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Politik

„Nicht reden, sondern handeln“

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Im Westen löst die scharfe antiisraelische Rhetorik des Ministerpräsidenten Erdoğan Befremden aus und wird als Zeichen einer „islamistischen Radikalisierung“ dargestellt. Der Opposition aber geht sie nicht weit genug.

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„Nicht reden, sondern handeln“
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Zahlreiche Europäer, die offenbar die Zeit der Ergenekon-Generäle als Blütezeit westlicher Freiheit und Demokratie in der Türkei betrachten, werfen der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) seit deren Regierungsübernahme mit dem Brustton der Überzeugung vor, das Land aus der westlichen Wertegemeinschaft herauslösen zu wollen. Die Betreffenden sehen in der aktuellen harschen Rhetorik des türkischen Premierministers Erdoğan gegenüber Israel angesichts der Eskalation im Gazastreifen einen weiteren Beweis für die Richtigkeit ihrer These.

Die Wenigsten von ihnen wären allerdings gleichzeitig in der Lage, darzulegen, welche Position die wichtigsten Oppositionsparteien im türkischen Parlament in dieser Frage einnehmen und ob diese tatsächlich wesentlich von jener der Regierungspartei abweichen.

Der Parteivorsitzende der stärksten Oppositionskraft, der strikt kemalistischen „Republikanischen Volkspartei“ (CHP), Kemal Kılıçdaroğlu, übte jedenfalls Kritik an Erdoğan mit Blick auf dessen Äußerungen zum Gazakonflikt. Diese zielt allerdings darauf ab, der Premierminister möge es nicht nur bei Worten belassen, sondern diesen auch Konsequenzen folgen lassen.

Kılıçdaroğlu: „Kürecik wurde nur für Israel errichtet“

Konkret forderte der Oppositionsführer den Regierungschef dazu auf, aus Protest gegen die Politik Israels die Radar-Basis der NATO in der osttürkischen Provinz Malatya zu schließen.

„Wenn Erdoğan Gaza wirklich einen Gefallen tun möchte, kann er dies auf sehr einfache Weise bewerkstelligen. Wenn er tatsächlich gegen Israel wäre, würde er den Betrieb der Radarbasis in Kürecik stilllegen“, so Kılıçdaroğlu.

„Warum wurde die Radarstation in Kürecik eingerichtet? Sie dient der Sicherheit Israels. Erdoğan, Sie appellieren an die Arabische Liga und die UNO, etwas für Gaza zu unternehmen: Machen Sie es doch selbst und geben Sie der Welt ein Beispiel“, erklärte der CHP-Vorsitzende weiter in einer Adresse zur heutigen Fraktionssitzung.

Kılıçdaroğlu warf Israel vor, in Gaza für eine humanitäre Tragödie zu sorgen. Das Land töte Menschen und sogar Kinder, so der Oppositionspolitiker. „Israel sollte aus der eigenen Geschichte lernen. Sie sollen die Grausamkeiten gegen das Israelische Volk nicht vergessen“, wird Kılıçdaroğlu von der „Hürriyet“ zitiert. Kılıçdaroğlu verteidigte auch die Reise einer CHP-Delegation nach Syrien, wo diese die Freilassung eines seit drei Monaten inhaftierten türkischen Journalisten aus einem Gefängnis erreichte. Man habe diese Reise aus einer Gesinnung der Menschlichkeit heraus angetreten, so der Oppositionsführer.

Premierminister Erdoğan hatte die Befreiung des Journalisten begrüßt, der CHP-Delegation aber vorgeworfen, für ein Propagandafoto mit dem syrischen Diktator Assad posiert und dessen Regime auf diese Weise Stoff für eine politische Show geliefert zu haben.

Bahçelis Interesse am Kurdenkonflikt ist größer

Auch der Vorsitzende der zweiten größeren Oppositionspartei, Devlet Bahçeli von der „Partei der Nationalistischen Bewegung“ (MHP), hat sich zur Gewalteskalation in und um Gaza zu Wort gemeldet. Es gäbe, so Bahçeli, „keine Beschreibung und keine Rechtfertigung für den Mord am unschuldigen palästinensischen Volk“.

Der MHP-Vorsitzende warf US-Präsident Barack Obama und der internationalen Staatengemeinschaft „gewissenloses Verhalten“ vor, da sie sich dem Leiden der Palästinenser gegenüber unempfindlich zeigen würden. Dem türkischen Premierminister Erdoğan warf er hingegen „leere Drohungen“ vor, wie er sie schon im Zusammenhang mit der „Mavi Marmara“ ausgestoßen hätte.

Den Vorsitzender der nationalistischen, wesentlich von der „Idealistenbewegung“ („Ülküculer“) getragenen Oppositionspartei schien sich allerdings ungleich mehr für die Kurdenpolitik der Regierung in Ankara zu interessieren. Er warf der AKP im Zusammenhang mit dem Hungerstreik der inhaftierten PKK-Terroristen vor, diesen nachgegeben und damit die prokurdische BDP zur Erhebung noch weitergehender Forderungen ermuntert zu haben.

Die AKP habe sich durch den Hungerstreik dazu bewegen lassen, das Recht auf Verteidigung vor Gerichten in der eigenen Muttersprache und die Erleichterung der Haftbedingungen für den inhaftierten Kurdenpolitiker Abdullah Öcalan zuzulassen.

Damit sei der Pfad geebnet für die Verankerung eines Rechts auf muttersprachlichen Unterricht in einer neuen Verfassung und für direkte Verhandlungen zwischen der Regierung und dem „Mörder von Imralı“, so Bahçeli im Rahmen einer Fraktionstagung.