorns zu erhärten. Anders ausgedrückt: Die anti-islamischen Tiraden, Kernpunkt der PVV, büßen an Glaubwürdigkeit ein.

Aber auch dies ist bei näherem Hinsehen nicht erstaunlich. Schließlich erklärte der damalige VVD-Abgeordnete Wilders noch am 24. September 2001 im Rahmen der populären Talkshow Barend & Van Dorp, dass mit dem Islam „nichts verkehrt“ sei und es sich um „eine zu respektierende Religion“ handle.

Ob sich Arnoud van Doorn an diese Worte seines ehemaligen Vorsitzenden erinnert hat?

Autoreninfo: André Krause (Jahrgang 1981) stammt aus Dortmund und ist Doktorand am Zentrum für Niederlande-Studien in Münster. Sein Dissertationsprojekt trägt den Titel „Rechtspopulismus im Spiegel der niederländischen Presse (2001-2012)“.